Part 42

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"Gute Nacht. Schlaf gut." flüsterte ich. Meine Augen wanderten zu seinen Augen, die bereits geschlossen waren. Auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln und seine rechte Hand lag unter seinem Gesicht. Ich beugte mich über Zayn und gab ihn einen sanften Kuss auf die Wange, ehe ich ihn mit einer Decke zudeckte und mein Schlafzimmer verließ. Meine rechte Hand schlug ich auf den Lichtschalter und schon wurde es dunkel. Anschließend schloss ich die Tür leise und rannte zurück in das Wohnzimmer, wo ich es mir auf der Couch bequem machte. Von der Küche aus hörte ich meine Eltern. Sie diskutierten über etwas, was ich leider nicht verstand. Im Inneren hoffte ich, dass es nicht wegen Zayn war, doch ich wusste, dass es das tat. Ich möchte nicht dass meine Eltern sich streiten. Wegen Zayn, und wegen mir.

Als die Stimmen immer lauter wurden und näher kamen, richtete ich mich wieder auf und schaute zu der Wohnzimmertür. Mein Vater hielt seine Hand zu meiner Mutter und schlug wütend gegen den Türrahmen. Meine Mutter wollte sofort etwas erwidern und öffnete ihren Mund, doch da fixierten ihre Augen meinen Körper und sofort deutete sie auf mich. Mein Vater drehte sich um und schaute mich geschockt an. Ich schluckte hörbar und presste meine Lippen aufeinander.

"Ich lasse Zayn in meinem Schlafzimmer schlafen. Das ist doch in Ordnung oder? Wir können ihn wohl kaum gehen lassen." flüsterte ich. Meine linke Hand, die auf dem weichen Stoff der Couch ruhte, fuhr meinem Körper hinauf und lag am Ende auf meinem Hals. Ich hustete kurz und lehnte mich zurück.

"Natürlich ist es in Ordnung." versicherte die hohe Stimme meiner Mutter. Sie schaute unsicher zu meinem Vater und gab ihn einem Ruck in die Seite. Daraufhin schaute er sie genervt an und schüttelte seinen Kopf.

"Entweder sagst du es ihr oder ich werde es tun, und das noch heute!" sagte mein Vater etwas lauter. Bei seinem lauten Ton, zuckte ich für einen Moment zusammen und zog mir die Decke bis zu dem Mund. Mein Vater war wütend. Sehr wütend.

"Alexander!" zischte daraufhin meine Mom. Sie funkelte ihn böse an und schüttelte nur ihren Kopf. "Lass uns das morgen besprechen." fügte sie hinzu. Ihre Stimmlage wurde etwas ruhiger und leiser, aber mein Vater willigte nicht ein. Erneut erhöhten sich ihre Stimmen und die Diskussion fing erneut an. Es fielen vereinzelte Wörter wie, "Zayn...Sie liebt ihn doch...Tu es für deine Tochter...Das wird unmöglich gut gehen...Wie sollen wir das anstellen.....Sie sie dir an..Sie muss es erfahren"

"Stopp!" schrie ich aufgebraust. Plötzlich lagen vier Augen auf mir und schauten mich geschockt an. "Bitte hört auf euch wegen mir zu streiten. Ich weiß es ist schwer für euch zu verstehen, wie ich mich in ihn verliebt habe. aber-" fing ich an, aber mein Vater unterbrach mich.

"Es geht doch gar nicht darum, dass du dich in ihn verliebt hast, Perrie. Im Gegenteil. Wir finden es sehr schön dass du jemanden gefunden hast, auch wenn wir uns ihn anders vorgestellt haben. Er macht auf uns einen netten Eindruck, doch-"

"Bitte sag es ihr nicht, Alex." kam meine Mutter dazwischen.

"Irgendwann wird sie es erfahren! Je länger wir warten, desto schlimmer wird es! Sie wird uns hassen wenn wir es ihr verheimlichen." Verwirrt zog ich meine Augenbraue in die Höhe. Mein Kopf bewegte mich abwechselnd zu meinem Vater und meiner Mutter. Wovon sprechen sie?

"Kann mir mal einer sagen was hier los ist?" fragte ich vorsichtig, nachdem es für wenige Sekunden still blieb. Meine Eltern schauten sich ausdruckslos in die Augen und zuckten wie Roboter mit der Schulter. Ich kniff meine Augen zusammen.

"Ach natürlich. es ist nichts los. Ihr seid nur die ganze Zeit am diskutieren und verschweigt mir etwas. Ist ja nicht so, dass ich auch zu dieser Familie und ein Recht darauf habe zu erfahren, was hier los ist. Immerhin scheint es mich auch zu betreffen, aber wisst ihr was. Ihr könnt mich-" sofort brach ich meinen Satz ab. Den Tränen inzwischen nahe, schluckte ich schwer und schaute zu Boden. Es herrschte Stille, absolute Stille.

"Wir können und werden nicht nach Bradford fahren. Es ist einfach unmöglich!" sagte mein Vater schließlich. "Deine Großmutter ist-" fügte er schnell hinzu. Er strich behutsam über den Rücken meiner Mutter und warf mir ein gezwungenes Lächeln zu.

