Die Fahrt zum Bear Mountain State Park dauert etwa eine Stunde und ich genieße es, die vorbeiziehende Landschaft zu beobachten, nachdem wir die Stadt hinter uns gelassen haben.
„Was machst du?" fragt Philipp lachend, denn ich habe meinen Kopf an die Scheibe gelehnt und schaue nach oben in die Baumkronen, als wir eine Allee entlangfahren.„Hast du das noch nie gemacht?" frage ich verträumt. „Einfach nur während der Fahrt in die Bäume schauen. Ich liebe das."
Philipp schaut während der Fahrt nach oben durch die Windschutzscheibe und ich rufe entsetzt seinen Namen. „Vielleicht sollte ich fahren, denn wenn der Fahrer das macht, könnte das ungesund enden," biete ich an.Philipp lacht und nickt und hält kurz darauf an einer Parkbucht. Wir steigen beide aus und treffen uns genau vor der Motorhaube. „Warte kurz," sagt er und hält mich am Arm fest. Fragend sehe ich ihn an und dann küsst er sanft meinen Mund mit seinen weichen Lippen. „Das ist auch besser, wenn man das nicht während der Fahrt macht," flüstert er und geht zum Kofferraum.
„Willst du jetzt im Kofferraum mitfahren?" frage ich verwirrt und er kichert.
„Nein, aber ich brauche die hier," erwidert er und hält seine Kamera hoch, bevor er auf der Beifahrerseite einsteigt. Ich schüttele lachend den Kopf und steige auf der Fahrerseite ein, um weiterzufahren.Kaum dass wir wieder auf der Allee sind, lehnt Philipp seinen Kopf wie ich vorher an die Scheibe und sieht nach oben. Er sieht verträumt aus und lächelt leicht vor sich hin, von glücklichem Leuchtgrün umgeben. Ich habe große Mühe, meine Konzentration auf der Straße zu behalten, wie gern würde ich ihn jetzt malen.
„Und?" frage ich neugierig.
„Es ist so.." überlegt er und kann seinen Blick gar nicht abwenden. „Beruhigend und dennoch interessant."
„Ich finde, es hat auch etwas von Geborgenheit," füge ich hinzu und er nickt zustimmend.
„Du hast recht. Vielleicht erinnert es einen an die Zeit als Baby, als man im Kinderwagen umhergeschoben wurde," mutmaßt er und ich schaue ihn verblüfft an. „Die Perspektive ist auf jeden Fall die gleiche."
„Das stimmt," pflichte ich ihm bei. „So habe ich das noch nie gesehen, aber es ergibt total Sinn. Babies schlafen auch meist nur, wenn der Kinderwagen in Bewegung ist."„Ich glaube, wir sind da etwas ganz Großem auf der Spur," kichert Philipp und hebt seine Kamera, um ein Bild aus seiner Perspektive aufzunehmen.
„Meinst du, die Freimaurer haben etwas damit zu tun?" lache ich und er nickt, während er stirnrunzelnd durch seinen Sucher schaut. „Die und die Illuminati," murmelt er.
„Ist das nicht das Gleiche?" grübele ich.
„Ist das so?"
„Ich habe keine Ahnung, ich bin nicht so firm im Verschwörungstheoriebusiness," gebe ich zu.
Er lacht und schaut mich an. „Den Kurs habe ich nach der zweiten Stunde auch abgebrochen."•••
Einige Zeit später erreichen wir den Parkplatz am Bear Mountain State Park und steigen aus. Philipp holt einen Rucksack und einen Picknickkorb aus dem Kofferraum und ich schaue ihn betreten an. Dass wir etwas essen wollen würden, hätte mir selbst einfallen können. Alles, was ich dabeihabe, ist mein Rucksack mit meinen Zeichenutensilien.
„Was ist los?" fragt er mich verwirrt, sofort sehe ich Essigrot in seiner Färbung.
„Ich Dussel habe nicht daran gedacht, etwas zum Essen mitzunehmen," ärgere ich mich.
„Wie gut, dass ich Sachen für zwei dabeihabe," lacht er und bedeutet mir, ihm auf einen kleinen Wanderpfad zu folgen.
„Aber ich will dir nichts wegessen," wende ich ein und er schüttelt den Kopf.
„Du hast die Kartoffelpuffer bezahlt und deinen Nudelauflauf mit mir geteilt. Das Mindeste, was ich tun kann, ist dich verpflegen, wenn ich dich schon mit in die Wildnis entführe."„Ich wusste es," mache ich theatralisch. „Du bist doch ein Axtmörder. Die Pizza Hawaii hat dich verraten. Und jetzt führst du mich in den tiefen Wald, wo du mich überfällst und mich dann meinem Schicksal überlässt. Oh Welt, so scheide ich dahin.."
Philipp lacht nun aus vollen Halse und strahlendes Gelbgrün umhüllt ihn.
„In den tiefen Wald, ja," gibt er zu und geht weiter vor. „Überfallen? Mal sehen. Deinem Schicksal überlassen? Hmm.."Ich kichere selbst und folge dem farbenfrohen Axtmörder weiterhin ins dunkle Dickicht, bis sich plötzlich die Bäume vor uns lichten und wir an einem stillen See stehen.
„Wow," mache ich ehrfürchtig und schaue über das spiegelglatte Wasser, das die umliegenden Berge perfekt widerspiegelt.
„Mist," macht Philipp neben mir und ich sehe ihn verwirrt an. „Der dunkle Wald ist schon zu Ende. Dann muss ich das mit dem Überfall anders lösen."Ich lache laut auf und neben uns schrecken zwei Vögel in einem Gebüsch hoch. Sie fliehen laut fluchend und suchen sich einen ruhigeren Ort am gegenüberliegenden Ufer. Ich nehme an, dass es Fluchen auf Vogelisch war, auf jeden Fall klangen sie nicht freundlich.
„Sorry," flüstere ich ihnen nach und Philipp neben mir kichert leise.
„Hast du dich gerade bei zwei Vögeln entschuldigt?" fragt er.
„Ja," mache ich ernst. „Das ist ja wohl das Mindeste, wenn man jemanden so erschreckt."
„Sie sind wirklich sehr höflich, Mr. Cook," grinst er und geht an der Uferböschung nach unten.An einem winzigen Steg schwimmt im Wasser ein kleines Kanu und ich runzele verwirrt meine Stirn. „Ist das deins?" frage ich und Philipp verstaut den Picknickkorb und seinen Rucksack in dem Boot.
„Nö," sagt er. „Die kann man hier überall klauen."
Ich schaue an den Bug des Schiffes und sehe den Namen ‚Lannie'. Mit erhobener Augenbraue sehe ich ihn an und er grinst breit, noch immer Gelbgrün und Sonnengelb.„Luca und Sannie haben es mir zum zwanzigsten Geburtstag geschenkt," stellt er klar und nimmt mir meinen Rucksack ab. „Sie meinten, die könnten es nicht länger mit ansehen wie ich jedes Wochenende mein ganzes Geld bei der Bootsvermietung lasse."
„Oh ja," mache ich verständnisvoll. „Diese Bootsvermietungen.. einmal drin, kommt man aus dem Teufelskreis nur schwer wieder heraus."Philipp kichert und hält das Boot still, damit ich mühelos einsteigen kann. Er klettert hinterher und setzt sich mir gegenüber.
„Der Name ist eine Mischung aus Luca und Sannie," sagt er und nimmt die beiden Paddel, nachdem er das Boot vom Steg gelöst hat.
„Deine Geschwister sind toll," stelle ich fest und er nickt.
„Das sind sie wirklich. Und ich hoffe, du lernst sie bald einmal kennen."
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Farbenspiel | ✓
Teen FictionRicardo Cook hat eine besondere Gabe: er kann recht passabel zeichnen und er kann die Farben anderer Menschen sehen. Doch nicht alle Menschen haben die gleichen Farben und manche sind ein wahrer Regenbogen. ------------ ❝ Verzweifelt suche ich in me...