18.03.2020
Christina
Die Trainingstage zogen nur so an uns vorbei und ehe wir uns versahen war schon wieder Mittwoch. Auch den heutigen Trainingstag haben wir schon erfolgreich beendet und verlassen gerade zu dritt das Tanzstudio. „Sollen wir zum Abschluss noch was zusammen essen? Das war ja quasi unser letzter gemeinsamer Tag heute...", wende ich mich an India und Luca. Beide nicken eifrig. „Falls ihr Lust habt, könnt ihr zu mir nach Hause kommen, wir bestellen uns was zu Essen und lassen den Abend dann einfach entspannt ausklingen." „Klingt gut.", bestätigt India und auch Luca scheint damit einverstanden zu sein. „Luca, ich nehme an du willst auch erst noch schnell duschen gehen? Jetzt ist kurz nach 6...wollt ihr dann so auf 7/ halb 8 kommen? Ich schicke euch gleich noch die Adresse."
Luca stand zwar schon einmal vor meiner Haustüre, um mich für die Studioprobe abzuholen, aber ich bezweifle stark, dass er noch weiß wo das war. Meine Vermutung bestätigt sich, als er zu grinsen beginnt und meine Gedanken laut ausspricht. „Ja bitte. Ich habe nämlich keinen blassen Schimmer mehr, wo deine Wohnung ist. Und ja die Uhrzeit ist perfekt."
Wir verabschieden uns noch flüchtig, bevor ich mich von den beiden trenne und mich vorerst alleine auf den Weg nach Hause mache.
Unterwegs lasse ich die vergangenen Tage Revue passieren. Das Vertrauen zwischen Luca und mir ist noch weiter gewachsen, was sich wahrscheinlich auf die riskanten Hebefiguren zurückführen lässt. Aber generell bedeutet dieser Tanz uns beiden sehr viel. Die Geschichte passt perfekt zu Luca und Michèle und auch für mich ist dieses ganze Liebes- und Trennungsthema immer noch sehr präsent. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum wir schon wieder recht turbulente und emotionale Tage hinter uns haben. Zu Allem Überfluss hat India es uns auch wirklich nicht leicht gemacht, was die Choreo betrifft und wir haben mit Vergnügen festgestellt, dass Luca definitiv die größere Heulsuse von uns beiden ist. Ich muss grinsen, als ich daran zurück denke, wie er sich zum ersten Mal auf den Boden hat fallen lassen. Diese Geräusche die dabei seinen Mund verlassen sind einfach zu komisch und als wir das ganze dann noch mit mir auf seinem Rücken versucht haben, ist er gar nicht mehr auf sein Leben klar gekommen. Immer wieder hat er Angst mir weh zu tun, oder mich fallen zu lassen. Trotz dass er es manchmal wirklich etwas übertreibt, bin ich eigentlich auch froh, dass er diese Einstellung hat. Ich weiß, dass er immer alles mögliche dafür tut, mich möglichst sanft auf dem Boden abzusetzen und mit diesem Hintergrundwissen, kann ich mich viel besser auf die Hebefigur konzentrieren. Trotz aller Vorsicht, hat sich jetzt auch bei mir der ein oder andere Muskel bemerkbar gemacht und wir wurden vorhin beide noch von einem Physiotherapeuten behandelt. Ich hasse diese Behandlungen eigentlich, aber das Gefühl danach ist einfach unbeschreiblich und ich freue mich, wenn ich jetzt gleich auch endlich duschen kann.Es ist kurz vor 7, als ich frisch geduscht in einer Leggins und einem schwarzen Pulli mein Badezimmer wieder verlasse. Bleibt also noch genügend Zeit meine Wohnung kurz aufzuräumen. Ich erinnere mich daran, was Andrzej letzte Woche zu mir gesagt hat und greife kurzerhand nach meinem Handy und wähle seine Nummer. Schon nach wenigen Sekunden ertönt seine Stimme am anderen Ende der Leitung. „Bambi! Welch eine Freude von dir zu hören.", begrüßt er mich euphorisch, bevor ich überhaupt zu Wort komme. „Du bist ein Spinner, Andrzej, weißt du das?", lache ich, während ich meine Küche aufräume. „Ja, eventuell hast du mir das schon ein paar mal gesagt.", entgegnet er und ich kann sein Grinsen förmlich sehen. „Du kannst es ihm ruhig noch öfter sagen.", ertönt jetzt eine weitere Stimme aus meinem Lautsprecher. „Oh, hey Vica. Ich glaube das werde ich auch noch öfter tun müssen." „Ihr zwei seid gemein. Aber Bambi jetzt erzähl...was verschafft uns die Ehre?", neckt mich Andrzej weiterhin. „Nichts. Ich habe mich nur gerade daran erinnert, dass mir letzte Woche jemand vorgeworfen hat, dass ich mich zu wenig melde. Und da ich gerade noch ein bisschen Zeit habe, dachte ich mir, dass ich ja mal anfangen könnte das zu verbessern." „Dieser jemand hat absolut Recht.", erklärt er mir völlig Ernst. „Aber Bambi? Wieso hast du nur ein bisschen Zeit? Euer Training ist doch schon zu Ende...Hast du etwa noch was vor heute Abend? Vielleicht mit deinem Tanzpartner?" Natürlich entgeht mir nicht, dass er das Wort 'Tanzpartner' besonders spöttisch betont, aber ich versuche es gekonnt zu ignorieren. „Ja, Luca und India kommen gleich. Wir wollten zum Abschluss gemeinsam was essen." „India? Das ist doch die Choreografin, oder?"
