Kapitel 31

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27.03.2020

Luca

Natürlich lasse ich Christina trotz dem Versprechen gestern, dass wir den Sturz nicht mehr thematisieren werden, nur ungern aus den Augen. Viel zu groß ist meine Angst, dass sie vielleicht doch einen größeren Schaden genommen hat, als vorerst angenommen. Auch jetzt liegt mein Blick sofort auf ihr und ich beobachte sie lächelnd dabei, wie sie mit Kathrin zusammen den Raum vom Catering betritt. Wir hatten gerade die Generalprobe beendet und uns danach hier zum Essen verabredet. Christina scheint meinen Blick zu bemerken, denn jetzt schaut sie mich direkt an und grinst kurz, bevor sie sich dann dem Buffet widmet. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Ein einfaches Lächeln von ihr, lässt meinen Körper mittlerweile völlig durchdrehen und ich kann absolut nichts dagegen tun. Im Gegenteil. Je stärker ich versuche diese Gefühle und Reaktionen zu unterdrücken, desto heftiger kommen sie beim nächsten Mal zurück.
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch, als sich jemand neben mich plumpsen lässt. „Sieht ganz so aus, als hättest du mal wieder großen Hunger.", kichert Christina, während sie auf meinen Teller deutet und mich mit glänzenden Augen anschaut. Schmollend schiebe ich meine Unterlippe nach vorne. „Hey, lass mich. Ich habe heute nur gefrühstückt.", versuche ich mich zu verteidigen, werfe aber trotzdem einen Blick auf meinen überhäuften Teller. Ok, wahrscheinlich hat sie wiedermal Recht und ich habe es wirklich etwas übertrieben, aber das werde ich jetzt sicher nicht zugeben. Christina zuckt nur mit den Schultern und widmet sich dann strahlend ihrem eigenen Essen. „Mir ist eigentlich egal wie viel du isst, so lange du noch tanzen kannst.", bringt sie kauend über die Lippen und ich grinse sie an. „Na, zum Glück muss ich heute nicht wieder oberkörperfrei tanzen." „Ansichtssache.", zwinkert sie mir zu und in meinem Bauch breitet sich eine ungewollte Wärme aus.

Tatsächlich sorgen unsere Outfits auch später nochmal für Aufsehen und natürlich ist Andrzej wieder mal der Auslöser. Während Christina und ich nebeneinander über den Gang zum Studio laufen, ertönt von hinten plötzlich Andrzejs Stimme. „Meine Güte, da hat Katia aber wieder ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dieses Kopfkino ist zu schön..." Perplex drehen wir uns beide um und schauen ihn fragend an. „Was ist denn bei dir los?", lacht Christina jetzt leise auf. „Bambilein vergiss bitte nicht, dass du mir versprochen hast, dass ich dein Trauzeuge werde. Das kann ich mir wirklich nicht entgehen lassen, wenn ich euch zwei jetzt schon so sehe.", grinst Andrzej nur verschmitzt und ich begreife langsam auf was er hinaus will. Oh oh. Letztes Mal hat Christina auf solche Bemerkungen nicht wirklich gelassen reagiert und ich beobachte sie angespannt aus dem Augenwinkel. Jetzt allerdings belässt sie es bei einem Stöhnen, begleitet von einem Augenverdrehen. „Ja, du wirst mein Trauzeuge, versprochen. Aber sicherlich nicht heute, weil ich habe meines Wissens nicht vor gleich zu heiraten." „Schade eigentlich. Ich glaube das würden viele Menschen sehr interessant finden. Ich könnte da spontan bestimmt auch was organisieren.", provoziert Andrzej sie weiter und weicht ihrer Faust geschickt aus, mit welcher sie auf seinen Oberarm gezielt hat. „Du bist ein Arsch, Andrzej! Halt jetzt endlich die Klappe.", versucht sie ernst zu bleiben, beginnt dann aber doch zu lachen. Auch ich steige mit ein. „Dann müsste ich dir jetzt aber auch einen sehr spontanen Heiratsantrag machen.", grinse ich und mache Anstalten vor ihr auf die Knie zu fallen. Weit komme ich allerdings nicht, denn Andrzej zieht mich ruckartig wieder nach oben. „Untersteh dich. Sonst weiß Bambi das nächste Mal, wenn du vor ihr auf die Knie gehst, nicht ob es wieder ein Spaß ist oder diesmal Ernst. Du machst das gefälligst nur einmal und dann aber richtig.", grinst er breit und zuckt mit den Augenbrauen. Jetzt bin ich derjenige der zum Schlag ausholt und ihn diesmal auch trifft. „Au! Das tat weh!", reibt sich Andrzej seinen Oberarm und schaut mich gespielt böse an. „Zu Recht!", kommentiert Christina neben mir meine Aktion. „Danke. Das war dringend nötig.", wendet sie sich jetzt mir zu und greift nach meiner Hand um mich hinter sich her zu ziehen.

Nach dem Tanz lasse ich mich stöhnend auf unser rotes Sofa fallen. „Christina es tut mir Leid, ich habs verbockt.", jammere ich und schaue sie mit meinem Hundeblick an, in der Hoffnung, dass sie dann nicht ganz so sauer ist. Wir haben schon wieder "nur" 22 Punkte bekommen und es beunruhigt mich mehr, als ich zugeben will. Das Schlimme ist, dass ich natürlich selbst dran Schuld bin. Ich habe Fehler gemacht, die mir vorher im Training noch nie passiert sind. Immerhin hat wenigstens die Hebefigur ohne Probleme funktioniert, was mir letztendlich auch einen großen Stein vom Herzen hat fallen lassen.
„Kein Problem. Slow Fox ist unglaublich schwer und ich bin trotzdem sehr stolz auf dich wie du das gemacht hast. Jetzt mal abwarten, wie die anderen alle so sein werden. Wahrscheinlich werden wir mit diesen Punkten, die im übrigen wirklich nicht schlecht sind, irgendwo im Mittelfeld landen.", ertönt jetzt Christinas ruhige Stimme. „Trotzdem. Ich muss mich jetzt endlich mal verbessern. Das kann ja so nicht weitergehen.", nörgle ich weiterhin herum, was Christina ein Lächeln entlockt. „Jetzt hör auf damit. Aller Anfang ist schwer und du hast sehr viel Potential. Wir verbessern uns jetzt jede Woche, okay? Und wenn ich dafür im Training die Peitsche auspacken muss, dann werde ich das tun.", grinst sie mich schelmisch an. Na super. Das habe ich mir jetzt selbst eingebrockt.

Einige Zeit später fallen wir uns erleichtert in die Arme. Wir haben es geschafft. Trotz dass wir nicht mega schlecht waren, hatten wir zwischenzeitlich echt Angst, dass es vorbei sein könnte. In dieser Show sind schon viele gute Leute ausgeschieden, von denen man es nicht erwartet hat und ich hätte es mir vermutlich nie verziehen, wenn es heute zu Ende gewesen wäre. Glücklicherweise ist dem aber nicht so und sogar Andrzej und Loiza haben es problemlos eine Runde weiter geschafft, was vor allem Christina sehr freut.
Diese hüpft gerade aufgedreht neben mir her in Richtung der Garderoben. „Oh man Luca! Ich freu mich so, dass wir weiter tanzen dürfen." Ich lache leise und beobachte sie zufrieden. Wenn die Trainerin glücklich ist, hat man doch schonmal die halbe Miete. „Ich freu mich auch. Nächste Woche ist dann schon Osterpause oder?", erkundige ich mich jetzt bei dem hüpfenden Etwas neben mir. „Ohja stimmt. Ich freu mich so, wenn ich an Ostern endlich meine zwei kleinen Nichten wieder sehe. Die wachsen so schnell und ich habe immer das Gefühl was zu verpassen, wenn ich so lange von ihnen getrennt bin.", sprudelt es euphorisch aus Christina heraus und ihre Augen beginnen zu glänzen. „Das ist immer so süß wenn sie -..." Plötzlich bricht sie mitten im Satz ab und senkt schuldbewusst ihren Kopf. „Tut mir Leid.", murmelt sie kaum hörbar und ich bleibe verwirrt stehen. „Was hast du denn?", erkundige ich mich vorsichtig. „Ich wollte dir nicht von meiner Familie vorschwärmen, während du deine nicht sehen kannst. Irgendwie habe ich gerade nicht dran gedacht, dass du gar nicht nach Hause kannst über Ostern.", erklärt sie mir leise und spielt schüchtern mit ihren Fingern. Oh. Da habe ich tatsächlich selbst auch noch gar nicht dran gedacht. Kurz werde ich wehmütig, greife dann aber nach Christinas Hand und ziehe sie weiter. „Hey, kein Problem. Ich feiere Ostern dieses Jahr einfach mal alleine, oder telefoniere mit meiner Familie. Da kannst du auch nichts dafür. Außerdem kann ich mir sehr gut vorstellen, dass du dich auf die zwei freust. Und wenn sie nur halb so viel Energie haben wie du, dann kann ich mir ungefähr denken, was bei euch zu Hause als los ist.", versuche ich ihre Stimmung wieder zu heben, was mir glücklicherweise gelingt. „Ohja! Die zwei haben Energie und zwar ordentlich.", beginnt sie wieder zu lächeln. Ich drücke ihre Hand fester, welche ich immer noch in meiner halte und lausche ihren Erzählungen. Dass ich mir dabei Christina im Umgang mit kleinen Kindern vorstelle und mein Herz anfängt schneller zu schlagen, realisiere ich gar nicht. Viel zu sehr bin ich auf ihr breites Grinsen und die strahlenden braunen Augen fixiert.

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt