Ich versuchte nicht zu ihm zu blicken, während es unangenehm still im Lift gewesen ist. Ich wusste mich zog etwas an ihm an und ich wollte noch näher zu ihm rutschen, aber ich konnte es nicht zulassen. Meine Gedanken spielten in seiner Anwesenheit verrückt und ich wollte nicht wahrhaben, dass ich gerade dabei war, mich unverschämterweise in Leo zu verlieben, welcher vermutlich nicht ansatzweise genauso über mich dachte, wie ich es tat. Sein Dasein verwirrte mich, legte einen Schleier um mich und sorgte dafür, dass meine Bravheit und Anständigkeit mit einem Mal verschwanden.
»Du entzückst mich, Ava.« Auf einmal klang seine Stimme noch tiefer und heiser als sonst und ich war schon fast gezwungen ihn anzuschauen. Er starrte mich einfach nur an und ließ mich wieder einmal nicht in ihn hineinblicken, ließ nicht zu, dass ich ihn verstand.
»Und ich habe dich gerne hier.«, fügte er hinzu und seine Augen suchten hungrig nach meinen. Seine Augen suchten mich wieder einmal ab, glitten an mir hoch und runter und ließen mich nicht los.
»Danke, Mr. Adams. Oh nein, ich meine Leo. Danke Leo.«, flüsterte ich und zuckte zusammen, als er einen Schritt auf mich zu ging. Mein Mund wurde plötzlich staubtrocken und irritiert konnte ich mich keinen Millimeter bewegen. Ich ließ zu, dass er den Abstand zwischen uns immer mehr verminderte und nun genau vor mir stand.
Leo war größer als ich. Er war einen ganzen Kopf über mir und ich musste meinen Kopf etwas in den Nacken legen, um sein Gesicht von dieser Nähe betrachten zu können. Seine braunen Augen schweiften über mein Gesicht und wieder einmal fragte ich mich, wie es sein konnte, dass er mich so mit seinen Blicken zu durchbohren versuchte. Sie blieben an meinen Lippen hängen.
Er hatte vor den Abstand zwischen uns zu schließen und ich merkte schon seinen warmen Atem gegen mein Gesicht hauchen. Versuchte er mich gerade zu küssen?
Sein Atem war etwas hektischer, aber noch lange nicht mit meinem zu vergleichen. In mir bebte es regelrecht und ich fragte mich, ob mein Herzschlag schon so laut gewesen ist, dass er ihn hören konnte.
Sofort setzte mein Verstand wieder ein, als ich das pling des Fahrstuhls hörte. Erleichtert drehte ich mich um und stellte fest, dass Andrew vor dem Fahrstuhl schon wartete. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, in welcher Leo vor mir stand und mich anblickte, als hätte er noch nie zuvor ein Mädchen gesehen. Er war mir immer und immer näher gekommen und ich ließ es zu, ohne meine Augen von seinen zu nehmen.
»Hallo Mr. Adams, Hallo Ava.« Begrüßte uns Andrew, während Leo und ich den Aufzug verließen.
Sogleich hoffte ich, Andrew hätte nichts bemerkt. Ich hoffte er hatte nicht gesehen wie nah wir uns gerade noch standen. Denn das war nicht richtig. Ich rief Andrew ein flüchtiges Hallo zu und folgte Leo in sein Büro. Ich war nicht nur desorientiert, was den Weg zu seinem Büro betraf, sondern was meine Gefühle und Gedanken anging in diesem Moment auch.
»Ava, wir müssen das Interview fortführen, wir wurden gestern gestört.« Mich packte eine Kälte, als ich hörte wie normal er wieder mit mir sprach. Seine Stimme hatte nicht mehr diesen bestimmten, wollenden Unterton welche sie im Aufzug hatte, sondern klang wieder distanziert, als hätte er verstanden was gerade fast passiert war. Als hätte er eingesehen, dass wir etwas vor hatten zu tun, was uns nicht erlaubt gewesen ist.
»Ja, natürlich. Ich mache weiter mit den Fragen.«, murmelte ich und stöberte durch meine Tasche. Ich fischte meine Zettel heraus und setzte meinen Kugelschreiber an die Stelle, an der ich am Tag zuvor aufgehört hatte.
»Mr. Adams.«, fing ich an doch hielt inne, als ich bemerkte, wie sehr ich mich an seinen Nachnamen gewöhnt hatte. »Leo, meine ich.«, verbesserte ich mich, er jedoch schien immer noch sehr ernst und ich wusste innerlich, es lag an der vorherigen Aufzug-Situation.
