Kapitel 51 ~ Ein neues Jahr

690 29 0
                                    

Völlig aufgelöst klopfte ich an Fred's Zimmertür. Meiner ersten Intention, mich einfach zu betrinken, war ich nicht nachgegangen. Fred öffnete mit müden Augen die Tür, doch als er mein verweintes Gesicht erblickte, nahm er mich ohne ein Wort in den Arm. Es tat so gut, seine Umarmung zu spüren und ich ließ den Tränen einfach freien Lauf. Er zog mich in sein Zimmer, schloss seine Tür und drückte mich fester an sich. Fred strich mir einfach nur über den Rücken und ließ mich weinen.

Nach einer Weile beruhigte ich mich und wir setzten uns aufs Bett. "Wie geht es Melissa?" "Gut. Sie ist bei Tonks und Remus. Die Todesser wissen nichts von ihrer Wohnung." Erleichtert atmete ich aus. Fred strich mir behutsam über den Arm. "Magst du darüber reden?" Einerseits wollte ich es, aber daran zu denken, was Draco und ich uns an den Kopf geworfen hatten, ließ erneut Tränen in meine Augen steigen. Also schüttelte ich bestimmt den Kopf. "Morgen vielleicht."

Draco

Wütend stand ich in dem Trümmerhaufen meines Zimmers. Nachdem Isabella gegangen war, hatte ich mit meinem Zauberstab alles explodieren lassen, was nur ging. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass mir Tränen über die Wangen liefen. Sie hatte ihn geküsst. Obwohl sie mir versichert hatte, dass da nichts lief, hatten sie sich geküsst. Ich wusste, dass ich eigentlich nicht wütend sein durfte, nach dem, was ich ihr mit Pansy angetan hatte. Aber damals waren wir im Streit, dieses Mal nicht. Ich wollte ihr diese ganzen Sachen nicht an den Kopf werfen, vor Wut kam es einfach heraus. So war es auch bei ihr. Dessen war ich mir sicher. Mein Kopf dröhnte, als ich langsam begann, die Sachen in meinem Zimmer reparieren zu lassen. Wir beide mussten darüber schlafen, vielleicht konnten wir dann nochmal darüber reden. Denn ich liebte Isabella, auch wenn sie mich damit verletzt hatte. Ich hoffte nur, dass sie noch das selbe empfand.


Das diesjährige Weihnachten war das trostloseste seit Jahren. Letztes Jahr war schon ziemlich deprimierend, aber dieses toppte alles. Der Dunkle Lord persönlich hatte mit uns gegessen und es lag eine peinliche Stille über dem ganzen Abend. Nun saß ich am Silvesterabend in meinem Zimmer und wünschte mir nichts mehr, als Isabella hier zu haben. Meine Wut hatte sich schon lange gelegt, doch ich konnte mich trotzdem nicht dazu durchringen, ihr zu schreiben. Auch von ihr kam nichts. Unser Stolz stand uns beiden mal wieder im Weg. Doch ich wollte nicht zu lassen, dass wir beide in eines neues, ungewisses Jahr gingen, ohne miteinander geredet zu haben. Also schnappte ich mir meinen Mantel, verabschiedete mich schnell von Mutter und apparierte zum Fuchsbau. Zum Glück war ich damals bei dem Angriff auf der Hochzeit dabei, sodass ich noch wusste, wo er war. Außerdem waren alle Todesser weg, auch der Dunkle Lord war irgendwo unterwegs, sodass ich unbemerkt zu Isabella konnte.

Ich apparierte und landete mitten in einem Sumpf. Angeekelt rümpfte ich die Nase und betrachtete die Gegend. Vor mir, nur etwa einen Kilometer entfernt, lag das schiefe Haus der Weasleys. Das Festzelt war logischerweise verschwunden, also setzte ich meinen Weg in Richtung des Hauses fort. Schon von weitem hörte man die Stimmen der Weasleys. Was war nur aus mir geworden, dass ich nun sogar hier her apparieren musste, nur um mich bei einem Mädchen zu entschuldigen. Aber Isabella war nicht einfach nur ein Mädchen. Sie war mein Mädchen. Und das musste sie wissen.

Irgendwie nervös stand ich vor der Tür und wusste nicht, was ich tun sollte. Einfach klopfen? Was, wenn mir genau dieser Charlie die Tür aufmachen würde? Er würde sofort durch das Haus fliegen, dass schwor ich mir. Bevor ich irgendetwas tun konnte, ging die Tür auf und eine überraschte Ginny stand vor mir. "Malfoy? Was willst du denn hier?" Sie sah nicht sehr begeistert über meinen Besuch aus. "Ist Isabella da?" Hinter ihr tauchte einer der Zwillinge auf. Noch immer konnte ich die beiden nicht unterscheiden. "Für dich nicht." Entgeistert und wütend sah ich ihn an, doch er hielt meinem Blick stand. "Ich dachte, du wolltest keine Blutsverräterin als Freundin." War ja klar, dass sie ihm alles erzählt hatte. Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. "Bitte, nur fünf Minuten." Er wollte gerade etwas erwidern, als hinter ihm eine Stimme direkt an mein Ohr gelang. "Draco?"

Die Erleichterung, ihre Stimme wieder zu hören, hielt nur ein paar Sekunden. Isabella trat vor den Zwilling, ich dachte, es war Fred, und sah mich mit hasserfülltem Blick an. "Isabella. Können wir reden?" Ihr Blick blieb voller Hass. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Egal, was ich ihr je angetan hatte, in ihren Augen war immer noch ein Fünkchen Liebe. Doch nun war das alles verschwunden. "Nein." Ihre Antwort überraschte mich nicht. "Bitte. Lass mich doch erklären." Sie seufzte und ihr Blick wurde etwas weicher. "Es würde nichts ändern. Bei jedem Streit wirst du mir an den Kopf werfen, welch schreckliche Blutsverräterin ich doch bin. Ich habe keine Kraft mehr dazu." Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare. Ich tat dies viel zu oft. "Ich weiß. Aber ich will das doch gar nicht. Ich will dich. Lass uns reden, bitte." Ginny legte Isabella eine Hand auf die Schulter. "Du musst das nicht tun." Isabella nickte, sah mich an und sagte: "Fünf Minuten, Malfoy."

Isabella

Noch immer war ich unfassbar sauer auf Draco, aber ihn so verzweifelt vorm Fuchsbau stehen zu sehen, ließ die Wut etwas abflachen. Irgendwie wirkte er nervös. Er fuhr sich dauernd durch die Haare und seufzte, während wir uns etwas vom Fuchsbau entfernten. Als wir stehen blieben, nahm er meine Hand in seine, doch ich entzog sie ihm. Jede Berührung würde mich weich werden lassen. Bedrückt ließ er seine Hand schlaff an seinen Körper fallen. "Isabella, es tut mir Leid. Ich habe schreckliche Dinge gesagt. Ich wollte das nie." "Ich weiß. Aber du hättest nie so ausflippen dürfen. Es war ein Kuss. Was du mit Pansy getan hast, war viel schlimmer. Und ich habe es dir fast sofort verziehen." "Wir haben uns schon immer schlechte Sachen an den Kopf geworfen, wenn wir wütend waren. Ich liebe dich, Isabella. Daran ändert auch ein Kuss mit diesem Weasley nichts." Ich seufzte. "Dieser Weasley heißt Charlie." Nun sah Draco mich entgeistert an. "Mehr fällt dir nicht ein? Meinst du, es tut ihm weh, wenn ich ihn Weasley nenne." "Nein, aber du solltest aufhören, Menschen zu verurteilen. Du verurteilst Charlie, ohne ihn zu kennen." Er lachte gespielt. "Ich muss ihn nicht kennen. Er füllt meine Freundin ab und küsst sie. Ich verzichte auf das Kennenlernen." Ich schloss tief durchatmend die Augen. Mir war klar, dass er Recht hatte, aber die Wut war noch nicht komplett verzogen. "Wenn du nur her gekommen bist, um uns beiden das weiter vorzuwerfen, solltest du gehen. Die fünf Minuten sind eh um." Mit einem letzten Blick drehte ich mich um und lief zum Fuchsbau. Natürlich folgte er mir. "Isabella. Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich dich liebe. Ich brauche dich." Er ging nun direkt neben mir. "Dann hättest du nicht solche Sachen sagen dürfen."

Wir standen nun nicht mehr weit entfernt vom Fuchsbau und mir war bewusst, dass Fred genau hinter der Tür wartete. "Es tut mir Leid. Nie wollte ich dich so verletzen. Du bist mein einziger Anker in dieser Zeit." Draco sah mich traurig an. Der Schmerz in seinen Augen war nicht zu übersehen. "Du musst deine Wut unter Kontrolle bringen. Danach können wir gerne nochmal reden." Ich wand mich zum Gehen um, doch er hielt mich am Handgelenk fest. "Isabella, bitte." Eine Träne lief über seine Wange. Seit der Gegenüberstellung mit Dumbledore hatte ich ihn nicht mehr weinen sehen. Es zerbrach mir das Herz. "Nur der Gedanke daran, dass du mich liebst und bei mir bist, lässt mich das alles überstehen. Ich will kein Todesser mehr sein. Das wollte ich nie. Bei dir kann ich vergessen, dass ich einer bin. Bitte Isabella, wirf mich nicht weg." Ich ging auf ihn zu und strich ihm sanft die Tränen weg. "Ich werfe dich nicht weg. Ich liebe dich. Aber deine Wut... sie ist manchmal unkontrollierbar. Etwas Abstand wird uns gut tun." Draco schluchzte und ich nahm ihn in den Arm. Die letzten Monate musste er immer mich trösten, nun war es wieder anders herum. "Ich liebe dich, Draco. Halt immer daran fest." Ich gab ihm einen kurzen Kuss, bevor ich zurück in den Fuchsbau ging. Hinter der Tür blieb ich stehen, ließ mich zu Boden sinken und weinte. Endlich konnte ich es raus lassen.

Dass ich das neue Jahr mit Tränen begann, war nicht geplant. Es war das Richtige, Draco erst mal nicht mehr zu sehen, doch es zerbrach mir das Herz wieder und wieder, wenn ich an seine Worte dachte. Ich war sein Anker. Der einzige, der ihn auf der guten Seite hielt. Doch wie sollte ich ein Anker für ihn sein, wenn ich selbst gebrochen war? Erst mal musste ich wieder vollends mit mir ins Reine kommen, bevor ich wieder für ihn da sein konnte. Ich hoffte nur, dass er solange durchhielt.

Fred hielt mich auch noch im Arm, als sich alle umarmten und ein neues Jahr feierten. In diesem Moment hielt ich sie für unglaublich dumm. Ein Krieg stand bevor, eher heute als morgen. Sie alle verließen sich auf Harry, doch was wenn er vorher starb? Was, wenn seine Suche nach Horkruxen erfolglos blieb? Ich wollte kein neues Jahr feiern. Es würde ein Jahr voller neuem Schmerz, Leid und Tod bedeuten. Doch ich ließ sie feiern und schaute mir alles vom Sofa aus an. Fred wich mir noch immer nicht von der Seite, auch wenn die Tränen längst getrocknet waren. "Ich gehe schlafen.", murmelte ich irgendwann. Fred strich mir noch einmal über den Arm und nickte. "Frohes neues Jahr, Kleines." Ich lächelte leicht und verließ die feiernde Meute.

Everything for youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt