Kapitel 62 ~ Trauer

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Trotz das die große Schlacht gewonnen war, kam kaum Freude bei jemandem auf. Die Tage verbrachte ich bei George, abgeschottet von allen. Er wollte die traurigen Gesichter seiner Familie nicht sehen. Es war schon Qual genug für ihn, jeden Tag in den Spiegel zu sehen und dabei Freds Gesicht vor sich zu haben. Er wollte es nicht zu geben, aber ich hörte ihn jedes Mal weinen. Meine Familie war anfangs gegen den Einzug in Georges Wohnung, doch nach einigen Tagen hatten sie eingesehen, dass es besser so war. Noch nie hatte ich mich bei meinen Eltern so fremd gefühlt. Hier fühlte ich mich Fred viel näher, es war fast so, als wäre er noch hier. Jede Nacht in Freds Zimmer zu übernachten war schwerer als gedacht, aber es gab mir auch eine gewisse Nähe zu ihm. Seine Kleidung hing noch im Schrank, das Buch, welches er zuletzt gelesen hatte, lag noch auf seinem Nachttisch. Es war, als wäre er nur im Urlaub und würde bald zurückkehren. Doch jeden Abend, wenn ich im Bett lag und an die Decke starrte, langsam in den Schlaf triftete und die Träume wieder kamen, wurde mir schmerzlich bewusst, dass er nicht im Urlaub war. Die Albträume nahmen kein Ende, sie wurden sogar eher schlimmer. Sie wurden nun auch von Draco heim gesucht. Jede Nacht träumte ich, er käme zurück und würde dann verhaftet, hielt es in Askaban nicht aus und setzte dem ein Ende. Jede Nacht wachte ich schweißgebadet, weinend und schreiend auf. Während ich dann versuchte, mich wieder zu beruhigen, begannen bei George die Albträume. Es war ein nie enden wollender Kreislauf. Es war die Hölle.

Ende Mai wurde es endlich schön warm. Kein Regen mehr, die Sonne gewann die Überhand. Es war, als hätte der Himmel die Schlacht verdaut und war bereit, endlich loszulassen. Ich genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut, als ich das erste Mal mit George zum Friedhof ging. Wir beide waren vorher nicht bereit dafür, doch mit der Sonne und der besseren Laune der Menschen, wagten wir den Versuch. Godric's Hollow lag in der puren Sonne, die Menschen saßen auf Bänken und unterhielten sich oder erledigten auf dem Marktplatz ihre Einkäufe. "Irgendwie schön zu sehen, wie normal alles wieder geworden ist, oder?" Zustimmend nickte ich. "Alle sind so unbesorgt, ohne Angst und mit Lust zu Leben." George lächelte leicht, als er das Tor zum Friedhof öffnete. Wir liefen langsam, wahrscheinlich waren wir beide aufgeregt. Keiner sagte mehr ein Wort. Ich betrachtete jedes Grab, an welchem wir vorbei liefen. Eines davon war von Tonks und Remus, an welchem ich die letzten Wochen immer wieder mit Harry und Teddy war. Teddy war noch so klein, so zerbrechlich, und doch musste er schon ohne seine Eltern leben. Für Harry war es nicht einfach, da ihn das selbe Schicksal ereignet hatte. Doch Teddy war bei seiner Großmutter in guten und liebenden Händen.

George lief ein Stück vor mir, während ich noch neue Blumen an Tonks und Remus Grab zauberte. Als ich meinen Weg fortsetzte, sah ich, dass George einige Meter hinter einem Baum stehen geblieben war. Fragend blickte ich zu ihm. Er winkte mich zu sich und deutete mit dem Kopf auf Freds Grab. Mir blieb fast das Herz stehen, als ich Draco erkannte, der vor Freds Grab kniete, die Schultern bebten. Er weinte. Hektisch und ängstlich sah ich mich um. "Was tut er denn hier? Was, wenn er gefunden wird?" George zuckte mich den Schultern. "Du solltest zu ihm gehen." Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. "Vielleicht will er mich gar nicht sehen." "Sei nicht albern, Bella. Natürlich will er dich sehen." Ich atmete tief durch, während George mich aufmunternd anlächelte. Mit zitternden Beinen ging ich zum Grab. Draco bemerkte mich nicht, murmelte nur immer wieder etwas vor sich hin. Hinter ihm blieb ich stehen. "Es tut mir Leid. Ich habe das nie gewollt." Draco schluchzte und wischte sich mit der Hand über die Augen. Alles in mir zog sich schmerzhaft zusammen. "Draco?" Er schreckte sofort hoch, die Augen weit aufgerissen und die Hand am Zauberstab. Beschwichtigend hielt ich die Arme nach oben. "Ganz ruhig. Ich bin es nur." Erleichtert stieß er die angehaltene Luft aus. "Isabella." Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. "Was machst du nur hier?" "Ich wollte mich nur bei allen entschuldigen, die gestorben sind. Das wollte ich nie." Ich drückte mich enger an ihn, während er seinen Kopf auf meine Schulter legte. "Du bist daran nicht Schuld, Draco. Hör auf, dass zu denken." Draco atmete tief durch und löste sich von mir. "Du hast mir so gefehlt, Isabella." "Du mir auch." Wir überbrückten die Distanz und küssten uns. "Ich muss aber wieder gehen. Meine Eltern erwarten mich zurück. Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen." Ich nickte. "Sei bloß vorsichtig."

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