»Wo siehst du dich in zehn Jahren?«, fragte ich.
»Hier, genau hier wo ich gerade sitze.« Wenn ich mich nicht irrte hatte er immer längere Antworten gegeben, aber jetzt schien er so gelangweilt.
»Und wann...«, wollte ich gerade fragen, doch er schnappte sich einfach meinen Fragebogen und schaute diesen interessiert an. »Das sind Fragen, die du mir unbedingt stellen willst?«, stellte er nun mir eine Gegenfrage und ich verstand sie nicht wirklich, weswegen ich ihn entgeistert anschaute, aufgrund der Tatsache, dass er mir einfach so meinen Zettel weggeschnappt hatte. Er hielt ihn mir wieder hin und ich nahm ihn dankend an.
»Ja.«, entgegnete ich knapp. Ich hatte mir Gedanken über die Fragen gemacht also wollte ich irgendwo auch die Antworten darauf wissen. Natürlich würde ich viel lieber wissen wie lange er schon mit Lia zusammen gewesen ist oder wieso er sie vor ungefähr fünf Minuten betrügen wollte, jedoch kam das nicht in Frage. Mich ging es nichts an. Oder ging es das doch, nachdem wir uns so nah gewesen sind? Natürlich, schließlich hätte ich es zugelassen. Obwohl er vergeben war. Aber vielleicht wollte er mich gar nicht küssen, sondern wollte mir nur sagen, dass ich etwas im Gesicht hatte. Hatte ich das wohl? Mein Gehirn wurde regelrecht überflutet von so vielen Unklarheiten, die in mir herumschwirrten und mich nicht klar denken ließen.
»Nein, leg den Bogen weg und stell mir die Fragen, die du wirklich wissen willst.«
Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf und versuchte herauszufinden, was ich wirklich wissen wollte. Wollte ich wirklich etwas wissen?
»Willst du Kinder?«, sprudelte es nur so aus mir heraus und schockiert über mich selbst schloss ich meine Augen. »Tut mir leid.«, fügte ich hinzu und wünschte mir, ich hätte ihm diese Frage niemals gestellt.
»Ich bin kein Fan von Kindern, aber es wäre schade, wenn ich dieses Unternehmen an Niemandem weitervererben könnte, der mir Nahe steht.«, antwortete er und ich bemerkte, dass es aufrichtig war. Instinktiv fragte ich mich, ob das der einzige Grund gewesen ist, wieso er Kinder wollte, oder ob er sich wirklich niemals vorstellen könnte, eine Familie zu gründen.
»Und Lia, will sie Kinder? Und wie lange seid ihr schon zusammen?«, fragte ich und diesmal war ich wirklich interessiert daran noch einmal eine ehrliche Antwort zu erhalten.
»Bitte was?«, fragte er und seine Augen weiteten sich.
»Ava.«, fing er an und in seine Stimme war voller Entsetzen. Er war fassungslos.
»Lia ist meine Zwillingsschwester.«
Für ein paar Sekunden wünschte ich, ich wäre einfach verschwunden, wünschte mir, dass ich ihm diese Frage niemals gestellt hatte, weil ich mich so sehr schämte, dass ich die steigende Röte in meinem Gesicht nicht aufhalten konnte. Er lächelte nur verschmitzt, aber ich konnte nicht anders, als aufzustehen. Jetzt machte das alles Sinn, wieso sie sich so nah waren, wieso sie bei dem Meeting dabei war und ihm ihren halbleeren Kaffee in die Hand drückte und vor Allem wieso sich deren Vornamen so unglaublich ähnelten. Sofort erkannte ich die gleichen braunen Augen vor meinem inneren Auge und stellte die fatale Ähnlichkeit fest, welche von meiner Eifersucht ignoriert worden ist. Leo und Lia waren Zwillinge und ich hatte mich gerade Total zum Affen gemacht.
»Ich sollte gehen.«, murmelte ich und war schon aus seinem Büro verschwunden, als er mir noch ein Warte doch hinterherrief.
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the interview | ✔️
Romans𝐜𝐞𝐨 𝐥𝐨𝐯𝐞𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲 Die fleißige aber schüchterne Schülerin Ava Johnson hat während ihres letzten Schuljahres die Möglichkeit bekommen, für die Schülerzeitung ein Interview mit dem jungen, zum dahinknien gutaussehenden Unternehmer Leo Adams zu...