Part 09

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Ich bemerke, wie sich der Aufzug sich langsam anfängt zu bewegen und stütze mich an die Metallstange vor mir ab. Vor Angst, kniff ich meine Augen zusammen und hoffe, dass ich lebend wieder aus dem quadratischen Raum komme. Mein Herzschlag verlor den Rhythmus und auch meine Hände fingen an, schwitzig zu werden. Bitte, lieber Gott, lass mich hier raus flehte ich schon vor Angst. Doch wird er mich überhaupt hören, bei fast acht Milliarden Menschen? dachte ich und je mehr ich darüber nachdachte, desto mulmiger wurde mir. Ich bete wenig zu Gott, eigentlich auch nur, wenn ich irgendwelche Probleme habe oder in Schwierigkeiten stecke, wie in diesem Moment. Wieso sollte er dann ausgerechnet einem ungläubigen Menschen helfen, der nur bei Problemen betet?

Und genau in diesem Moment, genau bei diesem Gedanke, blieb der Aufzug stehen und die Türen öffnen sich. Gott hat mich gehört schrie ich in Gedanken und spazierte erleichtert aus der Hölle. Meine schwitzigen Hände, wiche ich an meiner Hose ab und mit meinem Handrücken, strich ich über meine Stirn. Aber war es wirklich Gott, der mich gerettet hat oder war es das Schicksal? Diese Fragen schwirren in meinem Kopf herum.

"Ist alles okay mit Ihnen?" holte mich eine Stimme aus den Gedanken. Ich zuckte kurz zusammen.

"Abgesehen davon, dass ich fast vor Panik im Fahrstuhl gestorben bin und schwitze wie ein Schwein, geht es mir gut. Danke der Nachfrage." teilte ich ihr mit. Ich möchte nicht wissen, wie ich gerade aussehe, aber ich kann es mir denken. Feucht! Den Gedanken, dass man bei dieser Aussage auch zweideutig denken kann, ignoriere ich einfach. Die junge Frau warf mir einen verwirrten Blick zu und nickte zögernd. Wahrscheinlich stuft sie mich gerade für verrückt ein. Ohne weiter etwas zu sagen, benutze ich diesmal die Treppen und rannte zurück in das achte Stockwerk. Fakt ist, dass ich niemals mehr in meinem Leben einen Fahrstuhl benutzen werde. Nie wieder!

Außer Atem erreiche ich das achte Stockwerk und beuge mich etwas. Ich war stolz auf mich, dass ich die Treppen in so einer Schnelligkeit, wahrscheinlich sogar schneller als Usain Bolt es jemals schaffen wird, gemeistert habe. Wäre jetzt mein Sportlehrer Williams bei mir, wäre er sicher beeindruckt. Abgesehen davon, dass es unnötig ist, auf einer Kunstschule Sportunterricht zu haben, aber das dient ja nur, um unseren Geist zu befreien.

"Zayn?" rief ich schließlich, nachdem sich mein Atem ein wenig beruhigt hatte, doch er war nirgends im Stockwerk zu sehen. Nach nicht allzu langen überlegen, checkte ich auch meine Haustür ab, doch von dem Autisten war keine Spur. Vielleicht ist er wieder zurück zu seiner Wohnung gegangen dachte ich mir und wollte gerade wieder die Treppen benutzen, bis ich mich an den bösen Schatten erinnerte. Ich muss mich bewaffnen!

Als ich endlich wieder mit einem Knüppel bewaffnet aus Diamonds und meiner Wohnung trat, rannte ich so schnell wie möglich die Treppen drei Stockwerke hinunter. Wegen meines schnellen Tempos, lege ich auch jetzt eine kleine Pause ein, bevor ich mich wieder in den bösen Gang traute. Meinen braunen Knüppel halte ich fest in der Hand und mit meinem Handyblitz, durchforschte ich den Gang, bis ich vor Zayns Haustür stehen blieb, die wieder offen stand. Warum um Himmels Willen, lässt er seine Tür immer offen? Hat Zayn denn keine Angst vor dem Schatten oder einem Einbrecher? dachte ich verzweifelt und husche schnell durch die Haustür.

Ich hörte immer wieder ein paar Schläge, bis ich wieder das Schauspiel vor mir beobachten konnte. Zayn stand wieder vor derselben Steinwand, schlug seinen Kopf dagegen und mit seinen Händen, zerkratzte er die Haut an seinen Arm, der sowieso schon beschädigt ist. Das einzige, was diesmal nicht passiert, waren seine verzweifelten Schreie. Ich ertrage es nicht, wenn sich Menschen selber Schmerz zufügen.

"Hör verdammt nochmal auf damit." schrie ich und rannte wieder auf Zayn zu. Ich wollte ihn von der Wand wegzerren, doch diesmal wehrte sich Zayn und schubste mich weg. Ich stolperte drei Schritte zurück und starrte Zayn entsetzt an. Warum macht er das, warum?  Wieder wollte ich auf Zayn zugehen, doch ich konnte nicht. Meine Beine bewegten sich kein einziges Stück, aber warum? Ich wollte zu den Jungen vor mir und ihn helfen, aber ich kann einfach nicht.  Habe ich Angst? Kann Zayn mich verletzen? Habe ich davor Angst? Zayn würde mich niemals verletzen, das weiß ich? Aber weiß ich das wirklich? Ich kenne ihn nicht. 

Plötzlich kam ein lauter Schrei von Zayn und holte mich somit wieder aus meinen Gedanken.

"Ver-schwinde!" schrie er mich an und schaute hasserfüllt in meine Richtung. Selbst wenn ich Zayn nicht lange kenne, aber so habe ich ihn noch nie gesehen.

"Lass mich dir helf-." Ich versuchte stark zu klingen, doch meine Stimme zerbrach und ich musste meine Tränen unterdrücken. Es wurde still und keiner sagte etwas, bis Zayn schnell auf mich zugerannt kam und mich gegen die Wand hinter mir schubste. Zayns Körper war dicht an meinem gepresst und ich konnte deutlich seinen unregelmäßigen Herzschlag spüren.

"D-u kannst mir n-icht he-lfen!" schrie er mich an und holte mit seiner Faust aus. Nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, schloss ich meine Augen und wartete auf seinen Schlag, doch ich spürte, wie er gegen etwas neben mir schlug.

"Nie-mand k-ann m-ir helf-en." sagte er etwas ruhiger und stützte seine Stirn gegen meine ab. Ich spürte seinen heißen Atem und öffnete meine Augen..



AUTISM | ZerrieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt