𝟓𝟓. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Leo fluchte leise und plötzlich auch genervt vor sich hin, während er verzweifelt versuchte sich so schnell wie möglich seine Klamotten wieder anzuziehen. Ich saß noch immer etwas perplex auf seinem Bett, nicht etwa weil irgendwer sich gerade in seiner Hütte befand und vielleicht jeden Moment das Zimmer betreten könnte, sondern weil ich gerade mit Leo Adams geschlafen hatte.

Plötzlich landete mein rosa Kleid vor mir auf seinem Bett und ich verstand instinktiv, was ich zutun hatte. Ich schob meine Gedanken aus meinem Kopf und schaute Leo für einen kurzen Moment an. Er war auf einmal voller Panik und schien nicht sehr erfreut über denjenigen zu sein, der ihn so spontan besuchen kam. Und natürlich musste er diese Person kennen, das erkannte man schließlich an seinem Stimmungswechsel. Schnell stand ich auf, sammelte meine herumgeworfene Unterwäsche auf und zog mich in Windeseile an. Ich versuchte meine verwuschelte Frisur etwas glatt zu streichen und schaute noch einmal an mir hinunter um zu gucken, ob ich akzeptabel aussah. Und natürlich tat ich das nicht. Denn diejenige, die gerade plötzlich in Leos Hütte aufgetaucht war, würde mich in diesem viel zu freizügigen Outfit sehen.

»Andrew wartet draußen schon auf dich. Bitte geh sofort«, kam es fast schon kalt aus Leos Mund und etwas verwirrt starrte ich in seine gestressten Augen. Seine Brust bebte, weil er wegen der vergangenen zwei Stunden komplett außer Atem war. Die angenehme Atmosphäre von vorhin verschwand auf einen Schlag und ich bereute, dass wir den Abend nicht zu zwei genießen konnten, sondern schon wieder gestört worden sind. »Wieso? Wer ist das?«, doch bevor ich meine Fragen überhaupt stellen konnte, war schon die Tür aufgesprungen worden und ein neugieriges Augenpaar musterte Leo. Und dann mich.

»Oh, Hallo. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.«, sagte die etwas kleinere Frau die mich nun eindringlich musterte. Sie blickte mich verwirrt an und übel nehmen konnte ich es ihr aufgrund meines Auftretens nicht. Mein Kleid war zu kurz, meine Oberweite zu offen, meine Haare zu verwuschelt und von dem Bett hinter uns wollte ich gar nicht erst anfangen. 

Perplex musterte ich die Frau vor uns. Ich erkannte ihre eindringlichen braunen Augen und die weichen Züge in ihrem Gesicht, die Lia ebenfalls hatte. Es hatte einen Grund, weshalb sie Leo hier besuchen kam und ich wusste, dass meine Vorahnung sich erübrigen würde.

»Mutter«, Leo räusperte sich und sprach genau das aus, was ich mir erhoffte nicht zu hören. Natürlich war das seine Mutter. Man erkannte es sofort. Etwas zittrig spielte ich an meinem Armband herum und war viel zu nervös, um etwas zu sagen ohne vor mich her zu stammeln. Der spontane Besuch und vor Allem der Blick seiner Mutter versetzte mich in Panik. Was sollte sie nur von mir denken? Wie sah ich nur aus?

»Wie unhöflich von mir. Hallo, Ich bin Penelope Adams, Leos Mutter. Mit wem habe ich das Vergnügen?«, In ihrem Gesicht umschlich sich ein leichtes Lächeln und für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, dass dieses Aufeinandertreffen vielleicht nicht allzuschlimm gewesen ist. Zumindest schien Penelope Adams aufrichtig zu lächeln und schon wieder beneidete ich sie, genau so wie Lia, für dieses wunderschöne Lächeln. Penelope hielt mir ihre Hand hin, welche ich etwas nervös nahm und schüttelte.

»Mein Name ist ehm Ava. Ava Johnson«, brachte ich kleinlaut aus mir heraus und erwiderte ihr Lächeln halbwegs. »Sie ist nur eine meiner Mitarbeiterinnen. Wir mussten etwas klären. Ich bringe sie eben raus«, ohne Vorwarnung packte er leicht meinen Arm und zwang mich dazu, mitzukommen, obwohl meine Welt für einen kurzen Moment stehen blieb, nachdem ich hörte, wie er mich seiner Mutter vorgestellt hatte. Ich war zu perplex um zu reagieren und zu gekränkt um ihm zu widersprechen. Stattdessen ließ ich es zu, dass er mir unsanft mein Handgelenk zerdrückte und mich hinter sich her zog.

 »Ich muss mich gleich mit dir Unterhalten Leo!«, rief seine Mutter hinterher, während Leo nur darauf fokussiert gewesen ist, mich so schnell wie es nur ging aus diesem Raum zu befördern. »Er ist zurück«, hörte man ihre gedämpfte Stimme außerhalb des Zimmers.

