Taehyung war tot und wie erwartet ging ab diesem Tag alles bergab. Myeong vermisste seinen Appa, schrie ganze Nächte durch. Das zerrte auch an meinen Kräften. Ich kam selbst nicht zum Trauern, weil von allen Seiten etwas auf mich ein drückte, sei Myeong, Beerdigungskram oder der fehlende Schlaf, den ich vermutlich auch so nicht bekommen hätte, denn jedes Mal erschien das Bild vor meinen Augen, wie er neben mir im Bett lag und mich warm anlächelte, um einen federleichten Kuss auf meine Nasenspitze zu drücken.
Nun war das Bett leer.
Niemand weckte mich mehr, seine Körpernähe, seine Küsse, sein einzigartiges Lächeln. Kein Tae mehr, der spät abends nach Hause kam und sich erschöpft von der Arbeit auf die Couch plumpsen ließ und sich halb schlafend an meine Schulter schmiegte. Alles war weg. Nichts davon wird jemals wieder zurückkommen. Das Frühstück, Mittagsessen und Abendessen musste ich nun alleine überstehen, wenn ich etwas Essen würde. Seitdem er gestorben war, konnte ich keinen Bissen mehr herunterbringen. Es ekelte mich an, ob es das Essen vor meiner Nase oder nur der Duft war.
Oder der ständige Besuch von meinen Hyungs, die die Wohnung aufräumten, sich um Myeong kümmerten und mich irgendwie versuchten zu trösten, um den ganzen Scheiß zu vergessen. Aber wie sollte das funktionieren? Heute war seine Beerdigung und ich wollte ums verrecken nicht hin. Ich wusste doch, dass er nicht mehr lebte, musste man mir das jetzt noch einmal qualvoll vor Augen führen?
Und trotzdem zwang ich mich in meinen pechschwarzen Anzug, richtete meine pechschwarzen Haare, die deutlich an Länge gewannen. Ich sah keinen Sinn mehr dahinter, mich aufwendig zu pflegen. Für wen auch?
Myeong zog ich einen weißen Strampler an, denn schwarz ist keine Farbe für ein Baby. Außerdem steht der Kleine für Hoffnung, für Leben. Er strampelte gerade fröhlich mit seinen Armen und Beinen, schien von der ganzen Trauer nichts mitzubekommen, aber das ist auch gut so. Er weinte schon genug. Ich küsste sanft seine Stirn und legte den kleinen in den Kinderwagen, schnappte mir den sorgsam gefalteten Zettel und verließ die Wohnung.
Dann mal los..
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Alle versammelten sich in der kleinen aber feinen Kirche. Unsere Freunde sind gekommen, seine Eltern und meine Eltern, sogar Arbeitskollegen von Tae wollten sich heute von ihm verabschieden. Ich setzte mich nach ganz hinten, hielt Myeong in meinen Armen. Keinen begrüßte ich, keinen schenkte ich auch nur einen kleinen Blick und niemand kam zu mir. Zwar spürte ich die bemitleidenswerten Blicke allen, aber sie wussten auch, dass ich für mich allein sein wollte. Ich war ihnen sehr dankbar, dass sie es respektierten.
Währenddessen unterhielten sich alle gemeinsam, schwelgten in Erinnerungen und lachten sogar sehr viel. Niemand wirkte so richtig traurig über seinen Tod und genau das machte mich wütend. Ich verstand nicht, wie sie über ihn lachen konnten. Nahmen sie seinen Tod nicht Ernst? Waren sie froh, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilte?
Meine Gedanken wurden unterbrochen, da die Glocken ertönten, die alle zum Schweigen brachten. Es ging los.. Der Pfarrer schritt nach vorne und gegrüßte uns alle.
"So viele sind heute gekommen, um von Kim Taehyung Abschied zu nehmen-", redete der Pfarrer los, aber ich konnte kaum zuhören. Alles erschien so unwirklich. Wie die schwarz-weiße Urne umrandet von Blumen dort vorne stand, daneben ein Bild von Taehyung. Ich hatte wirklich lang nach einem passenden Bild gesucht. Letztendlich habe ich mich für ein fröhliches entschieden.
Ich konnte mich noch genau an diesen Moment erinnern. Es entstand damals, als ich ihm beichtete, dass ich schwanger war. Gott, hatte er sich gefreut. Das zeigte dieses Bild noch einmal ganz deutlich. Ich lächelte traurig darüber und wischte mir einmal über die Augen. Ich wollte nicht weinen. Es war seine Entscheidung zu sterben, das musste ich respektieren. Ich sollte lächeln, mit erhobenen Kopf sagen, dass ich stolz auf ihn bin, wie er gekämpft hatte und letztendlich seinen letzten Wunsch erfüllen konnte - zu sterben..
Der Pfarrer bat mich nach vorne, das war der Moment, auf den ich die vergangenen Tage hingearbeitet hatte. In meiner rechten Hand der weiße Zettel und in der linken den Ehering, der bis nach seinem letzten Atemzug seinen Finger schmückte. Ich hatte ihm diesen an jenem Tag abgenommen und ihn immer bei mir gehabt. Meinen eigenen trug ich heute noch und diesen werde ich auch niemals abziehen.
