Kapitel 35 ~ Enttäuschung

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Isabella

Langsam machte ich mich auf den Weg zum Gryffindor-Turm. Ich war zwar erleichtert, dass es Draco einigermaßen gut ging, doch nun müsste ich mich meinen Freunden stellen, die ich dieses Mal nicht mit einer Ausrede abwimmeln konnte. Meine Aufregung verstärkte sich nur noch, als ich der Fetten Dame mein Passwort sagte und durch das geöffnete Portrait ging. Hermine, Ron und Harry saßen bereits im Gemeinschaftsraum. Ihre Blicke waren alles andere als erfreut.

Hermine und Ron saßen auf dem Sofa, während Harry auf einem Stuhl etwas weiter weg saß. Schweigend ging ich auf sie zu und setzte mich in den Sessel. Hermines Blick war enttäuscht. Harrys und Ron hingegen wütend. "Hast du uns was zu sagen?" Ron sah mich herausfordernd an. Mein Mund war schneller als mein Gehirn. "Für meine Gefühle kann ich nichts." "Willst du uns veräppeln? Malfoy? Ein Todesser?" Harrys Blick wich von wütend zu vorwurfsvoll. "Bist du etwa auf deren Seite?" "Bist du verrückt? Ich stehe nach wie vor auf eurer Seite, daran wird sich auch nie etwas ändern!" "Du hast uns belogen." Hermines Stimme war leise und es klang, als hätte sie geweint. "Ich weiß." Traurig blickte ich zu Boden. Es war nie meine Intention, meine Freunde anzulügen, aber es war besser, um Draco zu schützen. "Ich fasse es einfach nicht." Aufgebracht stand Harry von seinem Stuhl auf und lief hin und her. "Ausgerechnet Malfoy. Ein Verräter. Mit Sicherheit benutzt er dich nur, um Informationen für Voldemort zu beschaffen!" "Das ist doch lächerlich! Draco liebt mich und ich liebe ihn, egal was ihr sagt!"

Hermine starrte mir genau in die Augen. Tränen liefen ihr über die Wangen. "Wie kannst du uns so hintergehen? Du spielst mit dem Feuer! Er wird dich verletzen." "Selbst wenn, es ist mein Problem, nicht eures." Ich wusste, dass ich es so nicht besser machte, aber ich wollte es nicht auf sich beruhen lassen. "Zeig mir deinen Arm." Harry stand nun genau vor mir. "Bitte?" "Du hast mich verstanden." Wütend blitzte ich ihn an und stand auf. "Du spinnst doch!" Ich zog die Ärmel meines Pullovers nach oben. "Vielleicht solltest du nachdenken, wem du was vorwirfst. Ich bin nicht diejenige, die Menschen fast umbringt und das aus purem Hass!" "Ich habe es nicht absichtlich getan. Ich kannte den Spruch nicht." "Das ist keine Entschuldigung! Du hättest ihn gerade deswegen nicht gegen Draco anwenden dürfen. Er hätte sterben können!" Ron schnaubte verächtlich. "Als ob er zögern würde, uns zu töten." "Er ist kein Mörder! Ihr kennt ihn nicht mal richtig. Ihr wisst nicht, was er durchmachen muss!" "Oh, der arme Draco Malfoy. Ein dreckiger Verräter, der uns jahrelang beleidigt hat. Ich bin so enttäuscht von dir, Bella!"

Hermine verließ den Gemeinschaftsraum mit Tränen in den Augen. Meine Kehle schnürte sich schmerzhaft zusammen. Ron sah mich noch einmal missbilligend an, bevor er Hermine hinterher lief. Trotz der Traurigkeit, die ich gerade verspürte, blitzte ich Harry wütend an. "Du wirst dich bei Draco entschuldigen!" "Den Teufel werd ich tun!" Ich konnte es nicht fassen, wie kalt es ihn ließ. "Kannst du damit wirklich leben? Ohne Gewissensbisse? Du hast fast ein Menschenleben auf dem Gewissen!" "Natürlich plagt es mein Gewissen. Aber es ist immer noch Malfoy!" Schnaubend blitzte ich ihn noch einmal an, bevor ich ebenfalls den Gemeinschaftsraum verließ.

Mein Weg führte wie selbstverständlich zum Krankenflügel. Madam Pomfrey meinte zwar, ich sollte erst morgen wieder kommen, aber das war mir in diesem Moment egal. Als ich zur Tür herein kam, sah Madam Pomfrey mich etwas wütend an. "Ms. Gabott, ich sagte, sie sollen morgen wieder kommen." "Es tut mir Leid. Ich muss ihn einfach sehen." Schon von hier aus erblickte ich Dracos blonden Haarschopf. Neben seinem Bett saß Blaise und davor, wie sollte es auch anders sein, Pansy. "Wobei, vergessen Sie es. Ich werde wieder gehen." Mit Tränen in den Augen drehte ich mich um, mit der Hand schon auf der Türklinke, als er meinen Namen rief. "Isabella!" Tief durch atmend spähte ich zurück. Er sah mich lächelnd an und winkte mich zu sich. Mein Herz erwärmte sofort und ohne nachzudenken, lief ich auf die drei zu.

Pansy blitzte mich eifersüchtig an, doch ignorierte sie einfach, begrüßte Blaise und drückte Dracos Hand. "Hallo, meine Schöne." Er küsste meinen Handrücken, was mich zum lächeln brachte. "Ich geh dann." Pansy wartete wohl auf eine Reaktion, doch Dracos Augen glitten nicht mal für einen kurzen Augenblick zu ihr. Sie stampfte mit dem Fuß auf, bevor sie endlich das Zimmer verließ. Blaise grinste uns an. "Sie ist so nervig." Ich nickte nur, nahm mir einen Stuhl und setzte mich neben Dracos Bett. "Was ist los? Du siehst traurig aus." Besorgt musterte er mich und drückte meine Hand. Seufzend erzählte ich ihnen von meinem Streit mit den anderen. "Ach, die beruhigen sich schon wieder. Und wenn nicht, hast du immer noch uns." Blaise Zuspruch brachte mich zum Lächeln. Er hatte Recht. Auch wenn ich gerade meine drei besten Freunde verloren hatte, hatte ich Draco noch an meiner Seite.

Ich saß noch bis es dunkel wurde bei Draco, bis Madam Pomfrey mich irgendwann aus dem Krankenflügel schmiss. Es war schwer, Draco so leiden zu sehen, aber wenigstens ging es ihm von Stunde zu Stunde besser. Madam Pomfrey versicherte ihm, dass er spätestens in zwei Tagen den Krankenflügel wieder verlassen durfte, zwar noch immer mit viel Ruhe, aber immerhin musste er seine Tage nicht im Krankenflügel verbringen. Ich irrte noch eine Weile durch Hogwarts, bevor ich beschloss, zur Großen Halle zu gehen. Schon seit gestern hatte ich nichts mehr gegessen und es wurde Zeit.

Als ich die Halle betrat, lagen schon die Blicke von Harry und Ron auf mir, Hermine war nicht bei ihnen. Die beiden blitzten mich böse an, als ich mich an den Anfang des Tisches setzte. Sie konnten ja wegen vielen Sachen sauer auf mich sein, aber ich war noch immer eine Gryffindor, die sich an ihren Tisch setzen konnte. Trotzdem beklemmte mich das Gefühl der Einsamkeit. Blaise winkte mich zwar zu sich, doch wenn ich nun an den Slytherin Tisch ginge, wäre jede Hoffnung auf Versöhnung verloren. Langsam nahm ich mir etwas Brot, als ich bemerkte, dass sich jemand neben mich setzte. Luna sah mich lächelnd an. "Hallo Bella. Wir haben uns lange nicht gesehen." Nickend lächelte ich zurück. "Das stimmt. Wie geht es dir?" "Gut. Ich suche nur mal wieder meine Schuhe." Sie zuckte mit den Schultern. "Und dir?" Kurz sah ich zu meinen ehemaligen Freunden, bevor ich mich Luna wieder zuwandte. "Einigermaßen okay." Mein Lächeln war gezwungen, doch sie fragte nicht weiter nach. Sie redete von ihrem Vater und ihrer verstorbenen Mutter, doch ich konnte ihr einfach nicht zuhören, was mir unglaublich leid tat. Aber mein Kopf explodierte fast vor Gedanken.

Einige Stunden später lag ich in meinem Bett und beobachtete Hermine, die schon schlief. Wie erwartet redete sie kein Wort mit mir, sondern warf mir nur ab und an böse Blicke zu. Ob sie mir jemals verzeihen könnte? Sie war seit der ersten Klasse meine beste Freundin gewesen, hatte mir immer zur Seite gestanden und ich hatte sie einfach belogen. Mehrfach. Mein Magen krampfte sich zusammen. Schnell rannte ich ins Bad und würgte mein Abendessen hervor. Tränen standen in meinen Augen und ein Schluchzer entwich meiner Kehle. Auf einmal fühlte ich mich hundeelend. Ich wollte nur nach Hause. Oder zu Fred. Oder zu Draco.

Obwohl ich wusste, dass es riskant war, machte ich mich trotzdem auf zum Krankenflügel. Mein Magen drehte sich immer noch und ich hoffte, dass nichts mehr hoch kam. Ich klopfte erst gar nicht an die Tür, sondern öffnete sie einfach und ging sofort auf Dracos Bett zu. Er schlief schon. Seine Haare waren verwuschelt, sein Gesicht so friedlich. Ich setzte mich neben sein Bett und strich über seine Hand. Er zuckte leicht, dann öffnete er seine Augen. "Isabella?" Die Stimme war heiser vom Schlaf und allein durch seine Stimme beruhigte sich mein Magen. "Tut mir Leid, ich wollte dich nicht wecken." "Schon gut." Er rutschte ein Stück zur Seite. "Komm her." Ich legte mich neben ihn und ebbte meinen Kopf auf seine Brust. "Was ist los?" Doch bevor ich ihm antworten konnte, fiel ich vor Erschöpfung in einen traumlosen Schlaf.

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