Kapitel 46

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22.05.2020

Christina

Heute ist es soweit. Der Tag, auf den wir so lange hingearbeitet haben ist gekommen. Das große Finale.
Den ganzen gestrigen Tag haben wir mit Proben verbracht, damit heute alles so verläuft, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Stimmung Backstage war ausgelassen und es haben sich alle gefreut sich wiederzusehen, obwohl ich vor allem bei Luca die Anspannung und den Druck bemerkt habe, unter welchem er steht. Er baut kleine Flüchtigkeitsfehler in den Tanz ein, die er vorher noch nie gemacht hat und ich hoffe einfach, dass er diese Nervosität, wie sonst auch immer, während der Show ablegen kann.
Jetzt steht aber erst einmal das große Wiedersehen mit Lucas Familie an und ich freue mich fast schon mehr darauf, als Luca selbst. Der weiß nämlich noch gar nicht, dass seine Mama, Cyril und Yvonne in seiner Garderobe bereits auf ihn warten und denkt, dass sie erst heute Abend ins Studio kommen werden. Aktuell schlendert er neben mir den Gang entlang und erzählt mir irgendwas von seinem gestrigen Abendessen, was anscheinend besonders lecker war. Was auch sonst. Schließlich dreht sich das Leben des Luca Hänni eigentlich ausschließlich um Essen. Als ich vor seiner Garderobentür stehen bleibe, um ihm bewusst den Vortritt zu lassen schaut er mich zwar kurz verwundert an, greift aber dann doch an mir vorbei zur Türklinke und drückt diese herunter. Ruckartig bleibt er plötzlich mitten im Türrahmen stehen und ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus, als ich seinen verblüfften Gesichtsausdruck sehe. „Damit hast du nicht gerechnet, stimmt's?", lache ich leise und schiebe ihn in den Raum hinein, um die Türe hinter uns zu schließen. Schnell wendet er seinen Kopf zu mir und schüttelt ihn ungläubig, bevor auch schon seine Mama auf ihn zu kommt. „Hallo.", haucht sie ganz leise und zieht ihren Sohn dann in eine feste Umarmung. Ich will mich gerade etwas abseits an die Wand stellen, um das Wiedersehen nicht zu stören, aber da kommt auch schon Cyril auf mich zu und zieht mich ebenfalls in eine Umarmung. „Hey Christina. Schön dich wiederzusehen.", begrüßt er mich dabei und ich fange an zu lächeln, während ich die Begrüßung erwidere. Kurz darauf nimmt mich auch Yvonne in den Arm, während Luca immer noch von seiner Mama in Beschlag genommen wird, die sich in diesem Augenblick aber ruckartig von ihm löst und hektisch hin und her schaut. „Christina.", stößt sie dann erfreut aus, als ihr Blick auf mich fällt und kommt schnellen Schrittes auf mich zu, während sie Luca einfach perplex stehen lässt. Sofort schlingt sie die Arme um meinen Körper und drückt mich fest an sich. „Ich bin so froh, dass es euch gut geht. Ihr habt das so toll gemacht. Ich bin sehr stolz auf euch beide, nicht nur auf Luca... Auch du hast einen unglaublichen Job gemacht und ich bin dir auf ewig dankbar, wie du dich immer um Luca gekümmert hast und für ihn da warst. Du bist toll.", flüstert sie so leise, dass nur ich es verstehen kann und prompt schießen mir die Tränen in die Augen. „Danke Marianne.", hauche ich leise und versuche angestrengt die Tränen weg zu blinzeln, während ich immer noch in den Armen von Lucas Mama hänge. Plötzlich spüre ich ein Paar starke Arme um meinem Rücken und weiß sofort, dass es Luca ist, der uns beide zusammen in den Arm nimmt. „Mama was machst du schon wieder? Bring mir doch Christina nicht zum weinen.", lacht er leise und streicht dabei beruhigend über meine Schulter. „Ich habe nichts Böses gesagt, nur dass sie einen unglaublichen Job gemacht hat und eine wirklich tolle Person ist.", verteidigt sich Marianne und Luca drückt ihr daraufhin einen schnellen Kuss auf den Kopf. „Schon gut. Ich habe nicht erwartet, dass du etwas Böses zu ihr sagst.", lacht Luca, bevor er den Kopf so neigt, dass er mich anschauen kann. „Und außerdem hast du Recht. Sie ist toll.", fügt er noch leise flüsternd hinzu, bevor er mir ebenfalls einen Kuss auf den Haaransatz haucht und ich drohe fast umzukippen. Marianne lässt diese Szene glücklicherweise unkommentiert und löst sich aus der Umarmung, während Lucas Arm weiterhin um meinen Rücken geschlungen bleibt und mich daran hindert tatsächlich zu Boden zu gehen. Meine Knie zittern und nur mit Not schaffe ich es, einen einigermaßen gefassten Eindruck zu vermitteln. Schon wieder hat er mich mit seinem liebevollen Verhalten völlig aus der Bahn geworfen und ich habe keinen blassen Schimmer wie ich darauf reagieren soll. Wenn das gefühlstechnisch so weitergeht, bin ich spätestens heute Abend völlig fertig mit meinen Nerven.

