Kapitel 42

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17.04.2020

Christina

Irgendwie ist Luca heute besonders nervös und ich kann mir nicht erklären wieso. Schon den ganzen Tag hüpft er aufgeregt durch die Gegend und erinnert mich an unsere ersten gemeinsamen Shows, bei denen es noch ähnlich ausgesehen hat. Er bringt keinen vernünftigen Satz zustande ohne sich zu verhaspeln und wenn doch ist sein Inhalt wahnsinnig sinnlos. Irgendwann ist meine Geduld am Ende und ich ziehe ihn ohne ein Wort zu sagen hinter mir her in seine Garderobe. Er schaut mich zwar verwirrt an, sagt aber erstmal nichts und folgt mir brav. Ich schließe die Türe hinter uns und lasse mich auf sein Sofa fallen, während er mitten im Raum stehen bleibt. „Was ist los mit dir?", stelle ich ihm möglichst ruhig die Frage, in der Hoffnung, dass sich meine Ruhe auf ihn überträgt. „Ich bin aufgeregt.", murmelt er zerknirscht und ich lache leise auf. „Ach was, das habe ich tatsächlich auch schon festgestellt. Aber warum? Es hat doch gestern alles wunderbar funktioniert." Mittlerweile hat Luca angefangen im Raum hin und her zu gehen und meine Augen fixieren dabei jeden seiner Schritte. „Wegen dem Stirnkuss.", haucht er plötzlich so leise, dass ich es kaum hören kann. Ich will gerade zu einer Antwort ansetzen, als er weiter spricht. „Ich habe die Reaktionen von den anderen Tänzern im Augenwinkel genau gesehen und mich nicht richtig getraut. Deshalb habe ich meinen Kopf vorhin auch so schnell wieder zurück gezogen. Ich will nicht dass sie falsch von dir denken könnten." Jetzt runzle ich die Stirn. „Aber Luca-..." „Warte, lass mich das bitte erklären. Die ganze Staffel schon wird ständig über uns und eine mögliche Beziehung zwischen uns diskutiert und eigentlich ist mir das auch völlig egal. Ich finde das Ende unserer Choreo wunderschön, aber ich habe Angst, dass viele dir anhängen wollen, dass du das nur für die Anrufer gemacht hast. Mit einem romantischen Stirnkuss nochmal schön provozieren und die Gerüchte weiter anheizen, damit wir sicher weiterkommen. Verstehst du? Und genau das will ich nicht. Du hast dir schon immer so viel Mühe mit den Choreos gegeben und ich liebe wirklich jede Einzelne davon. Und auch zu diesem Tanz und zu dem Lied passt die Endpose perfekt, aber ich bezweifle, dass die Leute diesen Hintergrund erkennen und dich dafür auseinander nehmen. Das macht mich unsicher, weil ich dich davor beschützen will. Und ich habe Angst, dass ich nachher auf der Tanzfläche kurz vor dem Kuss nicht weiß, wie ich reagieren soll und zu unentschlossen wirke." Während seinem Monolog ist Luca irgendwann stehen geblieben und schaut mich jetzt schüchtern an. Ich will irgendetwas sagen, mein Kopf allerdings ist wie leer gefegt. Wie viele Gedanken macht er sich bitte? Mein Mund klappt auf, aber ich schließe ihn wieder, weil jetzt ich diejenige bin, die keinen vernünftigen Satz zustande bringt. Das ist vermutlich das Süßeste was ich jemals gehört habe. Nach ein paar Sekunden stehe ich dann doch auf und gehe auf Luca zu. „Du darfst dir darüber nicht so viele Gedanken machen.", hauche ich leise und greife zaghaft nach seiner Hand. „Genau diese Zweifel sind im Kopf von uns Tänzern ständig vorhanden, weil wir nie wissen, ob die Choreografie gut genug ist. Du glaubst nicht, wie oft ich nachts wachliege und in Gedanken alles durchgehe und dann doch wieder ändere, weil mir ständig wieder etwas neues einfällt, womit ich noch nicht zu 100% zufrieden bin. Das bin ich selten. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man einen Schlussstrich ziehen muss und die Choreo so akzeptieren muss, wie sie eben ist. Entweder der Funke springt über, oder halt nicht. Dieser Stirnkuss hat damals in meinem Kopf perfekt zu den Emotionen des Tanzes gepasst und ich bin mir sicher, dass auch die Zuschauer das erkennen. Und wenn nicht, dann ist das okay für mich. Wirklich. Es muss nicht jedem gefallen was ich mache. Wenn du dich aber dabei unwohl fühlst, dann ändern wir das. Es bringt uns beiden nichts, wenn du das nachher nur mit halbem Herzen machst." Luca hat mich stillschweigend sprechen lassen und schüttelt jetzt aber energisch den Kopf. „Nein, wir ändern das nicht mehr. Dafür ist die Idee viel zu schön." „Und wie kann ich dir dann helfen, damit du dich beruhigst? Nochmal üben?", frage ich ihn skeptisch, während ich seine Hand immer noch in meiner halte. Auch jetzt schüttelt er wieder den Kopf. „Also ich werde ja wohl noch einen romantischen Stirnkuss hinbekommen, ohne ihn vorher nochmal zu üben. Außerdem haben wir den wirklich schon oft genug geprobt.", lacht er jetzt und auch ich steige mit ein. Tatsächlich hat diese, eigentlich simple Schlusspose, uns einen Großteil unserer Nerven geraubt. Irgendwie waren wir nie so richtig zufrieden damit und haben gefühlt 100 verschiedene Positionen ausprobiert. Augen zu oder Augen offen? Wo sind unsere Hände? Auf welchen Punkt und wie lange ungefähr legt er seine Lippen auf meine Stirn? Was passiert währenddessen mit der Jacke?
Ich grinse bei der Erinnerung an den Moment, als wir uns plötzlich beide einig waren, dass wir es genau so machen werden, wie es letztendlich auch heute Abend auf der Tanzfläche passieren wird. „Gott sei Dank wurde das nicht gefilmt.", grinse ich Luca schief an und er nickt eifrig. „Das hätte gerade noch gefehlt. Aber weißt du warum ich auch noch aufgeregt bin?", greift er wieder das eigentliche Thema auf und ich schüttle den Kopf. „Weil es dein Lieblingstanz ist." Erneut schleicht sich ein breites Grinsen auf meine Lippen. „Aha. Und weshalb macht dich das nervös?" „Weil ich das für dich richtig gut machen will."
Jetzt ist es um mich geschehen und ich schlinge fest meine Arme um seinen Hals. „Oh man, Luca. Du bist viel zu süß für diese Welt.", murmle ich leise während er neben meinem Ohr kurz schüchtern auflacht. „Du machst das doch richtig gut. Das habe ich dir aber gestern schon gesagt, dass ich sehr zufrieden mit dir bin und du das heute einfach genau so wieder machen sollst." Luca hält mich immer noch dicht bei sich und streicht mir vorsichtig über den Rücken. „Danke.", murmelt er jetzt leise und ich versuche erneut ein bisschen meiner Ruhe auf ihn zu übertragen. Das funktioniert genau 2 Sekunden lang, weil dann plötzlich die Türe auffliegt und mit einem lauten Geräusch an die Wand dahinter kracht. Erschrocken fahren wir beide auseinander und unsere Köpfe drehen sich synchron in Richtung des lauten Knalls. „Hoppla. Störe ich?", fällt mein Blick sofort auf einen breit grinsenden Andrzej im Türrahmen und ich stöhne laut auf. „Hast du schonmal was von Anklopfen gehört?", erkundige ich mich leicht gereizt und Andrzej schaut mich verwirrt an. „Aber ich klopfe doch sonst auch nie, wenn ich zu dir komme." „Ja richtig. Wenn du zu mir kommst. Das hier ist aber Lucas Umkleide und nicht meine.", seufze ich und Andrzej zuckt mit den Schultern. „So oft wie du hier bist, könnte das auch zur Hälfte deine Garderobe sein. Ähm, ich wollte euch ja auch wirklich nicht bei eurer Kuscheleinheit stören, aber Bambi du wirst dringend in der Maske gebraucht und sollst dann bitte direkt den Ring überprüfen." Mit einem kurzen Blick auf die Uhr stelle ich erschrocken fest, dass es tatsächlich nur noch eine halbe Stunde bis zum Beginn der Show dauert und ich noch nichtmal ansatzweise fertig bin. Schnell laufe ich in Richtung der Türe, wo Andrzej auf mich wartet, aber drehe mich dann doch nochmal schnell zu Luca um. „Nicht wieder nervös werden. Es wird alles gut. Bis gleich.", hebe ich gespielt böse den Zeigefinger und er winkt mir breit grinsend zu. Na immerhin. Meine Methode scheint also funktioniert zu haben.
Dass Andrzej auf dem Weg zurück wissen will, was da gerade in der Umkleide passiert ist, ist wohl keine große Überraschung und ich beschließe, dass es vollkommen reicht wenn er weiß, dass Luca einfach nur sehr nervös ist. Er glaubt mir das zwar nicht zu 100%, aber das ist mir auch herzlich egal. Mein größeres Problem ist gerade mein misslungenes Zeitmanagement und dass ich mich deshalb jetzt wirklich beeilen muss, wenn ich gleich pünktlich in den Ring hüpfen will.

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt