Kapitel 16

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04.03.2020

Christina

Heute ist unser letzter Trainingstag für diese Woche und am späten Nachmittag werden wir uns schon wieder auf den Weg zurück nach Köln machen. Wir machen gerade Mittagspause, sitzen auf der Dachterrasse des Tanzstudios und genießen die Sonne. Luca neben mir beißt genüsslich von seinem Brötchen ab, ehe sein Blick auf mich fällt. „Was ist? Schon wieder kein Hunger?" Ich schüttle den Kopf. Ich weiß, trotz dass er eine Sonnenbrille trägt, dass er gerade die Augen zusammenkneift und mich kritisch anschaut. „Ich weiß doch auch nicht...", seufze ich leise auf. „Irgendwie bin ich aufgeregt wegen Freitag und mir schwirrt die ganze Zeit das Gespräch mit Kathrin heute Abend im Kopf herum..."
Seit ich ihr am Samstag das Bild geschickt habe, haben wir nichts mehr voneinander gehört, außer dass wir uns heute Abend treffen wollten, sobald ich wieder in Deutschland bin. Irgendwie bin ich leicht beunruhigt, da ich keinen blassen Schimmer habe was mich erwarten wird. Und auch, dass sie sich die ganze restliche Woche nicht mehr gemeldet hat, ist eigentlich untypisch für Kathrin. Zugegeben, auch ich hätte mich melden können, aber irgendwie war ich zu beschäftigt, als dass ich daran gedacht habe. Diese Woche war für Luca und mich eine absolute Achterbahn der Gefühle, aber seit wir am Montag beide geweint haben, hat sich die Stimmung deutlich gebessert. Und nicht nur das. Auch unser Umgang miteinander wurde noch vertrauter, was mich immer mehr fasziniert. Luca konzentriert sich im Training, hört mir aufmerksam zu und wir haben in den letzten zwei Tagen doch noch ordentliche Fortschritte im Bezug auf den Tanz gemacht. Das einzige Problem, welches uns verfolgt ist, dass Luca immer mich anschaut, anstatt seinen Kopf wegzudrehen, aber ich bin optimistisch, dass wir auch das noch hinbekommen. Vielleicht war es gut, dass er seinen Emotionen einmal freien Lauf lassen konnte, so dass der Druck von ihm abfiel. Was zwischen ihm und Michèle aktuell läuft weiß ich nicht. Das Thema haben wir angefangen totzuschweigen. Aber offensichtlich scheint es ganz gut zu funktionieren, denn Luca strahlt den ganzen Tag.
Außer jetzt. Mit ernster Miene beginnt er mit dem Kopf zu schütteln. „Komm schon Christina. Du musst was essen, sonst fällst du mir heute noch um. Wir fliegen nachher sofort nach dem Training zurück und da solltest du definitiv etwas gegessen haben." Lustlos beginne ich mit meinem Brötchen zu spielen. Ich weiß, dass er Recht hat. Wie immer eigentlich, wenn er mich auffordert etwas zu essen. Aber mein Magen spielt heute irgendwie verrückt. Trotzdem beginne ich langsam abzubeißen. Ich würde hier eh nicht wegkommen, ohne etwas zu essen. Luca beobachtet mich noch kurz, bevor er sich selbst wieder seinem Essen zuwendet und ein Gespräch beginnt.
Davon werde ich so abgelenkt, dass ich nach einer Weile immerhin das halbe Brötchen geschafft habe. Ich lege mich mit dem Rücken auf die Bank, auf welcher wir sitzen und starre in den Himmel. Nicht einmal Andrzej hat sich gemeldet. Irgendwas stimmt hier nicht und so langsam beschleicht mich das komische Gefühl, dass meine Freunde mir etwas verheimlichen.
Offensichtlich habe ich laut geseufzt, denn jetzt schiebt sich ein Kopf in mein Sichtfeld und blickt von oben auf mich herab. „Ich kann dein Gehirn bis zu mir rattern hören. Wenn du so weiter machst explodiert es bald und das wäre wirklich Schade.", versucht Luca mich zum Lachen zu bringen, was ihm natürlich wieder mal gelingt. Ich hebe meine Hand und gebe ihm einen sanften Klaps auf den Hinterkopf. „Spinner.", grinse ich. „Hey, das nimmst du zurück! Sonst esse ich den selbst." Ein Kinderriegel schiebt sich in mein Sichtfeld. Mit Schwung setze ich mich auf und strahle Luca an, der von meinem plötzlichen Elan erschrickt und ein paar Schritte zurück stolpert. Mit meinem besten Hundeblick schaue ich ihn an. „Wow. Kinderriegel also...", beginnt Luca breit zu grinsen und versteckt besagten hinter seinem Rücken. Ich grummle leise vor mich hin, stehe auf und mache ein paar Schritte auf ihn zu. Ich will gerade erneut darum betteln, als ich es mir anders überlege. Ich mache auf dem Absatz kehrt und laufe zurück ins Innere der Tanzschule. „Hast ja Recht. Kinderriegel ist ungesund und außerdem habe ich sowieso keinen Hunger. Wir sollten lieber weiter trainieren." Es dauert keine 3 Sekunden, bis Luca wieder neben mir steht und mir mein Wunschobjekt unter die Nase hält. „Hier, iss!"
Triumphierend grinsend schnappe ich mir den Riegel aus seiner Hand und stecke mir ein Stück in den Mund. Ich wusste, dass er genau so reagieren wird. Niemals würde er mir etwas wegnehmen, was ich freiwillig essen will. So gut kenne ich ihn mittlerweile auch schon, dass er darauf großen Wert legt. Luca scheint kapiert zu haben, dass ich ihn ausgetrickst habe und stemmt empört die Hände in die Hüften. „Na warte Fräulein, das bekommst du noch zurück." Genüsslich kauend zucke ich bloß mit den Schultern und werfe ihn mit dem leeren Papierchen ab. „Auf gehts, wir müssen noch ein zwei Durchgänge machen."

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt