𝟑𝟔. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥

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Noch nie zuvor bin ich auf einem Seminar gewesen. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Aber dieses lief unglaublich schnell und flüssig ab. Am Anfang des Seminars spazierte eine Frau hinein, welche sich vorstellte und uns dann in das komplette Thema des Seminars einleitete. Sie erwähnte, dass dies ein dreitägiges Seminar über Medien, Kommunikation und Contentmanagement sei. Auch wenn ich mit den meisten Begriffen, welche geläufig über ihre Lippen kamen, nicht wirklich etwas anfangen konnte, genau wie Lia, hatten wir glücklicherweise Logan, den Spezialisten in diesem Gebiet hinter uns sitzen, welcher uns wie aus der Pistole geschossen alles über dieses Thema erläutern konnte, sobald etwas für uns unverständlich war. 

»Und wieso nochmal sind wir hier?«, flüsterte Lia zu Logan und mir und ich musste leise auflachen, versuchte aber niemanden mit meinem Gelächter zu stören. Auch Logan schmunzelte.

»Um unser Know-How zu verbessern, Liana?« Ironisch stellte ihr Logan die Gegenfrage und etwas gelangweilt drehte sie sich zu mir um. Sie verdrehte ihre Augen und in ihrer Stirn stand fast schon geschrieben, wie viel Langeweile sie gerade empfand.

»Logan, das ist doch eigentlich ein sehr gutes Seminar für deine Abteilung, oder?« Nun wandte ich mich an ihn und er nickte stolz, weil ich von seiner Abteilung sprach. »Oh ja«, fing er leise an zu erzählen und interessiert hörte ich ihm zu, da auch mir seine Abteilung sehr gefiel. Ich fand meinen Spaß an Medien und Kommunikation und konnte mir wirklich vorstellen, in diesem Bereich tätig zu werden.

»Wir lernen ab morgen etwas über das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen. Das ist sehr wichtig, vor Allem für Leo, um ihm seinen wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Meine Abteilung ist das A und O seines Images und die Außendarstellung von Adams Industries.«, fügte er hinzu und aufgeschlossen folge ich seinen interessanten Worten.

»Klugscheisser«, nannte ihn Liana und während die beiden lachten, glitt mein Blick zu Sabrina und Leo. Auch sie waren mitgekommen und saßen genau vor uns. Ich hatte nur einen Blick auf seinen gut gebauten Rücken und stützte etwas verliebt meinen Kopf in meine Hand. Ich beobachtete ihn und dachte an unser erstes Treffen, erinnerte mich an den Fast-Kuss und schließlich an den richtigen Kuss mit ihm. Und dann kam mir unsere Nacht ins Gedächtnis. Ich verlor mich fast an dem Gedanken, wie er mich angefasst hatte. Wie er den Bereich berührt hatte, welchen noch nie zuvor ein Junge angefasst hatte. Und Leo war mit Abstand, mit riesigem Abstand kein Junge, wie diese, an die ich durch die Schule gewöhnt war. Auf dem sexuellen Gebiet hatte er definitiv Erfahrung und er wusste genau, wie er mich anfassen musste um mich um den Verstand zu bringen. Intuitiv wollte ich, dass er seine Hände wieder auf meinen Körper legte. Er war ein Mann. Ich wollte, dass er mir wieder für einen kurzen Moment Liebe schenkte und meinen Körper erkundigte. Und auch ich wollte mehr von ihm sehen und vor Allem wissen. Ich wollte wissen, wer Leo Adams wirklich war. Aber mir blieb nichts anderes übrig, als seinen Rücken anzugaffen und mir das alles in meinem Kopf vorzustellen.

Nach genau drei Stunden ließ uns die Frau gehen und ich musste feststellen, dass ich Logans Welt nun ein bisschen verstand. Und nicht nur das, mir gefiel sie. Ab diesem Moment wusste ich, dass ich in Logan Abteilung arbeiten wollte. Lächelnd unterhielt ich mich mit ihm darüber, wie sehr mir das Seminar gefallen hatte. 

»Im Hotel gibt es ein sehr gutes Restaurant«, merkte Lia an, als ich dieses von Weitem schon sah. Das Gebäude, in welchem unser Seminar stattfand, war nur gute fünf Minuten von unserem Hotel entfernt gewesen, weswegen wir liefen. Es tat zur Abwechslung mal gut, an die frische Luft zu gehen und sich zu bewegen und ich meine auch, dass die anderen neben mir genau dasselbe dachten. 

»Passt doch«, merkte Sabrina an und ich schaute instinktiv zu ihr, als ich ihre Stimme hörte. Ich wurde einfach das Gefühl nicht los, dass sie Mr. Reynolds Nachnamen trug, sich am Tag des Meetings in seinem Unternehmen und hatte auch noch das gleiche, unsympathische Gesicht und den Provokanten Ausdruck, welchen er auch hatte. Ohne Zweifel sind diese beiden Menschen miteinander verwandt gewesen. Wir alle gingen, das schöne und noch warme Abendwetter genießend zurück ins Hotel und nahmen Platz in dem von Lia benannten Restaurant. Ich staunte nicht schlecht und setzte mich mit ihnen an den Tisch. Vor mir standen mehrere Gabeln, Messer und zwei verschiedene Gläser. Während der Kellner uns die Speisekarten brachte, in welche die anderen hineinschauten, wandte ich mich etwas hilflos zu Lia. Sie bemerkte, dass ich keinerlei Ahnung von den Gegenständen hatte, die vor mir standen.

»Benutz einfach immer die rechte Gabel und das linke Messer. Das eine ist ein Glas für ganz normale Getränke, und das andere für Wein. Sag dem Kellner gleich einfach, was du essen und trinken willst.«, erklärte sie mir schmunzelnd und versank wieder in ihr Menü.

»Und was suchst du dir aus?«, fragte ich sie verzweifelt und sie schien angeregt zu überlegen. 

»Das Steak«, gab sie entschlossen wieder und schloss ihre Karte. »Und du?«

Etwas unbeholfen starrte ich auf die Karte, bevor ich sie endgültig schloss. »Das Risotto«

Es dauerte nicht lange, bis der Kellner mit unserer Bestellung verschwand und uns diese anschließend brachte. Ich konzentrierte mich auf mein Essen, während die anderen sich über ein paar lustige Erlebnisse unterhielten.

»Ich habe gehört, du machst ein zweiwöchiges Praktikum bei Leo. Wie gefällt es dir denn, Ana?« Sofort bemerkte ich die Provokation in ihrer Frage und ich wusste ganz genau, dass sie wusste, dass ich nicht Ana hieß. Aber ich ignorierte ihren Versuch mich zu provozieren und nickte. »Mir gefällt es bisher ganz gut.«, antwortete ich und stopfte mir meine Gabel in den Mund da ich hoffte, sie würde sehen, dass ich am Essen war, nicht reden wollte und mir nicht weiter meine ohnehin schon gestressten Nerven strapazieren.

»Sie macht sich super. Sie passt super bei uns rein und ist sehr fleißig. Sowas hast du noch nie gesehen.«, lobte mich Lia und ich wurde wahrscheinlich wieder rot. Ich versuchte vor Allem Leos Blick, welcher ununterbrochen auf mir lag, zu verdrängen. »Und das Meeting war der Burner«, fügte sie hinzu und trank einen Schluck aus ihrem Weinglas.

»Ja, tatsächlich habe ich mitbekommen, wie eine junge, unerfahrene und vor Allem unreife Praktikantin meinen Vater wegen seines Alters verspottet hat« ich zog meine Augenbrauen zusammen und schaute sie dabei zu, wie sie unbekümmert ihr Weinglas an ihren Mund führte, als hätte sie mich gerade nicht beleidigt. Unreif? Unerfahren?

Wut kochte in mir auf und jetzt erkannte ich diese verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Vater. Nicht nur Äußerlich, sondern vor Allem charakterlich ähnelten sich die beiden. Sie wollte sich mit mir anlegen, wollte, dass ich weiter oder mich unterkriegen ließ - ich jedoch wollte mir das nicht mehr gefallen lassen. Ich war schüchtern, ich war ahnungslos und hatte Angst vor Situationen, in denen ich vor Menschen reden musste. Ich war ängstlich und die meiste zeit nicht wirklich von mir selbst überzeugt. Doch das musste langsam sein Ende finden. Wenn ich wirklich ihren Respekt erlangen wollte, do musste ich ihr zeigen, dass sie so nicht mit mir reden durfte. 

»Ich habe ihm lediglich nur Tipps gegeben um seine Ideen zu verbessern. Ob er sie annimmt um seine Projekte zu ergänzen, ist ihm überlassen. Er hat mich, als Praktikantin, vor der gesamten Gruppe aufgerufen und versucht, mich zu demütigen. Und So unreif sind meine Ideen wohl nicht, denn Mr. Adams sponsert diese doch, oder nicht?«, fragte ich sie und versuchte so respektvoll wie möglich zu klingen. Ich war nicht bereit für einen Streit mit einem Mädchen, was theoretisch und wahrscheinlich auch praktisch über mir stand. Aber wie ich schon sagte: das musste ein Ende haben. Und dafür würde ich sorgen.

the interview | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt