Kapitel 53 ~ Aussprache?

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Es war Ende März, als der Brief von Draco ankam. Mit klopfendem und schmerzendem Herzen öffnete ich ihn. Er wollte mich sehen. Sein Haus war morgen, am ersten Tag des Aprils, wieder mal leer und er wollte, dass ich zu ihm kam. Sofort zog sich alles in mir zusammen. Fast vier Monate hatten wir uns nicht gesehen, uns nicht mal geschrieben. Trotzdem musste ich bei dem Gedanken, Draco wieder zu sehen, lächeln. Seit dem Treffen mit Hermine war alles komplizierter geworden. Fred hatte sich zwar beruhigt, war jedoch immer noch misstrauisch. Und mit Charlie... tja, was war mit Charlie? Wir benahmen uns wie vorher, trotz meiner Bitte um den Kuss. Meine Hand ging automatisch zu meinen Lippen, als könnte ich den sanften Kuss noch immer spüren. Er war kurz gewesen, aber es hatte ein wohliges Kribbeln in mir ausgelöst. Trotzdem hatte ich das schneller klopfende Herz und das angenehme Ziehen in der Magengegend vermisst. Dies rief nur Draco in mir hervor.

Beim Frühstück am nächsten Tag waren alle bedrückt. Ginny hatte geschrieben, dass Luna und Dean Thomas vermisst wurden. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit. Irgendwie glaubte ich, dass auch sie im Malfoy Manor untergebracht waren. Der Orden unterhielt sich über die Schritte, die sie unternehmen konnten, um die Gefangenen zu befreien. Ich stocherte in meinem Rührei rum und dachte nur daran, dass ich mal wieder am Ort des Geschehens sein würde. Bei Draco Zuhause. "Möchtest du später mit mir Mittag essen?" Charlies Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte ihn erschrocken an. "Tut mir Leid, ich wollte dich nicht erschrecken." Ich lächelte nur und schüttelte den Kopf. "Alles gut, ich war nur in Gedanken." Charlie nickte. "Also? Mittag essen?" Entschuldigend sah ich ihm in die Augen. "Tut mir Leid, ich hab schon was vor." "Oh. Naja, dann ein andermal." Er lächelte enttäuscht und wand sich wieder seinem Frühstück zu.

Frustriert stand ich vorm Spiegel und versuchte, meine Haare zu bändigen. Am liebsten hätte ich sie direkt wieder abgeschnitten. Doch dafür war leider keine Zeit mehr. Also band ich sie nach langem Quälen einfach zu einem Zopf. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel. Endlich sah ich wieder vollends gesund aus. Kein eingefallenes Gesicht mehr, mein Gewicht war wieder normal und meine Augen glänzten wieder etwas mehr als vorher, was aber auch an meiner Freude auf Draco liegen konnte. Die schwarze Jeans lag wieder normal an meinem Körper und die weiße Bluse betonte meine grünen Augen. Schnell tuschte ich noch meine Wimpern und nahm meine Tasche. Ich wollte gerade aus der Tür, als es daran klopfte. "Herein!", sagte ich, da ich fast genau hinter der Tür stand. Charlie kam rein. "Wow. Was hast du denn vor?" Innerlich seufzte ich. Ich hatte kein Bedürfnis ihm davon zu erzählen, dass ich zu Draco gehen würde. Genauso wenig wollte ich Draco von unserem neusten Kuss erzählen. Fieberhaft überlegte ich, doch mir fiel keine Ausrede ein. Also musste wohl oder übel die Wahrheit her halten. "Ich gehe zu Draco." Charlie sah mich verwundert und etwas verletzt an. "Oh, okay. Was bringt dich gerade jetzt dazu?" Ich zuckte mit den Schultern. "Er hat mir einen Brief zukommen lassen. Sein Haus ist leer und er will mich sehen." "Wow, nach vier Monaten. Musst ihm ja ganz schön gefehlt haben." Er schnaubte. Entsetzt sah ich ihn an. "Charlie, ich wollte diesen Abstand, nicht er. Er war nicht mal verpflichtet, mich um ein Treffen zu beten." "Warum wolltest du eigentlich vorher kein Treffen? Wann hättest du mit ihm geredet, wenn er dir nicht geschrieben hätte?" Ja, warum wollte ich das eigentlich nicht? Der Gedanke daran, mich mit all dem auseinander zu setzen, hatte mich beängstigt. Erst seit dem Treffen mit Hermine konnte ich wieder einigermaßen klar denken und es ging mir seitdem endlich wieder gut. "Ich wollte erst sicher gehen, dass es mir emotional gut genug geht. Dass es soweit ist, habe ich erst durch Dracos Brief bemerkt." Seufzend legte mir Charlie eine Hand auf die Schulter. "Bist du dir sicher, dass du das willst?" Bestimmt nickte ich. "Ich muss ihn sehen. Trotz allem was passiert ist, liebe ich ihn." Charlies Augen blitzten verletzt auf und innerlich klatschte ich mir an die Stirn. "Tut mir Leid." Er nickte. "Schon okay. Ich weiß, dass du ihn immer lieben wirst. Was auch immer Malfoy an sich hat, ich habe es nicht." Mit hängenden Schultern verließ er mein Zimmer. Schuldgefühle keimten in mir hoch. Charlie war immer so lieb, so sanft und gutmütig. Kein bisschen arrogant und die Art, wie er über die Drachen erzählte, gefiel mir besonders. Er redete immer mit solch einer Leidenschaft davon, dass ich wie gebannt an seinen Lippen hing, obwohl mich Drachen eigentlich nie interessierten. Aber jedes Mal, wenn ich ein Gefühl von Geborgenheit verspürte und ich dachte, dass ich mich doch verlieben konnte, kam Draco in meine Gedanken. Er war immer da.

Erst eine Stunde später apparierte ich zum Malfoy Manor. Das Haus lag noch dunkler als sonst vor mir und mich überkam ein ungutes Gefühl. Von überall meinte ich, beobachtet zu werden. Ich lief etwas schneller zum Tor und wartete dann darauf, dass Draco kam. Die Blicke, die auf mir zu lasten schienen, ließen mich erschaudern und mir wurde kalt, trotz des angenehm warmen Frühlingswetters. Ich sah mich um, doch nirgends war auch nur ein Augenpaar zu erkennen. Ich hatte wahrscheinlich schon Wahnvorstellungen. Endlich erblickte in den blonden Haarschopf und musste unwillkürlich lächeln. Draco öffnete das Tor und ich ging hindurch. Leicht grinsend, doch trotzdem unsicher, sah er mich an. Eine Weile standen wir uns gegenüber, ohne zu wissen, wie wir miteinander umgehen sollten. Schließlich überbrückte ich den Abstand und umarmte ihn. "Du hast mir gefehlt." Er schmiegte sich an mich und ich sog seinen vertrauten Duft ein. "Du mir auch." Draco löste sich von mir und nahm meine Hand in seine. "Wir sollten rein." Ich nickte und folgte ihm nach drinnen.

Auch das Haus war noch so dunkel, wie ich es in Erinnerung hatte. Misstrauisch blickte ich mich um, doch Draco schien nicht gelogen zu haben. Das Manor war leer. "Hast du Hunger?" Draco blickte leicht lächelnd zu mir hinab. Ich liebte es, dass er größer war als ich. So konnte ich mich an seine Brust schmiegen, wann immer ich wollte. Mein Magen begann zu grummeln und Draco lachte leicht. "Das heißt wohl ja." Ich lachte ebenfalls und lief ihm hinterher in das Speisezimmer. Ein großer Tisch stand in der Mitte des Raumes, darüber ein schwarzer Kronleuchter. Sechs Stühle standen um den Tisch herum, wobei einer eher ein Thron war. Sofort kam mir Lucius Malfoy in den Sinn. Die Wände waren kahl und die Fenster waren hier drin auch nicht deckenhoch. Man hatte allerdings einen schönen Ausblick auf den riesigen Garten. "Setz dich." Draco deutete auf einen Stuhl und ich setzte mich. Er verschwand kurz, wahrscheinlich in die Küche, kam aber kurz darauf wieder. "Das Essen ist gleich fertig." Er ließ sich gegenüber von mir nieder. "Willst du was trinken?" "Gerne." Draco lächelte und lief zum Getränkewagen. "Was möchtest du? Meine Eltern haben hier alles mögliche." Ich gesellte mich zu ihm und betrachtete die Unmengen an alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken. "Ich glaube, ich bleibe bei Wasser." Draco nickte, nahm zwei Gläser und schenkte Wasser darin ein. Er reichte es mir und wir setzten uns wieder. Die Stimmung war komisch, dass schienen wir beide zu merken. Es war ein bedrückendes Gefühl, dass es nicht mehr so war, wie noch vor ein paar Monaten. Aber wie sollte es auch so sein? Draco lebte bei Todessern, ich hingegen hatte meine Zeit mit einem anderen verbracht. Sofort keimten wieder Schuldgefühle in mir auf, doch lange konnte ich nicht darüber nachdenken, denn schon kamen Hauselfen mit dem Essen in den Speisesaal.

Es duftete herrlich. Hungrig schaufelte ich mir einige Kartoffeln auf den Teller, dazu etwas Gemüse und Fisch. "Das schmeckt so gut." Draco lächelte. Wir aßen und schwiegen. Ab und zu huschte mein Blick zu dem Jungen, den ich so sehr liebte, doch sein Blick blieb auf das Essen gerichtet. Er wirkte irgendwie so... schuldbewusst? Was hatte er wohl verbrochen. "Draco?" Seine Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf mich. "Was ist los? Du wirkst so gedankenverloren." Kaum merklich zuckte er zusammen. "Es ist alles in Ordnung. Viel Druck in letzter Zeit." Ich glaubte ihm kein Wort. Gar nichts war in Ordnung, ich sah es ihm einfach an. Seufzend stand ich auf und setzte mich neben ihn. Seine Hand nahm ich in meine. "Sag schon." Draco drückte meine Hand und mit der anderen strich er mir über die Wange. "Du hast mir so sehr gefehlt." Ich lächelte. "Du mir auch." Er blickte mir in die Augen und fast sah ich etwas entschuldigendes darin, doch es war sofort wieder verschwunden. "Darf ich dich küssen?" Mein Lächeln wurde breiter und statt einer Antwort, küsste ich ihn einfach. Er erwiderte den Kuss und drückte mich an sich. Die Gefühle in mir explodierten vor Glück, endlich wieder seine Lippen auf meinen zu spüren.

Wir landeten in Dracos Zimmer im Bett. Es war unglaublich schön, ihn wieder so nah zu spüren. Er hatte mir wirklich sehr gefehlt. Ich schmiegte meinen Kopf an Dracos Brust und er strich mir immer wieder über den Arm. "Ich liebe dich, so sehr." Ich lächelte, als er mir einen Kuss auf die Stirn gab. "Ich liebe dich auch." Es schien alles perfekt, doch dann fielen mir Luna und Dean wieder ein. Ich wollte ihn danach fragen, aber den Moment wollte ich auch nicht zerstören. Doch das tat Draco schon, als er seufzte und sagte: "Isabella, wir müssen reden."

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