Kapitel 44

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18.05.2020

Christina

Das mit dem „Ich bin einfach nur glücklich." hat sich spätestens am Montag dann auch irgendwie erledigt. Natürlich sind Luca und ich immer noch super happy darüber, dass wir überhaupt die Chance bekommen haben, für das Finale zu trainieren, aber langsam wird uns bewusst, wie hart und anstrengend diese letzte nochmal Woche sein wird. Die Kraftreserven lassen langsam aber sicher nach und der wenige Schlaf zerrt ganz schön unserer Substanz. Und zu allem Überfluss wurde mir nicht nur das bewusst...
Das Finale bedeutet gleichzeitig nämlich auch das Ende von Let's Dance. Und das wiederum bedeutet, dass der definitive Abschied von Luca immer näher rückt. Bis jetzt habe ich versucht diesen Gedanken so gut es geht zu verdrängen, aber mittlerweile sind es nur noch knappe 5 Tage, die Luca in Deutschland verbringen wird und es macht mich verrückt. Bei all unseren Ritualen, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen haben, muss ich daran denken, dass es das Letzte Mal ist, dass wir sie gemeinsam erleben. Der letzte Sonntag, an dem wie immer einfach alles schief läuft und das letzte Mal Essen bestellen bei unserem Lieblingsitaliener.
Tatsächlich bin ich gerade wirklich dabei in meinen Nudeln herumzustochern, während ich diesen Gedanken nachhänge. Luca und ich haben die Mittagspause eingeläutet und direkt danach wird India vorbei kommen, um den Freestyle zu proben. Ich spüre Lucas Blick auf mir, wie er mich kritisch beobachtet. „Hast du keinen Hunger, oder wieso lässt du die Nudeln immer wieder so lieblos zurück in die Box fallen?", erkundigt er sich jetzt halb belustigt, halb besorgt bei mir. Ich seufze erst leise, bevor ich ihm eine Antwort gebe. „Mir ist der Appetit vergangen.", murmle ich unverständlich und Luca zieht die Augenbrauen nach oben, was bei ihm viel zu niedlich aussieht. „Wieso?", bleibt er weiterhin hartnäckig und legt jetzt ebenfalls seine Gabel zur Seite, so dass ich seine volle Aufmerksamkeit habe. Erstaunt blicke ich auf. Luca Hänni unterbricht freiwillig das Essen. Es geschehen wirklich noch Wunder. Ein kurzes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, welches aber sofort wieder verschwindet, als ich in Lucas Augen schaue, die mich weiterhin intensiv beobachten und die ich bald nicht mehr sehen werde. „Ich-... keine Ahnung... Ich bin irgendwie einfach traurig, dass Let's Dance schon wieder vorbei ist. Ich liebe die Zeit hier, weil es sich wie meine zweite Familie anfühlt und dass es am Freitag schon wieder zu Ende sein wird macht mich irgendwie emotionaler, als es sollte.", versuche ich ihm meinen komplizierten Gedankengang zu erklären. „Und ich werde das Training mit dir vermissen.", füge ich noch schnell das hinzu, worüber ich mir ebenfalls den Kopf zerbreche und schaue schüchtern auf den Boden. Zugegeben... Vielleicht würde ich ein bisschen mehr als nur das Training mit ihm vermissen, aber das muss er ja jetzt nicht unbedingt wissen. Es reicht, dass ich deswegen sowieso schon völlig verwirrt bin. Luca aber macht genau das, auf was ich seit geraumer Zeit extrem empfindlich reagiere. Er rückt näher zu mir. In Gedanken flehe ich, dass er seine Hand bitte bei sich lassen soll, aber keine 3 Sekunden später legt er genau diese auf meinem Oberschenkel ab und löst damit ungewollte Hitzewellen in meinem Körper aus. Okay, beruhige dich Christina. Du kennst Berührungen von Tanzpartnern doch zur Genüge, also ganz entspannt bleiben. Tja, nur irgendwie fühlen sich Lucas Berührungen eben nicht so an wie die von 'normalen' Tanzpartnern, was definitiv nicht so sein sollte und ich aber gekonnt immer wieder verdränge. Stattdessen genieße ich es, wie Luca vorsichtig mit dem Daumen über meinen Oberschenkel streicht und mir in die Augen schaut. „Ich werde Let's Dance auch vermissen und ich kann absolut nachvollziehen, dass du traurig darüber bist, dass die Zeit schon wieder zu Ende geht. Sogar ich werde das Training vermissen, obwohl ich auch echt froh bin, wenn ich mich dann ein paar Tage erstmal nicht bewegen muss.", grinst er mich jetzt frech an und seine erscheinenden Grübchen lösen schon wieder etwas in mir aus, was sie definitiv nicht sollten. Ein breites Lächeln legt sich auf meine Lippen, während ich ihm sachte am Arm entlang streiche und Luca dann fort fährt. „Und außerdem hast du ja noch die Profichallenge, die du übrigens unbedingt gewinnen musst, weil ich wüsste nicht, wer noch unglaublicher ist als du und wer es mehr verdient hätte den Pokal zu bekommen."
Wahrscheinlich ist ihm gar nicht richtig bewusst, was er mit diesem Satz in mir auslöst während er mich zuversichtlich anschaut. In meinem Inneren allerdings, tobt ein gewaltiger Gefühlstornado und ich muss mich darauf konzentrieren entspannt weiter zu atmen. Immer wieder bringt er mich mit solchen Dingen völlig aus dem Konzept und schafft es die Mauer einzureißen, die ich feinsäuberlich um meine Gefühle aufgebaut habe, um mich selbst zu schützen. Bis jetzt habe ich diese Berührungen und Worte immer als normal empfunden und es mir wahrscheinlich auch selbst eingeredet, aber mittlerweile muss sogar ich mir eingestehen, dass wir uns vielleicht wirklich nicht mehr normal verhalten. Was ist überhaupt normal? Geht Luca mit jeder Frau so behutsam und rücksichtsvoll um wie mit mir? Ist das für ihn normal? Fragen über Fragen schwirren seit Wochen durch meinen Kopf und langsam ist es soweit, dass ich völlig den Verstand verliere. Außer in seiner Nähe. Während es mir auf der einen Seite unglaubliche Angst einjagt, wie extrem ich auf ihn reagiere, finde ich es auf der anderen Seite unglaublich, dass ich mich gleichzeitig sofort entspanne, wenn er in meiner Nähe ist. Ganz zu schweigen davon was passiert, wenn er mich berührt. So wie jetzt. „Christina? Bist du noch da?", schnippt er energisch mit seiner linken Hand vor meinem Gesicht herum, während die andere immer noch auf meinem Bein liegt. Erschrocken zucke ich zusammen und schaue ihn leicht verstört an. Dann fällt mir wieder ein, was er vorhin eigentlich gesagt hat und warum ich überhaupt in meinen Gedanken versunken bin und reflexartig ziehe ich ihn in meine Arme. „Huch. Wofür ist das denn?", erkundigt Luca sich lachend, während er aber seine Arme um meinen Rücken legt und mich dicht bei sich hält. „Dafür, dass du so süß bist.", flüstere ich leise, wohlwissend, dass er es nicht sonderlich mag, als 'süß' bezeichnet zu werden. Sein leises Grummeln bestätigt meinen Gedanken und ich lache leise auf, während mein Herz lächerlich stolpert. Luca will gerade ansetzen irgendetwas zu erwidern, als plötzlich die Türe zum Trainingsaal aufgestoßen wird und India motiviert den Raum betritt. „Hallöchen!", trällert sie fröhlich und ich höre, wie Luca neben meinem Ohr leise aufstöhnt. „Wieso ist die so gut gelaunt?", murmelt er noch kurz, bevor er sich wieder aus unserer Umarmung löst und ich muss erneut lachen. India ist wirklich eine Sache für sich. „Ihr seid ja schon wieder am Kuscheln. Wie ihr zwei es bis ins Finale geschafft habt, ist mir auch wirklich ein Rätsel.", neckt sie uns jetzt und ich verdrehe die Augen. Ich sagte ja... India ist speziell. „Wir kuscheln nicht, wir trainieren auch.", stellt Luca empört fest, während ich es einfach gleich aufgegeben habe und beginne meine Tanzschuhe wieder anzuziehen. Seit India uns damals in der Contemporary Woche in einer seltsamen Position auf dem Boden gefunden hat, ist sowieso alles zu spät und ich möchte gar nicht wissen, was in ihrem Kopf abgeht. „Jaja... ich zeige euch jetzt gleich wie hier trainiert wird. Ihr seid im Finale verdammt! Also gebt Gas!", schreit sie uns ihre Motivationsrede, oder was auch immer, entgegen, sodass ich sogar leicht zusammenzucke. „Na super.", grinst Luca mich von der Seite an und ich steige mit ein. Das kann ja wieder lustig werden heute.


Ich weiß, das Kapitel ist etwas kürzer als sonst, aber ihr bekommt heute Abend noch eins 😉

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt