Nachdem ich mich aus meiner Starre befreit habe, laufe ich Philipp hinterher. Allerdings erweist sich das als schwieriger als ich dachte, denn er ist nicht in Maddies Büro und auch sonst nirgends zu finden.
„Ricardo," herrscht Maddie mich an. „Was ist los mit dir?" Sie ist grasgrün mit Essigrot und Moosgrün. Toll, genervt und besorgt.
„Hast du Phil gesehen?" frage ich.
„Ja, du auch. Vorhin. Er ist gegangen."
„Weißt du, wohin?"
„Nein," meckert sie. „Er hatte noch einen Termin, meinte er. Vielleicht wollte er auch einfach nur duschen, nachdem Keppler ihn so widerlich angegraben hat."Ich knurre vor mich hin und balle meine Fäuste bei dem Gedanken daran.
„Ricardo," lacht sie. „Man könnte fast meinen, du wärst eifersüchtig."
Was? Das ist doch..
„Stimmt doch gar nicht," widerspreche ich, merke aber, dass ich rot anlaufe. Maddies Augen werden riesig und ihre Färbung ändert sich in Safrangelb. Oh, oh.„Du bist eifersüchtig, Ricardo," flüstert sie wissend.
„Nein!" zicke ich und verschränke die Arme vor meiner Brust.
„Oh mein Gott, du stehst auf den Fotografen," kichert sie und hält sich die Hand vor den Mund.
„Hör' doch mal auf damit!" motze ich und mache schnell die Tür zu ihrem Büro zu. Nicht, dass noch jemand lauscht.
„Fuck, ich habe recht," stellt sie fest. „Darum hast du meinen Schreibtisch durchwühlt. Du hast seine Nummer gesucht."Ich rolle mit den Augen und lasse mich auf den Sessel in der Ecke ihres Büros fallen. Jetzt, wo sie so einen Lauf hat, bringt Leugnen gar nichts. Selbst, wenn sie dummes Zeug erzählt.
Oder?„Aber was ist mit Dean?" fragt Maddie nun und ich sehe sie stirnrunzelnd an.
Dean? Was soll mit ihm sein?
„Nichts ist mit Dean," sage ich. „Alles wie immer mit Dean."
„Alles wie immer, ja?" hakt sie prüfend nach. „So wie schon die letzten zwei Jahre?"
„Was soll das denn jetzt heißen?"
„Ricardo, sei mir nicht böse," sagt Maddie liebevoll und kniet sich vor mich. „Aber du und Dean seid so liebevoll miteinander wie zwei Nacktschnecken."„Nacktschnecken?"
„Ja," lacht sie und nimmt meine Hand. „Ihr liegt so nebeneinander. Ihr vertragt euch, aber so wirklich spannend ist es auch nicht."
„Nacktschnecken sind schleimig."
Maddie rollt mit den Augen und lacht. „Okay, dann eben zwei alte Kater. Du weißt, was ich meine."
„Nein, Maddie," sage ich. „Weiß ich nicht."„Es ist nicht.. spannend," versucht sie zu erklären. „Dean ist nett und er ist lieb zu dir und er gibt dir Sicherheit, aber-"
„Aber?" unterbreche ich sie energisch. „Ist es nicht genau das, was man sich wünschen sollte? Jemanden, der einem Sicherheit gibt und nett zu einem ist?"Maddie sieht mich ernst an. „Welche Farbe hat Dean für dich?" fragt sie und ich schaue verblüfft zurück. „Grasgrün," sage ich sofort. Sie nickt und lächelt.
„Und welche Farbe hat Phil?"
Ich überlege. „Er hat keine. Also.. keine feste Farbe. Manchmal ist er so elfenbeinfarben oder perlweiß, meistens ist er aschgrau, weil er furchtbar schüchtern ist. Ab und zu magenta, wenn er nervös ist und wenn er lacht, ist er gelbgrün. Cyan, wenn er etwas Freches sagen will und beigerot, wenn ihm etwas leidtut."Maddie lächelt liebevoll und sieht mich einfach nur an.
„Ich steh auf den Fotografen," sage ich entsetzt. „Scheiße." Verzweifelt fahre ich mit meinen Händen über mein Gesicht.
„Ach," grinst sie. „Ich glaube, das ist gar nicht so scheiße. Er scheint nämlich auch auf dich zu stehen."
„Aber Maddie," sage ich energisch. „Ich bin.. ich habe.."
„Ja, ja," winkt sie ab. „Du hast Dean. Und Ricardo, das kommt in den besten Familien vor. Manchmal verliebt man sich eben Hals über Kopf, obwohl man noch jemanden hat."„Verlieben?" frage ich. „Ich kenne ihn doch gar nicht richtig."
Weise streichelt sie über meine Wange. „Das kommt noch," flüstert sie. Ich schüttele resignierend meinen Kopf. „Nein," seufze ich. „Gar nichts kommt. Er will nicht mit mir reden."
„Was hast du wieder gemacht, Ricardo?" will Maddie nun wissen.
„Wieso wieder?" motze ich. „Wieso ich?"
„Wer sonst?"Ich stöhne verzweifelt auf. „Er hat mich nach einem Date gefragt. So indirekt."
„Was?" kreischt Maddie nun fast. „Das ist ja unglaublich! Warte.. was hast du gesagt?"
„Nichts," sage ich leise. „Ich kam nicht dazu, etwas dazu zu sagen und dann.."
„Dann?"
„Dann hat er mich mit Dean gesehen."Maddie schaut mich mitfühlend an. „Oh nein."
„Ich wollte mit ihm reden, doch er weicht mir aus," flüstere ich.
In Maddies Farbe breitet sich ein entschlossenes Nussbraun aus und sie geht zu ihrem Schreibtisch. Kurz wühlt sie in einer der Schubladen und hält mir dann eine kleine Visitenkarte vor die Nase.„Was ist das?"
„Seine Visitenkarte."
„Ich glaube nicht, dass er ans Telefon gehen wird, Maddie," jammere ich. „Außerdem habe ich seine Nummer schon."
„Da steht aber auch seine Adresse drauf."
Mit großen Augen schaue ich sie an. „Du meinst.."
„Ich meine. Und jetzt los."
„Aber was ist mit-"„Ricardo," sagt sie ernst und packt meine Schultern. „Geh' da hin. Rede mit ihm. Schau, was passiert. Über alles andere machst du dir dann Gedanken. Ansonsten grübelst du immer darüber nach, was sonst gewesen wäre."
Ich stehe auf und umarme sie fest. „Jetzt weiß ich, woher deine Tochter ihre Weisheit hat," flüstere ich.„Ja," grinst Maddie. „Ron hat so seine lichten Momente."
Ich kichere und küsse ihre Wange. „Danke, Maddie."
„Jederzeit, Ricardo," erwidert sie liebevoll. „Und ich erwarte Rückmeldung."Damit drückt sie mir die kleine, unscheinbare Karte in die Hand und schiebt mich aus ihrem Büro. Mit klopfendem Herzen starre ich auf das Kärtchen und mir entgeht nicht, dass es elfenbeinfarben ist. Die Schrift ist schwarz und schlicht.
Phil Wooding
Fotografsteht darauf. Auf der Rückseite finde ich seine Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse. Meine Knie sind butterweich, als ich mich auf den Weg zur U-Bahn mache.
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Farbenspiel | ✓
Teen FictionRicardo Cook hat eine besondere Gabe: er kann recht passabel zeichnen und er kann die Farben anderer Menschen sehen. Doch nicht alle Menschen haben die gleichen Farben und manche sind ein wahrer Regenbogen. ------------ ❝ Verzweifelt suche ich in me...