Kapitel 6

997 24 4
                                    

22.02.2020

Christina

Ich stehe vor meinem geöffneten Koffer und gehe bestimmt zum 5. Mal in Gedanken meine Packliste durch. Trainingsklamotten, ein paar Alltagsklamotten, Schuhe, der Zettel mit der fast fertigen Choreo und den ganzen Rest den man sonst halt noch braucht. Optimistisch, dass ich nichts vergessen habe, schließe ich jetzt endlich den Koffer und stelle ihn an meine Haustüre. Gestern Abend habe ich noch eine Email von meinem Management erhalten, dass mein Zug am Kölner Hauptbahnhof um 15:10 Uhr abfährt, so dass ich ungefähr gegen 18:00 Uhr in Zürich am Flughafen ankommen werde. Luca habe ich diese Nachricht direkt weitergeleitet, nachdem er mir spätabends noch einen tanzenden Emoji geschickt hat. Typisch Luca. Für einen kurzen Moment war ich wirklich verwirrt, welche unbekannte Nummer mir nur einen einfachen Emoji schickt. Aber nach einem Blick auf das Profilbild hat sich diese Frage auch schnell wieder geklärt. Es zeigt Luca und seine Freundin am Meer, während er sie seitlich im Arm hält und beide glücklich in die Kamera strahlen. Zugegeben, oberkörperfrei kann er sich definitiv sehen lassen, aber vermutlich gibt es auch nur wenige Frauen, die sich diesen Anblick entgehen lassen würden. Michèle neben ihm macht allerdings ebenfalls eine sehr gute Figur mit ihren schönen langen Beinen und den blonden Haaren.
Ok, genug Bildanalyse für heute. Schließlich habe ich selbst gesagt, dass ich Luca nicht gestalkt habe, sondern mich nur rein tänzerisch informiert habe.
Ich schnappe mir meine kleine Handtasche, verstaue Handy und Geldbeutel darin, greife nach meinem Koffer und verlasse die Wohnung. Auf geht's ins Abenteuer. Gut gelaunt mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof, mit unserem neuem Lied als Ohrwurm. Dass wir gleich in Woche 1 eine heiße Salsa tanzen müssen ist schwierig, aber definitiv machbar. Falls Luca Berührungsängste haben sollte, werden diese auf jeden Fall gleich mal beiseite gewischt, denke ich mir und muss leise auflachen, da ich, sagen wir mal so... da ich jetzt auch nicht die harmloseste Choreografie in Sachen Sexyness erstellt habe. Aber es muss nunmal zum Lied passen und eigentlich hat er das beim Cha Cha Cha auch schon ganz gut hinbekommen. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir jetzt alleine auf der Tanzfläche stehen werden und der Fokus nur auf uns liegt. Aber wir werden ja sehen wie hot es letztendlich am Freitag auf der Tanzfläche sein wird.
Kaum habe ich mich im Zug auf meinen Sitzplatz fallen lassen, kündigt mein Handy eine neue Nachricht an.

Luca
Und? Sitzt du im Zug? 🤨

Ich runzle die Stirn. Denkt er etwa mein Zeitmanagement ist so schlecht, dass ich es nicht mal auf die Reihe bekomme pünktlich am Bahnhof zu sein? Falsch Herr Hänni. Dazu bin ich gerade noch fähig. Das Training bleibt dir also nicht erspart. Ehe ich ihm genau das antworten kann, erscheint auch schon die nächste Nachricht auf meinem Display.

Luca
Ich weiß ja nicht wie gut dein Zeitmanagement ist, aber ich brauche dich hier wirklich dringend. Also wage es bloß nicht den Zug oder das Flugzeug zu verpassen! 🤓😉

Wow. Jetzt können wir schon Gedanken übertragen. Ich versichere ihm schnell, dass ich im fahrenden Zug sitze und falls sich nichts mehr ändert auch pünktlich landen werde, ehe ich mich den letzten Zügen der Choreo widme.

Luca

Irgendwie hatte ich mir den Brunch spannender vorgestellt. Seit geschlagenen 4 Stunden sitzen meine Familie und Michèles Eltern gemeinsam am Tisch und wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Beziehungsweise eigentlich unterhalten sich nur die „Erwachsenen". Michèle, Cyril und ich sitzen etwas abseits daneben und schweigen uns eher an, als dass wir einen geselligen Vormittag miteinander verbringen, so wie das ursprünglich geplant war. Woran es liegt? Keine Ahnung. Bei Michèle und mir ist dieses Anschweigen in letzter Zeit sowieso zur Gewohnheit geworden. Seltsamerweise haben wir uns schon seit einigen Wochen einfach nichts mehr zu sagen. Jede Unterhaltung wirkt unfassbar gezwungen, ganz so als wären wir dabei uns auseinander zu leben und das ist etwas, was ich auf keinen Fall akzeptieren will. Ich weiß, dass ich für diese Beziehung kämpfen muss, weil Michèle eine unglaubliche Frau ist, die man nicht so einfach davonziehen lässt, aber im Hinblick auf Let's Dance scheint mir das Ganze ziemlich kompliziert zu werden.
Auch Cyril scheint die Eiszeit zwischen uns zu bemerken, hält sich aus der ganzen Sache allerdings raus und konzentriert sich lieber auf die Unterhaltung unserer Eltern. Wenigstens die haben ihren Spaß.
Gedanklich stecke ich immer noch in der Show gestern und versuche die ganzen neuen Eindrücke zu sortieren, während ich auf die Tischdecke vor mir starre. Als ich an Christinas Reaktion denke, wie sehr sie sich gefreut hat mit mir zu tanzen, muss ich automatisch lächeln und ziehe mein Handy aus der Hosentasche. Schon 15:00 Uhr. Hoffentlich verpasst Christina nicht ihren Zug oder sonst was, denn dann wäre ich wirklich aufgeschmissen. Wer soll mir denn dann das Tanzen beibringen? Schnell schüttele ich den Kopf und verbanne den Gedanken aus meinem Gehirn. Sie wird es schon pünktlich schaffen, so dass ich sie später am Flughafen in Empfang nehmen und zu ihrem Hotel bringen kann.
Natürlich lässt mir der Gedanke, dass sie mich vergessen haben könnte, keine Ruhe und ich schreibe ihr eine Nachricht. Entspannt atme ich aus, nachdem sie mir bestätigt hat, dass sie sich bereits auf dem Weg zu mir befindet. Ich lächle. Na dann kann es ja jetzt endlich richtig losgehen.

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt