„Darf ich fragen, wo du in Gedanken warst?" fragt Philipp vorsichtig, während wir uns durch das moosgrüne-stahlgraue Meer auf die Rolltreppe zu bewegen.
Ich seufze. „Dass ich öfter wegfahren sollte. Weg von diesen ganzen genervten und gestressten Menschen," antworte ich und gehe vor ihm auf die sich nach oben bewegenden Stufen, damit er am Ende nicht wieder stolpert.„Hm, ich bin auch lieber auf dem Land," überlegt er laut. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, darum gehe ich schweigend weiter und er trottet neben mir her. Das Aschgrau ist wieder überwiegend, dazwischen noch etwas Magenta und auch das Elfenbein schimmert wieder durch. Was hat es damit nur auf sich?
„Trefft ihr euch immer heimlich vorher?" kichert Maddie, als Philipp und ich in die Agentur kommen. Verwirrt runzele ich die Stirn und Philipp neben mir bekommt ein rotes Gesicht, während sein Aschgrau mich förmlich anschreit.
Du liebe Zeit, so schrecklich sehe ich auch nicht aus, dass er sich so schämen muss!„Ja," antworte ich schnippisch und nehme ihr den angebotenen Kaffeebecher ab. „Zusammen mit zwölftausend anderen gestressten und stinkenden Menschen."
Ohne ein weiteres Wort marschiere ich in mein Büro und höre noch wie Maddie zu Philipp sagt: „Ricardo ist heute wieder ein richtiger Sonnenschein, wie es scheint. Kaffee?"Ich sitze an meinem Computer und klicke mich durch die E-Mails, die ich übers Wochenende bekommen habe. Eine hat den Betreff „Keppler-Kampagne" und ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen.
Von: p.drake@magic-ads.com
An: r.cook@magic-ads.com
Betreff: Keppler-KampagneHi Ricardo,
am Mittwoch ist ein erstes Meeting mit Keppler anberaumt und ich hätte dich gern dabei. Termin steht bereits im Kalender. Mach dir schon mal Gedanken über Zeichnungen auf Porträts.
Peter
PS: Cooper war außer sich über den Fuchur und plant bereits eine Anschlusskampagne. Er wollte wissen, was du noch so aus dem Hut zaubern kannst.
Ich verstehe gar nichts. Keppler arbeitet in aller Regel nur mit Fotos in seiner Werbung, selten mal ein Schriftzug, aber keine Zeichnungen. Nun, was soll ich mir dazu groß Gedanken machen?
Ich kann schlecht über etwas nachdenken, das ich noch nicht gesehen habe. Peter scheint noch immer nicht verstanden zu haben, dass ich mich bei meiner Arbeit, zumindest, was die Ideen betrifft, immer vollkommen auf meine Intuition verlasse und mir selten im Vorfeld etwas überlegen kann.
Stattdessen schaue ich mir den Fuchur der Coopers noch einmal an, finde jedoch die Idee, die Unendliche Geschichte fortzusetzen, langweilig. Stattdessen lässt mich der Hut in Peters Anfrage nicht los und ich spiele ein bisschen mit dem Bild in meinem Kopf.
Drei Stunden später ist mein Schreibtisch übersät mit allerlei Skizzen von diversen Hüten und ich bekomme kaum mit, wie es an der Tür klopft.
„Ist offen," rufe ich geistesabwesend und versuche, meine Idee weiter auszuschmücken, indem ich den Hut, an dem ich aktuell zeichne, mit diesen absurden Zahnpflegelutschern verziere.„Ricardo?" fragt Philipp und ich schrecke hoch. Was macht er noch hier?
„Ja?"
„Ich.. ähm.. Mrs. Flemming.. ich meine, Madeleine meinte, ich solle mal eine Pause machen," stammelt er und ich mustere ihn und sein Aschgrau verwirrt.
„Alles klar, viel Spaß," antworte ich und widme mich wieder meiner Zeichnung.„Oh," macht er leise und als ich wieder aufschaue, ist das Elfenbein-Perlweiß zurück. „Ja.. dann.. brauchst du was? Aus dem Bistro?"
Ich schaue auf die Uhr. Kurz nach zwölf und ich habe auch noch nichts gegessen. „Ach, ich komme mit, wenn das okay ist."
„Ich wollte wirklich nicht-" beginnt er und wieder werden seine Wangen rot.„Doch, ich muss mal kurz was anderes sehen, alles gut," unterbreche ich ihn und stehe von meinem Schreibtisch auf.
„Wie immer?" fragt mich Gina wenig später und ich nicke ihr zu.
„Zwei mal," sagt Philipp, als sie ihn fragend ansieht und ich muss unwillkürlich grinsen.
„Auf den Geschmack gekommen?" frage ich, als wir uns wieder an den winzigen Tisch setzen und Philipp wieder einmal nicht zu wissen scheint, wohin er mit seinen langen Beinen soll.„Ja," sagt er und fummelt an einer Serviette herum.
„Hast du es deiner Schwester schon serviert?" will ich wissen. „Sannie, richtig?"
Er nickt und an seinem Grinsen, sowie dem Gelbgrün, das sich in seinem Aschgrau ausbreitet, kann ich erkennen, dass die Erfahrung wohl witzig war.„Und? Brauche ich eine Pinzette?"
Verwirrt zieht er seine Stirn kraus. „Wofür?"
„Um dir aus der Nase zu ziehen, wie es war," erkläre ich. „Oder erzählst du es mir so?"
„Sannie und mein kleiner Bruder Luca waren am Samstag bei mir zu Besuch und da habe ich die Kartoffelpuffer gemacht," erzählt er. „Luca hat es total gefeiert und wollte zweimal Nachschlag."Ich lache und frage: „Wie alt ist Luca?"
„Elf."
„Wow, Nachzügler?"
Philipp nickt und seine Färbung wechselt kurz zu Essigrot. Oh, Sorge?
„Mit elf feiert man jedes Essen mit Ketchup," versuche ich, ihn aufzumuntern und glücklicherweise kommt das Gelbgrün zurück. „Und Sannie?"Jetzt lacht Philipp und ich beobachte, wie seine Augen dabei glitzern.
„Die wurde erst ganz grün im Gesicht und hat sich dann natürlich geweigert," grinst er. „Sie dachte, ich mache nur einen Scherz und dass ich noch was Richtiges hätte."
„Hallo?" empöre ich mich. „Das ist ja wohl eine vollwertige Mahlzeit. Oder, Gina?"Gina stellt genau in diesem Moment die Teller vor uns ab und grinst ebenfalls. „Du bist der Einzige, der Kartoffelpuffer mit Ketchup bestellt, Ricardo. Und jetzt noch dieser Mann."
Philipp wird wieder rot und sieht beschämt auf seinen Teller. Aschgrau übertönt das Gelbgrün. Wie kann jemand so schüchtern sein?„Weil du es noch nicht auf die Karte übernommen hast," lache ich ihr zu und sie stimmt mit ein. „Hattest du noch was anderes da?" komme ich zum Thema zurück und Philipp schüttelt den Kopf.
„Luca und ich haben zwanzig Minuten auf sie eingeredet und ich musste ihr einen Shoppingnachmittag als Tausch anbieten, damit sie es probiert."„Okay, und?"
„Sie hat es nicht zugegeben, aber der Teller war danach leer," kichert er und beginnt ebenfalls zu essen.
„Leerer Teller bedeutet, es hat geschmeckt," fasse ich zusammen und mache mich ebenfalls über mein Essen her.

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Farbenspiel | ✓
Teen FictionRicardo Cook hat eine besondere Gabe: er kann recht passabel zeichnen und er kann die Farben anderer Menschen sehen. Doch nicht alle Menschen haben die gleichen Farben und manche sind ein wahrer Regenbogen. ------------ ❝ Verzweifelt suche ich in me...