19.03.2020
Christina
Mit leichten Kopfschmerzen befinde ich mich schon wieder auf dem Weg ins Studio. Den Abend gestern haben India und ich dann doch noch mit Wasser ausklingen lassen, nachdem Luca uns verboten hatte eine neue Flasche Wein zu öffnen. Im ersten Moment war ich beleidigt, aber wenn ich jetzt genauer darüber nachdenke, bin ich ihm sehr dankbar. Nur mit zwei Kaffees habe ich es heute Morgen geschafft einigermaßen fit und wach zu werden und auch mein Kopf macht sich weiterhin deutlich bemerkbar.
Schon als ich in den Backstagebereich trete, spüre ich, dass etwas nicht stimmt. Kaum habe ich die Türe geöffnet, bedeutet mir ein Mitarbeiter, dass ich mich bitte auf direktem Wege ins Catering machen soll. Da mir offensichtlich nichts anderes übrig bleibt laufe ich los. Auf den Gängen herrscht überall eine gähnende Leere und ich mache mir langsam Gedanken, was das hier alles zu bedeuten hat.
Als ich in den großen Raum eintrete, bekomme ich schon die nächste Anweisung von einem der Mitarbeiter. „Guten Morgen. Bitte keinen zur Begrüßung umarmen." Verwirrt runzle ich die Stirn, nicke aber und laufe dann auf Kathrin zu, welche an der Wand lehnt. „Guten Morgen, Bambi!", begrüßt sie mich euphorisch als sie mich entdeckt und breitet schon die Arme aus. Im nächsten Moment wird ihr wohl allerdings bewusst, was sie vorhin gesagt bekommen hat und sie lässt ihre Arme bedröppelt wieder sinken. Ich schicke ihr einen Luftkuss rüber. „Guten Morgen, Kathrin. Was geht hier eigentlich ab?" Auch sie scheint nicht wirklich zu verstehen was hier passiert, aber Andrzej befreit uns jetzt von der Ungewissheit. Er läuft schnurstracks auf uns zu. „Das ist wegen Corona. Die Infektionszahlen steigen immer weiter an und die neuste Regelung ist ein Abstand von mindestens 1,50 m." Geschockt schaue ich ihn an. Vor lauter Training habe ich offensichtlich völlig ausgeblendet, was um mich herum passiert. Ich habe absolut in der Let's Dance Blase gelebt, welche jetzt plötzlich mit einem Knall geplatzt ist. Viel Zeit darüber nachzudenken bleibt nicht, da der Produktionsleiter den Raum betritt und die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
„Guten Morgen zusammen. Ich habe heute leider keine erfreulichen Nachrichten für euch. Der Virus breitet sich rasant in Deutschland aus und auch wir sind jetzt von den Sicherheitsvorkehrungen betroffen. Keine Sorge, die Show wird erst mal fortgesetzt, allerdings mit neuen Regeln. Ihr haltet untereinander den nötigen Abstand. Keine unnötigen Umarmungen und bleibt möglichst in euren Garderoben. Ausgeschlossen sind natürlich die zwei Tanzpartner, die zählen als ein Haushalt. Des Weiteren werden die Shows komplett ohne Publikum durchgeführt, auch nicht mit Familien und Freunden. Vermutlich könnt ihr euch schon denken, dass wir auch die Gruppentänze und Openings ausfallen lassen müssen. Wir sind aktuell noch dabei uns eine Alternative zu überlegen."
Im Raum herrscht absolute Stille. Alle müssen erst einmal verdauen, was sie da gerade gehört haben und ich starre betroffen auf den Boden vor mir. „Achso und was ich vergessen habe. Die Grenzen werden geschlossen und der Flugverkehr eingestellt. Das heißt alle, die im Ausland trainiert haben, müssen in Deutschland bleiben." Ruckartig schießt mein Kopf nach oben. „Ihr bekommt alle ein Hotelzimmer in Düsseldorf, so dass wir die Reisestrecken und somit den Kontakt zu Anderen so gering wie möglich halten können. Versucht euch bitte daran zu halten, denn sonst werden wir die Show abbrechen müssen.", und mit diesem Satz verlässt er den Raum wieder. Kathrin neben mir atmet laut aus, bevor sie anfängt zu flüstern: „Dann kann Max gar nicht mehr herkommen." Ich will ihr gerade beruhigend über den Arm streichen, als mir einfällt, dass ich das ja jetzt auch nicht mehr machen sollte. Stöhnend lehne ich den Kopf an die Wand, bevor es mich wie ein Blitz durchzuckt. Luca. Sofort schnellt mein Kopf wieder nach oben und ich schaue hektisch hin und her. Plötzlich entdecke ich ihn. Er steht am anderen Ende des Raumes und bewegt sich nicht. Ohne mich von Kathrin und Andrzej zu verabschieden setze ich mich in Bewegung und bleibe erst vor ihm wieder stehen. Sanft umgreife ich sein Handgelenk. „Hey. Alles klar?" Luca zuckt nur mit den Schultern. „Ich kann nicht mehr nach Hause.", murmelt er jetzt leise und schaut mir in die Augen. Vorsichtig ziehe ich ihn hinter mir her in Richtung seiner Garderobe.
Als ich die Türe hinter uns geschlossen habe, schlinge ich meine Arme fest um seinen Hals. „Es tut mir so Leid, Luca.", flüstere ich neben seinem Ohr. „Schon gut. Das muss dir nicht Leid tun. Du kannst da ja auch nichts dafür. Wenigstens sparen wir uns so Zeit, weil wir nicht dauernd hin und her fliegen müssen.", stellt er optimistisch fest und löst sich wieder von mir. „Wir müssen India Bescheid geben. Am Besten fährt sie gleich nach Hause und kommt nicht mehr hier her. Nicht dass sie sonst noch Probleme bekommt.", fällt ihm plötzlich ein und er zieht schon sein Handy aus der Tasche. Ich beobachte ihn dabei, wie er es sich ans Ohr hält. Typisch Luca. Erstmal an das Wohl der Mitmenschen denken und danach an sich selbst.
Nachdem er India auf den neusten Stand gebracht hat, lässt er sich auf das Sofa fallen. „Und?", frage ich ihn neugierig. „Ja, sie fährt mit dem nächsten Zug zurück nach Berlin. Sie drückt uns ganz fest die Daumen und wir sollen ihr morgen vor der Show nochmal anrufen."
Ich nicke eifrig. Natürlich ist es doof, dass India heute und morgen nicht mehr dabei sein kann, aber ich bin optimistisch, dass wir das auch ohne sie schaffen werden.
Vorsichtig lege ich meine Hand auf Lucas Oberschenkel. „Hey, du solltest vielleicht auch bei deiner Familie anrufen und ihnen Bescheid geben. Ich lass dich dann solange alleine. Wir sehen uns gleich zur Probe okay?" In Gedanken versunken nickt Luca und tippt schon auf seinem Handy herum. „Ja du hast wohl Recht. Bis später. Ich hol dich ab."

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Dangerous Storm
Fanfikce«Mein Herz schlägt einen Purzelbaum, alles in mir fängt heftig an zu kribbeln und ich weiß irgendwie gar nicht mehr genau, wo oben und unten ist. Und dann haucht er mir plötzlich einen letzten Satz in mein Ohr, der mich zum glücklichsten Menschen di...