„Richtig. Sie macht auch Lucas Choreos in Musikvideos und auf der Bühne und sie hat mir angeboten zu helfen, wenn ich will. Und bei dem Tanz diese Woche dachte ich, dass es vielleicht gut wäre ein bisschen professionelle Unterstützung zu haben." „Bist du ihm nicht professionell genug, oder was?", ertönt Andrzejs skeptische Stimme. „Es war nicht seine Entscheidung, sondern meine...wir tanzen Contemporary..."
Kurz herrscht Stille. „Oh verstehe...Hat Luca dich heile gelassen, oder muss ich wieder ins Krankenhaus kommen?", höre ich jetzt Besorgnis in seiner Stimme. Andrzej war es, der mich 2017 nach meinem Sturz ins Krankenhaus begleitet hat und den Schock seines Lebens bekommen hat, als ich auf Krücken und mit der Orthese am Fuß wieder aus dem Behandlungszimmer kam. Die Erinnerung daran, ruft eine Gänsehaut auf meinen Armen hervor und ich schüttle mich kurz um die traurigen Gedanken wieder loszuwerden. „Alles gut. Außer ein paar blauen Flecken fehlt es mir an nichts.", finde ich meine Sprache jetzt endlich wieder und beruhige Andrzej. „Dann ist ja gut. Pass bitte auch morgen auf dich auf." „Aber natürlich. Und so wie ich dich kenne wirst du mir jetzt morgen während der Probe nicht mehr von der Seite weichen." „Da hast du absolut Recht. Am liebsten würde ich neben euch her rennen und dich auffangen, wenn du wieder fällst."
Es soll lustig klingen, aber ich weiß, dass er es auch todernst meint. Er hasst es regelrecht, mich leiden zu sehen und versucht mich einfach nur zu beschützen. „Kein Grund zur Sorge. Deinen Platz hat jemand anderes eingenommen...ich vermute stark, dass Luca mich niemals fallen lassen würde. Eher schmeißt er sich noch selber auf den Boden, damit ich weich lande.", fange ich an zu kichern. „Es freut und beruhigt mich ja wirklich sehr, dass er so gut auf dich aufpasst, aber ich bin echt enttäuscht, dass er meinen Platz eingenommen hat.", schmollt Andrzej jetzt. „Man Andrzej, du weißt wie ich das meine.", lache ich jetzt und verdrehe die Augen. Manchmal kann er auch einfach echt anstrengend sein. Das Klingeln meiner Wohnungstüre reißt uns abrupt aus unserem Gespräch. „Oh sie sind da. Tschau Andrzej, wir sehen uns dann morgen." „Bis morgen. Hab dich lieb und viel Spaß heute Abend.", verabschieden wir uns schnell, bevor ich India und Luca die Türe öffne.
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Dangerous Storm
Fanfiction«Mein Herz schlägt einen Purzelbaum, alles in mir fängt heftig an zu kribbeln und ich weiß irgendwie gar nicht mehr genau, wo oben und unten ist. Und dann haucht er mir plötzlich einen letzten Satz in mein Ohr, der mich zum glücklichsten Menschen di...