"Was ist mit Oma?" fragte ich unsicher. Mit großen Augen schaute ich zwischen meine Eltern hin und her. Nachdem mein Vater meiner Mutter etwas ins Ohr geflüstert hatte, setzten sie sich gegenüber von mir auf die Couch und schauten mich durch dringlich an.

"Sie ist heute Morgen verstorben."

Schließlich herrschte Stille. Die Nachricht von meinem Vater überrumpelte mich. Ich wusste nicht was ich sagen und reagieren sollte. Es schien so, als würde die Hälfte meiner Kindheit in Luft aufgehen. Ich liebte meine Oma, ich liebte sie vom ganzen Herzen. Sie war wie eine zweite Mutter für mich und jetzt soll sie nicht mehr da sein. Das kann doch nicht wahr sein. Ich habe meine halbe Kindheit bei ihr verbracht. Ich sehe sie noch vor mir. Wie sie lacht und mir mitteilt, dass man keine anderen Kinder an den Haaren ziehen soll und wie sie mir immer alte Geschichten erzählt.

Ein leichtes Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Jedes Mal wenn ich bei ihr war erzählte sie mir, wie sie Opa kennengelernt hat. Sie sagte mir, dass sie ihn am Anfang nicht abkonnte, aber dann hat er mit seiner charmanten Art ihr Herz erobert. Dann erzählte sie mir von der wahren Liebe und liebe auf den ersten Blick. Ihr Lächeln ging ihr immer bis zu den Ohren, doch dann musste das passieren, was passieren musste. Opa war vor elf Jahren an Krebs erkrankt. Am Anfang dachte man, er sei harmlos, doch man hatte die Krankheit unterschätzt. Erst zwei Jahre nach der Erkrankung wurde di­a­g­nos­ti­zie­rt, dass der Krebs unterschätzt wurde und sich mittlerweile verbreitet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war es bereits das Todesurteil für meinen Opa. Ein Jahr später verstarb er und seitdem hatte sich meine Oma immer weiterzurückgezogen, aber trotzdem war sie immer für mich da. Obwohl ihre große Liebe von uns gegangen war. Doch dann traf es auch sie wie auf einen Schlag. Sie leidet seit fünf Jahren an Alzheimer und mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Sie wusste nicht einmal wer meine Mutter, ihre Tochter war.

Und jetzt war sie von uns gegangen. Wahrscheinlich war es auch richtig so. 90 Jahre sind ein stolzes Alter. Ich bin stolz darauf ihre Enkelin gewesen zu sein und ich bin stolz darauf, eine so glorreiche und wundervolle Person gekannt zu haben. Ruhe in Frieden, Oma, dachte ich mir und schaute nach oben, gegen die Decke, doch in Gedanken schaute ich zu meiner Oma in den Himmel. Ich werde dich vermissen.

"Warum habt ihr mir das nicht gleich gesagt?" flüsterte ich. Mein Blick schweifte zu meiner Mutter, die inzwischen bei den Tränen angelangt war.

"Wir wollten dich aufgrund deiner momentanen Situation nicht damit belasten. Ich denke du weißt, was wir meinen."

"Trotzdem habe ich ein Recht zu wissen, dass meine Oma verstorben ist!" sagte ich etwas lauter. Doch als meine Mutter laut aufschluchzte, wurde mir klar, wie gemein ich gerade war. Meine Mutter hat ihre Mutter verloren und ich rege mich darüber auf, dass sie mir nichts darüber erzählt haben. Sie wollten nur das Beste für mich. Ich erhob mich und setzte mich neben meine Mutter. Ich legte meine Arme um ihren Körper und lehnte sie gegen mich.

"Es tut mir so leid." flüsterte ich. Ein kleiner Stich verbreitete sich im Bereich meines Herzens und wurde immer größter und stärker. Ich schloss meine Augen und unterdrückte meine Tränen.

"Wir würden dir gerne diesen Gefallen tun, Perrie, aber wir können einfach nicht nach Bradford. Weiß Zayn überhaupt die Adresse seine Eltern? Bradford ist groß. Außerdem  reicht es schon, dass wir uns um die Beerdigung kümmern müssen." sagte mein Vater schließlich.

"Ich kann euch doch verstehen, aber Zayn wird euch nicht verstehen. Er ist das Problem." vergewisserte ich meinem Vater. Ich möchte ihnen nicht noch mehr Schwierigkeiten machen. Mein Vater nickte und schaute mich dankend an.

"Aber ich weiß nicht, wie ich es Zayn beibringen soll. Er hat sich Hoffnungen gemacht, endlich seine Familie wiederzusehen. Immerhin habe ich ihn eingeredet, dass seine Familie ihn liebt, egal was passiert ist." 

"Du liebst ihn sehr, nicht wahr?" meldete sich meine Mutter zu Wort. Sie löste sich von meiner Umarmung und wischte ihre Tränen weg. Ich nickte, lächelte sie schwach an und ließ meine Tränen freien Lauf.

"Ich liebe ihn so sehr, dass es mich krank macht, aber ich kann nicht ohne ihn leben. Ich kann mir kein Leben mehr ohne ihn vorstellen und ich weiß gar nicht mehr, wie es noch vor ein paar Wochen, ohne ihn, war."

AUTISM | ZerrieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt