Kapitel 32

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29.03.2020

Luca

Es ist Sonntag. Eine Stunde vor unserem ersten Training für diese Woche und ich ziehe meinen Koffer mit lauten Geräuschen über den Gehweg hinter mir her. Wahrscheinlich stellt ihr euch jetzt die Frage, warum zur Hölle ich meinen Koffer mit in die Tanzschule nehme. Das ist ganz einfach. Weil ich mich nicht auf dem Weg dorthin befinde, sondern zu Christinas Wohnung. Ok gut, vielleicht ist es doch etwas komplizierter.
Gestern, an meinem freien Tag, habe ich einen Anruf von der Produktion bekommen, dass ich, anders als ursprünglich geplant, erst am Dienstag nach Köln in ein anderes Hotel umziehen kann. Eigentlich sollten ich und ein paar andere von uns, nämlich schon am Samstag Abend von Düsseldorf ins Savoy in Köln umziehen, damit wir nicht jeden Tag diese Strecke zurücklegen müssen und uns somit Zeit sparen. Das war zumindest der Plan. Aus unerklärlichen Gründen wird allerdings mein Hotelzimmer, was diesmal aus einer eingerichteten Wohnung bestehen wird, erst ab Dienstag frei und logischerweise war das Hotelzimmer in Düsseldorf nicht mehr für mich reserviert. Als ich Christina am Nachmittag per WhatsApp von den komplizierten Telefonaten erzählt habe, hat sie mir kurzerhand vorgeschlagen, dass ich heute einfach mit Koffer kommen soll und die Zeit bis Dienstag bei ihr verbringen kann. Gesagt, getan. Und das ist der Grund, warum ich jetzt mit gepacktem Koffer vor ihrer Haustüre stehe und auf die Klingel drücke. „Hallo?", ertönt ihre Stimme aus dem Lautsprecher. „Hey, dein neuer Mitbewohner ist da." Ich höre wie sie anfängt zu lachen. „Kaum gruslig eigentlich. Würde ich deine Stimme nicht erkennen und wüsste ich nicht, dass du es bist, wäre das ein perfekter Anfang für eine Entführung oder so. Komm rein." Der Öffner ertönt und ich drücke mich grinsend mit meinem Körper gegen die Tür.

Oben angekommen lehnt Christina im Türrahmen und begrüßt mich fröhlich. „Sag mal, lässt du jeden in deine Wohnung der vorgibt dein Mitbewohner zu sein?", begrüße ich sie und nehme sie kurz in den Arm. Ich spüre ihren Brustkorb vibrieren, ehe sie sich wieder von mir löst und mir die Türe aufhält. „Nein. Und jetzt hör auf damit, sonst bekomme ich wirklich noch Alpträume.", lacht sie leise und ich schiebe grinsend meinen Koffer an ihr vorbei ins Wohnzimmer. „Du warst zwar schon mal hier und ich habe dir das dort auch schon gesagt, aber jetzt bekommt das irgendwie eine neue Bedeutung: Fühl dich wie zu Hause.", lächelt sie mich schüchtern an, als sie vor mir zum stehen kommt. „Danke, dass ich hier für zwei Tage wohnen darf. Das war mir echt zu kompliziert gestern und dieses ständige hin und her fahren ist anstrengend.", bedanke ich mich. „Kein Ding, wirklich. Aber wie gesagt ich habe leider kein Gästezimmer.", erwidert sie und ich spüre wie sie nervös wird. Ihre Augen huschen schnell hin und her und sie beißt heftig auf ihrer Unterlippe herum. „Lass deine Lippe heile.", flüstere ich leise und sie hört sofort auf damit, ehe sie mich ertappt anschaut. „Das ist absolut kein Problem. Für diese zwei Nächte komme ich gut mit deinem Sofa zurecht.", beruhige ich sie und lasse mich demonstrativ darauf fallen. Zögerlich nickt sie. „Du... du kannst zur Not auch bei mir in meinem Bett schlafen... ich glaube das ist breit genug für uns beide.", flüstert sie jetzt und ihre Wangen nehmen einen deutlich sichtbaren Rotton. Ich lache in mich hinein. Wie süß kann ein Mensch denn eigentlich sein? „Mach dir darüber keine Gedanken. Das können wir uns heute Abend noch überlegen, wo ich schlafen werde.", sage ich und springe danach wieder vom Sofa auf. „Hey, ich habe übrigens eine Überraschung für dich." Sofort hebt sie ihren Kopf und schaut mich interessiert und mit großen Augen an. „Was für eine Überraschung?" Ich kann die Neugier in ihrer Stimme hören und knie mich vor meinen Koffer auf den Boden. „Augen zu." „Och nö, Luca. Ich hasse das.", jammert sie und lässt die Augen offen. Also stehe ich wieder auf und stelle mich dicht vor sie. „Augen zu habe ich gesagt, oder ich muss dich irgendwo einsperren.", hauche ich leise, nur ein paar Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Kurz bleibt sie noch stur und starrt mir in die Augen, dann schließt sie ihre aber doch. Ein paar Sekunden verweile ich noch vor ihr und mein Blick fährt über ihr wunderschönes Gesicht, bevor ich mich dann doch zusammenreiße und mich wieder zu meinem Koffer setze. „Wehe du schummelst.", warne ich sie währenddessen und werfe ihr einen prüfenden Blick zu. „Nein tu ich nicht. Aber beeil dich bitte.", drängelt sie weiter und ich muss leise auflachen. Ich ziehe vorsichtig die kleine Schachtel zwischen meinen Klamotten hervor, die ich dort fein säuberlich verstaut habe. Zwischen all meinen Telefonaten habe ich gestern Mittag einen kleinen Spaziergang durch Düsseldorf gemacht und dabei spontan beschlossen ein Geschenk für Christina zu kaufen. Gestern klang das alles auch noch nach einer super Idee, jetzt wo ich aber mit der eingepackten Schachtel vor ihr stehe, bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Ich atme einmal tief durch. „Kann ich?", ertönt schon wieder Christinas ungeduldig Stimme und ich bejahe ihre Frage diesmal. Sofort öffnet sie die Augen und ihr Blick fällt auf das Geschenk, welches ich ihr entgegen strecke. Verwirrt schaut sie mich an. „Ist das für mich?" Ich lache leise. „Für wen denn sonst? Siehst du noch jemand anderes hier?" Sie schüttelt vorsichtig den Kopf. „Aber Luca, du musst mir doch nichts schenken.", empört sie sich jetzt und stemmt die Hände in die Hüfte. „Doch. Jetzt schau es dir wenigstens an.", versuche ich sie zu überzeugen und drücke ihr das Geschenk in die Hand. „Ich habe es sogar selbst eingepackt.", gebe ich stolz von mir und sie schaut mich gerührt an. Langsam beginnt sie die Schleife zu lösen. „Du bist verrückt.", murmelt sie leise und ich stehe aufgeregt vor ihr. Was mache ich eigentlich, wenn es ihr nicht gefällt? Gespannt beobachte ich ihre Reaktion, als sie das Papier entfernt und das blaue Schmuckkästchen mit dem Designerlogo zum Vorschein kommt. Ihr Mund steht offen und sie schaut mich mit großen Augen an. „Du warst in einem Schmuckladen?" Ich nicke eifrig, während ich ihr das zusammen geknüllte Geschenkpapier abnehme. „Aber Luca das... ich kann das nicht annehmen!", schüttelt sie eifrig den Kopf. „Doch das kannst du. Mach's auf." Ganz vorsichtig nimmt sie den Deckel in die Hand und öffnet die Schachtel. Unbewusst halte ich die Luft an und beobachte sie. Als ihr Blick auf die goldene Kette mit dem runden Anhänger im Inneren fällt, holt sie tief Luft und schaut mich erneut mit großen Augen an. „Luca, das-..." Diesmal unterbreche ich sie, bevor sie überhaupt weiter sprechen kann. „Hör mir bitte zu. Sieh es einfach als nachträgliches Geburtstags- und frühzeitiges Ostergeschenk. Und als Dankeschön dafür, was du alles bisher für mich getan hast. Die Sache mit Michèle, wo du immer an meiner Seite warst und dass du mich einfach hier wohnen lässt ist nicht selbstverständlich. Außerdem ist es noch eine Entschuldigung wegen letzter Woche. Ja ich weiß, es ist nicht meine Schuld gewesen, aber es tut mir trotzdem noch Leid. Achso... und zusätzlich verspreche ich dir hiermit, dass wir nie wieder 22 Punkte bekommen werden. Ich streng mich jetzt wirklich an und die Kette wird hoffentlich unser neuer Glücksbringer." Als ich meinen Monolog beendet habe, traue ich mich sie wieder anzuschauen. In ihren Augen glitzern kleine Tränen und sie schaut mich sprachlos an. „Das ist so süß von dir. Die Kette ist wunderschön.", flüstert sie leise und wirft sich dann in meine Arme. Sanft umfasse ich ihren Körper und schließe die Augen. Sofort fällt alle Anspannung von mir ab und ich atme ihren vertrauten Geruch ein.
Als Christina sich nach einer Weile von mir löst, wischt sie sich die Tränen von der Wange. „Oh man, ich weiß irgendwie nicht was ich sagen soll.", murmelt sie leise und lächelt mich an. „Du musst nichts sagen.", lächle ich zurück und greife nach der Schachtel. „Willst du sie anziehen?" Ihr eifriges Nicken ist Antwort genug und ich ziehe die Kette heraus. Sie dreht mir den Rücken zu und hält ihre Haare hoch. Vorsichtig lege ich ihr die Kette um den Hals und schließe den Verschluss. „Steht dir.", grinse ich, als sie sich wieder zu mir umdreht. „Danke schön. Das hättest du echt nicht tun müssen.", haucht sie leise und drückt sich erneut an mich. Ich streiche ihr sanft über den Rücken. „Dafür nicht. Und wehe du machst dir jetzt Gedanken über mein Ostergeschenk.", warne ich sie und schiebe sie an den Schultern ein Stück zurück, um ihr wieder in die Augen zu schauen. Ertappt grinst sie mich an und ich lache auf. „Das war so klar. Du musst mir wirklich nichts schenken. Bring mir einfach weiterhin das Tanzen bei. Das reicht mir vollkommen." „Das werde ich sowieso tun. Und wenn wir am Freitag wirklich keine 22 Punkte mehr haben wollen, müssen wir uns jetzt dringend auf den Weg in die Tanzschule machen.", grinst sie weiter und ich stimme ihr nickend zu.

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