Myeong drückte ich vorher Jin in die Arme, ehe ich nach vorn schritt. Meine Hände zitterten unheimlich, meine Beine fühlten sich so schrecklich weich an und jeder Atemzug schmerzte in meiner Brust. Zum ersten Mal dieses Tages sah ich in der Runde, alle lächelten mich an, keiner schien so wirklich traurig zu sein. Sah ich sie an, fühlte ich mich so Fehl am Platz. Ihre Emotionen wirkten auf mich wie auf einem Kindergeburtstag.
Ich atmete einmal tief durch, schloss dabei die Augen, dann sah ich auf meinen Zettel. Ich hatte ihn mir endlose Male durchgelesen, vermutlich konnte ich ihn mittlerweile auswendig. Viele Worte waren nicht mehr lesbar, da sie von meinen Tränen verwischt wurden. "Tae..", begann ich leise.
"Wie lange kennen wir uns nun? Viel zu lange... Von Beginn an, unser erstes Treffen, bist du mir sofort ins Auge gestochen. Ich fand dich auf Anhieb sympathisch. Du warst immer so glücklich, immer so optimistisch. Du hast aus jeder noch so schwierigen Situation versucht, das Beste rauszuholen. Ich fand dich einfach toll. Um so glücklicher war ich, als du mir deine Liebe gestandest, unsere Hyungs waren sofort Feuer und Flamme für unsere Beziehung.", ich lächelte traurig und sah meine Freunde an, die ebenfalls nur traurig schmunzelten. Jeder schien gerade sich an einen tollen Moment mit ihm zu erinnern.
"Wir haben geheiratet und wurden sogar Eltern. Zum Glück konntest du deinen Sohn noch kennenlernen. Du sahst auch so glücklich aus. So verdammt glücklich.. Am Anfang der Diagnose brach für mich und auch für dich eine Welt zusammen, aber selbst da, versuchtest du glücklich zu sein und irgendwie das Beste daraus zu machen. Dabei sah ich nicht wie sehr du tatsächlich littest. Ich nahm es erst so richtig wahr, als ich erfahren habe, dass du sterben wolltest. Du konntest nicht mehr, du musstest unerträgliche Schmerzen erleiden. Aber ich war wieder so unendlich egoistisch. Ich wollte nicht, dass dieser scheiß Krebs die Oberhand gewinnt, dabei hatte er das schon ab der Diagnose. Ich wollte nicht alleine leben, ich wollte dich nicht verlieren. Tae.. bitte verzeihe mir diesen Egoismus.. Er tut mir so leid.."
Ein Schluchzen verließ meine Lippen. Ich musste an den Moment denken, als die Psychologin zu mir sagte, dass Tae aufgegeben hatte und nur noch auf seine Erlösung wartete.
"W..wir hatten zwar eine sehr kurze aber wunderschöne Zeit zusammen.. Ich genoss jeden Augenblick mit dir.. Um so schwerer fällt mir der heutige Abschied.. I..ich vermisse dich so unglaublich sehr, Tae.. Wenn ich doch nur in die Zukunft gucken könnte, hätte ich es soweit niemals kommen lassen.. B..bitte werde glücklich dort oben und gebe Acht auf unsere Freunde und auf deinen Sohn.. T..ae ich.. ich werde dich nie..niemals ver..vergessen.. Ich liebe dich..!", rief ich gegen Ende und sank weinend auf die Knie.
Ich konnte nicht mehr. Alles war in diesem Moment zu viel. Und als dann auch noch mein selbst gesungener Song 'Lost Stars' begann zu spielen, war's das endgültig für mich. Ich krallte meine Hände in das Hemd an der Stelle meines Herzens und weinte laut. Mein Herz schmerzte so sehr. Es tat so weh.
Doch plötzlich spürte ich mehrere Arme um mich, die mich in eine brüderliche Umarmung zogen. Sofort krallte ich mich an einen meiner Freunde und weinte mich aus, während im Hintergrund der herzzerreisende Song lief.
Nachdem ich mich beruhigt hatte, liefen wir gemeinsam zu dem Grab, indem Tae begraben werden sollte. Ich lief ganz vorne mit, begutachtete die Urne, die der Pfarrer in den Armen trug. Namjoon hielt mich im Arm, drückte mich immer wieder am Oberarm und versuchte mich irgendwie zu beruhigen.
Am Grab angekommen ließ man die Urne in das Loch ein, jeder durfte mit der Schaufel einen Haufen Erde auf die Urne streuen und ein stilles Gebet beten. Ich war als letztes dran, kippte die Erde in das Loch und legte den silbernen Ring dazu.
"Auch wenn du nicht mehr da bist, Tae, wird mein Herz nur für dich schlagen - bis zu meinem letzten Atemzug. Ich habe dich aus vollster Liebe geheiratet und das wird sich niemals ändern. Hüte bitte den Ring und vergesse mich niemals. Ich liebe dich über alles, Kim Taehyung..", hauchte ich so leise, dass es kein anderer hörte und verließ mit einem letzten kleinen Lächeln mit Myeong das Grab.
Wir sind nicht für immer getrennt, Tae..
Bitte warte nur so lange auf mich..
Ende
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𝐈𝐍 𝐓𝐇𝐄 𝐄𝐍𝐃 • ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ
FanfictionEine schwierige Zeit bricht in dem Haus des Paars ein. Taehyung geht es über Wochen hinweg schlechter, verliert Appetit und Ausdauer. Er und sein Mann Jungkook gehen zum Arzt, um ihn untersuchen zu lassen und dann die Diagnose. Kim Taehyung leidet...