Verdutzt und gleichzeitig verwirrt über Leos Worte blieb ich mitten im Gang stehen und verschränkte meine Arme. »Was hast du gerade gesagt?«, die Wut stieg unkontrolliert in mir auf und ich blickte ihn böse an. Vielleicht hatte die Mutter uns noch hören können so laut wie ich plötzlich auf Leo einredete, aber es war mir augenblicklich egal gewesen. Mein Herz hatte für einen Moment ausgesetzt und ich wollte nicht wahrhaben, was Leo gerade gesagt hatte. Ich wollte nicht wahrhaben, dass dieser Abend wieder einmal nichts besonderes für Leo gewesen ist. »Ava, komm jetzt. Andrew wartet«, erwiderte er nur eilig und drehte sich wieder um weiterzugehen, ich jedoch blieb verletzt und vielmehr wütend stehen. »Ich kann nicht glauben, was für ein... was für ein...«

Ich wusste nicht, als was genau ich ihn beschimpfen sollte. Ich war so wütend, dass ich ihm alles hätte an den Kopf werfen können. »Ava-«, wollte er sich verteidigen, doch ich schnitt ihm das Wort ab. »Entscheid dich mal. Eine Mitarbeiterin fickt man nämlich nicht!«, wütend ging ich an ihm vorbei und zog, vermutlich mir all meiner Kraft, die Autotür auf. »Ava das ist meine Mutter! Du verstehst das nicht«, er blieb trotz meiner plötzlichen Attacke ruhig, während ich wortlos in das Auto einstieg und ihn ein letztes Mal anblickte. 

»Nie verstehe ich etwas oder? Denkst du eigentlich, du kannst mit mir machen was du willst? Mich kurz nehmen wann du willst und dann wieder alles zerstören? Nicht mehr mit mir. Mir reichts«, rief ich ihm wütend zu und schloss die Tür vor seiner Nase. Ich war sauer, mir war heiß und ich war kurz davor gewesen, loszuweinen. Vielleicht konnte er seiner Mutter nicht sofort von uns erzählen. Aber eine Mitarbeiterin? Ehrlich? Und wieso trug er so viele Geheimnisse mit sich? Wieso ließ ich mich von ihm schon wieder einwickeln, wenn ich noch immer nicht wusste, wer Er gewesen ist. Wieso Leo bei jeder Erwähnung ein grimmiges Gesicht zog und komisch reagierte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich noch viel weniger von Leo wusste, als ich wahrhaben wollte. Ich wusste weder wann sein Geburtstag war, noch welche Farbe er am Liebsten musste. Hatte er Haustiere? 

Ich schüttelte meinen Kopf und hätte am liebsten angefangen über mich zu lachen und gleichzeitig zu weinen. Niemals meinte er die Worte, die er heute Nacht zu mir gesagt hatte ernst. Leo Adams liebte mich nicht und es würde keine Liebesgeschichte geben. 

»Andrew fahr mich bitte an die Sunnyside Road«, ich atmete tief ein und aus und versuchte mich zu beruhigen, schließlich würde es jetzt nichts bringen, sauer zu sein. Ich war selbst schuld daran gewesen, dass mir mein Herz gebrochen wurde. Ein weiteres Mal.

»Mr. Adams hat mir befohlen Sie nach Hause zu fahren, Miss«, antwortete Andrew und ich seufzte. »Bitte Andrew. Tun Sie mir den Gefallen«, flehte ich und er nickte, während er durch den Rückspiegel versuchte herauszufinden, ob es mir auch wirklich gut ging.  »Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Ava?«, stellte er nun genau die Frage, die ich nicht beantworten konnte. In mir zog sich alles zusammen und ich konnte noch immer nicht glauben, dass Leo mich als seine »Mitarbeiterin« vorgestellt hatte.

»Ich weiß nicht, Andrew. Wieso ist er denn nur so kompliziert?«, fragte ich schmerzhaft in die Stille hinein und Andrew blickte für einen Moment auf die leere Seitenstraße Torontos, ohne mir auf meine Frage zu antworten. 

»Ich weiß gewiss nicht, was zwischen Ihnen und Mr. Adams vorgefallen ist, Ava, aber lassen Sie sich eins sagen«, fing er an mit seiner ruhigen Stimme zu erklären und bog endlich in die Straße ein, in welche ich ihn gebeten hatte, mich zu fahren. »Ich bin seit Mr. Adams Geburt persönlicher Butler der Familie Adams. Und bisher habe ich ihn noch nie so gesehen.«

»Wie.. gesehen? Was sehen Sie denn, Andrew?«, fragte ich fast schon hoffnungslos und blieb einen kurzen Moment sitzen. 

»Das Sie Mr Adams viel bedeuten. Gute Nacht Ava«

Etwas verwirrt stieg ich aus dem schwarzen Mercedes aus und wartete, bis Andrew wegfuhr. Ich dachte über seine ernsten Worte nach und schüttelte meinen Kopf. So benahm sich doch niemand, der jemanden mochte. Er wusste nicht, was er wollte oder was er an mir hatte. Obwohl ich hoffte, dass er es diese Nacht herausgefunden hatte. Aber das hatte er nicht getan.

Ich ging etwas mitgenommen die Eingangstreppen des Hauses hoch und klingelte an der Tür. Nur eine Person wusste, wie sie mir helfen konnte. Als die Tür endlich aufging, wurde ich von dieser Person mit weit geöffneten Augen angestarrt.

»Hey, Molly«

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt