Kapitel 47

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Luca

Der restliche Nachmittag zieht geradezu an mir vorbei. Während Christina zwischen den Proben die meiste Zeit bei Haare und MakeUp verbringt, vertreibe ich mir meine Zeit, indem ich die Choreos noch einmal durchgehe oder mich mit den anderen Teilnehmern unterhalte. Je näher die Live Show rückt, desto nervöser werde ich und mittlerweile dauert es auch nur noch eine halbe Stunde. Unruhig gehe ich in meiner Garderobe auf und ab. Ich trage bereits die Hose, die ich im Opening tragen werde, während das passende Oberteil dazu noch auf dem Kleiderbügel neben der Tür hängt. Mit Absicht habe ich mit meiner Familie besprochen, dass sie mich kurz vor der Show bitte alleine lassen sollen, damit ich mich konzentrieren kann. Ich weiß nämlich, wie nervös meine Mama ist und auch eine übermotivierte India kann ich jetzt gerade wirklich nicht gebrauchen. Immer wieder bleibe ich stehen und lasse meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Wo bleibt eigentlich Christina? Sie hat mir versprochen vor der Show als Einzige nochmal in meine Garderobe zu kommen und gerade brauche ich sie vermutlich dringender als ich sollte. Mein Puls fährt langsam aber sicher immer weiter nach oben und mir wird richtig übel. Nicht einmal etwas essen konnte ich vorhin und das soll wirklich etwas heißen.
Plötzlich klopft es und Christina öffnet gleich darauf die Türe. Ja endlich. Sofort entspannt sich mein verkrampfter Körper ein bisschen und ich grinse sie gequält an. „Ohje, so schlimm?", erkennt sie sofort den Ernst der Lage und tritt näher auf mich zu. Ich nicke bloß und starre wieder aus dem Fenster. „Mir ist so schlecht.", murmle ich beinahe beschämt, während ich meine Stirn stöhnend gegen die Fensterscheibe lehne und die Augen schließe. Christina neben mir lehnt ihren Körper daraufhin seitlich gegen meinen und ich schlinge meinen Arm um ihren Rücken. Eine Weile lang sagt sie einfach nichts und ihre Nähe beruhigt mich ungemein. Ihren Kopf hat sie auf meiner Schulter abgelegt und ihre Finger fahren plötzlich die Konturen meines Sixpacks nach, während sie immer noch in meinem Arm steht. „Du hast ganz schön viele Muskeln bekommen in den letzten Wochen.", flüstert sie ganz leise und ihre Fingerspitzen auf meiner nackten Haut lösen ein angenehmes Prickeln in mir aus. Mit einem Schlag ist die ganze Aufregung weit in den Hintergrund gerückt und ich konzentriere mich nur noch auf Christinas sanfte Berührungen. „Hey. Ich hatte auch vor Let's Dance schon ein Sixpack.", empöre ich mich lachend und auch Christina steigt mit ein. „Ich weiß, aber definitiv nicht so ausgeprägt wie jetzt.", erklärt sie mir und lässt ihre Hand wieder sinken. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder traurig darüber sein soll, denn ich habe es viel zu sehr genossen, obwohl es mich gleichzeitig noch ein bisschen mehr durcheinander gebracht hat. Seufzend hebt Christina jetzt auch ihren Kopf von meiner Schulter und schaut mich dann aus ihren großen Augen an. „Bereit?" Kurz verliere ich mich in dem dunklen Braun, aber dann nicke ich zaghaft. „Bereit.", antworte ich und trete einen Schritt vom Fenster zurück. „Na dann. Zieh dir deine Jacke über und los geht's.", klatscht Christina in die Hände und verlässt vor mir meine Garderobe.

Tja. Und dann machen mir plötzlich meine Nerven einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Verzweifelt sitze ich in der Quick Change Umkleide auf einem Stuhl und am liebsten würde ich meinen Kopf gegen die Wand knallen. Das kann doch nicht wahr sein. Wieso klappt das heute nicht so, wie ich das gerne hätte? Es hat doch bis jetzt immer funktioniert. Spätestens wenn die Musik angefangen hat, habe ich meine Nervosität immer abgelegt und ausgerechnet heute schaffe ich das nicht. Ich habe die dümmsten Fehler in unsere ersten zwei Tänze eingebaut und ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen. Nicht nur, dass es mich selber stört. Vor allem macht es mich verrückt, dass ich Christina die Chance auf den Pokal genommen habe. Klar, zweimal 27 Punkte sind wahrlich nicht schlecht, aber nunmal auch nicht gut genug. Und mit der extrem guten Leistung der anderen zwei Paare sind meine Chancen auf den Sieg in weite Ferne gerückt. „Ist Luca da?", ertönt jetzt plötzlich Christinas fragende Stimme und keine drei Sekunden später zieht sie den Vorhang zur Seite und mustert mich kritisch. „Was machst du hier?" Ich kaue unbewusst auf meiner Lippe herum und schaue betreten auf den Boden. „Nichts." Christina stößt daraufhin geräuschvoll die Luft aus, lässt den Vorhang hinter sich zufallen und tritt näher auf mich zu. „Und wieso sitzt du hier und machst nichts?", harkt sie genauer nach und bleibt vor mir stehen. „Man Christina, es tut mir Leid.", entfährt es mir jetzt eine Spur zu genervt und sofort zügle ich meine Stimme wieder. Christina kann für die Situation hier am allerwenigsten. „Ich weiß nicht was mit mir los ist und ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich dir mit meiner schlechten Leistung das hier alles versaut habe." „Hör auf.", unterbricht sie mich und ich runzle die Stirn, als sie mir lächelnd ihre Hand entgegen streckt. Zögernd greife ich danach und sie zieht mich in den Stand, sodass ich ihr jetzt direkt gegenüber stehe. „Du warst nicht schlecht. Und schon gar nicht musst du dich dafür entschuldigen. Natürlich ist es ärgerlich, dass ausgerechnet heute unsere Nerven nicht stark genug sind, aber es ist egal. Der Pokal ist egal. Wir haben uns vorgenommen das Finale zu genießen und unser Bestes zu geben und das haben wir. Das hast du. Mir ist völlig egal, ob wir hier heute als Erster, Zweiter oder Dritter rausgehen. Diese Zeit mit dir war unglaublich schön und ich habe es dir zwar vorhin schon gesagt, aber ich bin dir unendlich dankbar für alles was du für mich getan hast. Und jetzt genießen wir bitte die letzten gemeinsamen Momente und unseren letzten Tanz, okay? Hör bitte auf dir solche Vorwürfe zu machen.", schaut sie mir eindringlich in die Augen und ich nehme sie wortlos in den Arm. Wie immer hat sie die perfekten Worte gefunden und ich drücke sie fest gegen meinen Oberkörper. Die letzten gemeinsamen Momente. Wie ein Blitz durchzuckt mich die Erkenntnis, dass ich morgen früh zurück in die Schweiz fliegen werde. Den ganzen Tag über habe ich diese Information erfolgreich verdrängt, aber jetzt überrollt sie mich wie eine Lawine. Mein Griff um Christinas Körper wird automatisch noch fester und diese keucht leise auf. „Du erdrückst mich." Sofort lockere ich meinen Griff wieder und murmle ein schnelles „Sorry.", aber trotzdem lasse ich sie nicht los. Auch dann nicht, als wir wieder zurück ins Studio laufen. Meine Finger habe ich fest mit ihren verschränkt, während sie neben mir herläuft und erst als wir in das Sichtfeld der Kameras kommen löse ich meinen Griff um ihre Hand widerwillig.

Christina

Seit unserem Gespräch in der Umkleide gerade eben lässt Luca mich keine Sekunde mehr aus den Augen. Zu gerne würde ich wissen, was ihm da durch den Kopf gegangen ist, denn irgendwie wirkt er mittlerweile leicht abwesend. Während dem Einspieler zu unserem Freestyle ist es um meine Fassung schon wieder geschehen. Die Grußbotschaften von Lucas Familie und Freunden, gepaart mit dem emotionalen Interview und den eingeblendeten Tanzszenen jagen mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper und ich kann mal wieder nicht anders, als Luca kurz fest an mich zu drücken. Der Moment ist tatsächlich gekommen. Unser letzter gemeinsamer Tanz steht an. In meinem Inneren herrscht jetzt schon ein komplettes Gefühlschaos und ich sehe Luca an, dass es ihm ähnlich geht. Er steht neben mir auf der Treppe und wartet einfach nur darauf, dass er endlich loslegen kann.
Luca Hänni und Christina Luft mit ihrem letzten Tanz. Der Final-Freestyle zu Sing. Let's Dance.
Patricks Stimme beschert mir die nächste Gänsehaut des Abends und gemeinsam mit Luca trete ich hinter die Schiebetore des Diamanten, welche sich hinter uns schließen. Ich greife nach dem schwarzen Umhang und lege ihn Luca vorsichtig über die Schultern. „Los. Zeigs ihnen. Du kannst das.", flüstere ich noch schnell in sein Ohr, bevor ich mich dann ebenfalls auf meine Startposition begebe.
Und er zeigt es ihnen. Aber sowas von. Schon nach seinen ersten Schritten klappt mir sprachlos die Kinnlade herunter und meine Augen kleben auf Luca der geradezu über die Tanzfläche schwebt. Auch mit mir gemeinsam liefert er ein paar Sekunden später perfekt ab und ich kann mit Worten nicht beschreiben, was in meinem Körper passiert, als Luca mich nach der letzten komplizierten Hebefigur auf dem Boden abstellt und die Faust in die Luft streckt. Wir haben es geschafft. Luca neben mir dreht völlig durch und springt wild in der Gegend herum, während ich mit meinen Gefühlen komplett überfordert bin und die Hände vors Gesicht schlage. Schon wieder steigen mir die Tränen in die Augen und ich mache mir diesmal nicht die Mühe sie zurück zu halten. Ich bin einfach nur stolz und dankbar. Stolz darauf, wie Luca sich zurück gekämpft hat, trotz des schwierigen Starts in dieses Finale und dankbar für die unglaubliche Reise, die ich mit Luca hier erleben durfte. Jetzt kommt er auf mich zu und mein Körper kollidiert mit seinem, so ruckartig zieht er mich an sich und presst seinen Körper gegen meinen. Wir atmen beide schwer und ich kann kaum glauben, dass es jetzt wirklich vorbei ist. Luca drückt mir mehrere kleine Küsse auf die Schulter und ich versuche den Moment so gut es geht abzuspeichern.
Auch während des Jury Urteils löse ich mich keinen Zentimeter von Luca. Immer wieder nehme ich ihn in den Arm oder lasse meine Hand sanft in seinem Nacken ruhen. Ich brauche einfach seine Nähe, die mich in solchen Extremsituationen unglaublich beruhigt. Meine Gefühle fahren immer noch Achterbahn und dass wir tatsächlich 30 Punkte bekommen realisiere ich nur am Rande. Ich will eigentlich nur noch hier weg. Weg von den Kameras, die ständig auf uns gerichtet sind, weg von Vici mit ihren endlosen Fragen und weg von Allem. Mit viel Mühe presse ich meine Lippen aufeinander und blinzle angestrengt. Nicht schon wieder weinen. Und dann endlich greift Luca nach meiner Hand und zieht mich aus dem Studio in den Backstage Bereich, wo dann alle Dämme brechen.

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