Und ich sollte Recht behalten. Es kam sogar fast noch schlimmer. Luca interessierte sich heute irgendwie besonders stark dafür, wann ich in die Maske muss und hat mir ausdrücklich befohlen ihm eine halbe Stunde vorher auf jeden Fall Bescheid zu geben, was ich gerade eben getan habe. Und genau deshalb sitze ich jetzt in meiner Garderobe auf dem Sofa und warte auf ihn, weil er angeblich noch kurz was holen muss. Dass Kathrin seltsamerweise nicht hier ist, realisiere ich gar nicht richtig, sondern starre einfach stumm vor mich hin und warte bis Luca wieder auftaucht. Als er die Türe öffnet hält er ein iPad vor seinem Körper und ich runzle die Stirn. Luca hat kein iPad, oder zumindest nicht hier in Köln. „Ich habe eine Überraschung für dich.", erklärt er mir jetzt strahlend und lässt sich neben mich auf das Sofa fallen. Gespannt schaue ich ihn an und warte ab, was er mir als Nächstes zu sagen hat. Stattdessen stellt er das iPad aber einfach vor uns auf den Tisch und schaut mich fragend an. „Bereit?" Ich nicke eifrig und Luca entfernt grinsend die Hülle vom Display. Ruckartig spannt sich mein ganzer Körper an und ich ziehe zischend die Luft ein. Lucas Hand legt sich sofort beruhigend auf meinen Oberschenkel, während ich niemand geringerem als meinen Eltern und meiner Schwester in die Augen schaue, die eifrig in die Kamera winken. Kurz fällt mein Blick auf Luca, der mich beobachtet, bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder meiner Familie auf dem Display widme. „Hallo.", hauche ich leise und wische mir die nächsten Tränen des Tages von der Wange. Das wird ja noch lustig heute. „Hey Schwesterherz.",  beginnt meine Schwester und auch Mama und Papa begrüßen mich glücklich. „Das war Lucas Idee. Er hat mir gestern geschrieben.", erklärt Natalia jetzt die Situation und ich kann nur ungläubig den Kopf schütteln. Da hat der Kerl es ins Finale von Let's Dance geschafft und das einzige was ihm einfällt ist, dass wir unbedingt per Videoanruf mit meiner Familie sprechen müssen, weil sie nicht live hier sein können. Ungläubig schaue ich Luca erneut an und er drückt daraufhin sanft meinen Oberschenkel, auf welchem seine Hand immer noch liegt. Nachdem auch meine Eltern uns alles Glück der Welt für heute Abend gewünscht haben, meldet sich Natalia noch einmal zu Wort. „Ich habe hier noch jemand, der nicht schlafen will und auch unbedingt Hallo sagen möchte." Keine zwei Sekunden später schiebt sich ein kleiner Kopf ins Bild und Emma quiekt erfreut auf, als ihr Blick auf das Display fällt. „Luta!"
Dass ich ihr scheinbar völlig egal bin, bringt mich kurz zum Lachen und Luca schaut mich schuldbewusst an. „Sorry. Ich dachte nicht, dass sie-..." „Alles gut.", beruhige ich ihn sofort und widme mich dann meiner kleinen Nichte. „Hey. Ich bin auch noch da.", empöre ich mich lachend und ernte jetzt doch noch ein freudiges „Tante Tinaaa!" „Wieso schläfst du denn nicht so wie deine Schwester?", wendet Luca sich an Emma und die zuckt lediglich mit den Schultern. „Nicht müde. Luta spielen kommen?" „Nein, Luca muss heute Abend wieder tanzen. Er muss doch den Pokal gewinnen.", mischt sich jetzt Natalia ein und setzt sich Emma auf den Schoß, um das iPad vor einem Sturz zu bewahren, auf welchem die Kleine bis jetzt euphorisch herum gepatscht hat. „Jaaa Luta gewinnen.", klatscht Emma zufrieden in die Hände und mein Herz schmilzt, als Luca daraufhin breit in die Kamera strahlt. „Ich gebe mir die allergrößte Mühe, okay? Und wenn ich gewonnen habe, dann kannst du dir den Glitzerpokal bei deiner Tante bestimmt mal anschauen." Emma nickt daraufhin ehrfürchtig, aber ich habe gerade nur Augen für Luca. „Wieso bei mir? Das ist doch dann dein Pokal.", blicke ich ihn verständnislos an und Luca lächelt bloß. „Nein. Wenn wir gewinnen ist das unser Pokal und den darfst du behalten, weil du es dir einfach verdient hast." Gerührt schlucke ich die erneut aufsteigenden Tränen diesmal herunter und lege meine Hand einfach auf Lucas und streiche mit meinem Daumen kurz zärtlich darüber. Jedes Wort wäre wieder einmal zu viel und außerdem werden wir immer noch intensiv von meiner Schwester und meinen Eltern beobachtet.
Wir quatschten noch ein paar Minuten mit ihnen, bevor wir uns dann verabschieden und Luca vorsichtig das iPad wieder zusammen klappt. „Ich dachte es ist vielleicht ein bisschen unfair, dass meine Familie hier ist und deine nicht. Kathrin hat mir netterweise ihr iPad zur Verfügung gestellt und mir versprochen nicht in die Garderobe zu kommen.", erklärt er schüchtern den Hintergrund zu diesem Telefonat. Erst jetzt erkenne ich die mir bekannte pinke Hülle und ich schaue Luca dankbar an. „Das war lieb von dir. Danke schön.", hauche ich leise, bevor ich mich in seine Arme drücke. Nachdem er mich ebenfalls kurz an sich gedrückt hat, schaut er mich frech an. „Jetzt kannst du in die Maske gehen. Ich wollte nur keinen Ärger von den MakeUp Artisten bekommen, wenn deine Schminke schon vor der Show völlig verlaufen ist, weil ich mir relativ sicher war, dass du wieder weinen wirst." Ebenfalls grinsend gebe ich ihm einen sanften Schlag gegen den Oberarm. „Gut kombiniert Sherlock. Du kennst mich scheinbar mittlerweile sehr gut." Stolz grinsend nickt Luca mir eifrig zu und öffnet währenddessen die Garderobentür. „Nach Ihnen, Frau Luft."

Dangerous StormWo Geschichten leben. Entdecke jetzt