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Ich hielt vor der farblosen Tür inne. Dabei die Türklinke herunterzudrücken, verharrte ich in der Bewegung. Von der anderen Seite ertönte Schreie, schmerzvolle Schreie. Zu Beginn war es schwer diese zuzuordnen, dachte zuerst, dass sie aus einem anderen Raum kämen.

Aber nein.

Die bitterlichen Schreie stammen tatsächlich von meinem Tae. Er schrie sich wortwörtlich die Seele aus dem Leib.

Grausame Geräusche.

Was war der Grund, wieso er so kreischte?

Meine Beine zitterten und diese Angst grabbelte sich von meinen Zehenspitzen bis zu meinen Fingerspitzen hoch. Angst breitete sich aus. Ich wollte in dieses Zimmer, wissen was mit meinem Tae los war und gleichzeitig unser neugeborenes Baby in seine Arme legen.

Doch ich konnte nicht. Keinen Millimeter, keine Faser meines Körpers zuckte auch nur ein bisschen.

Wird er nun sterben..?, ging durch meinen Kopf. Der Schreie zur Folge war diese Frage berechtigt. Er hatte tatsächliche Todesschreie.

Ich hatte so unfassbar Angst. Was sollte ich machen? Was sollte ich nur machen, verdammt?! Ich konnte doch nicht einfach in das Zimmer mit dem Baby reinplatzen. Es würde sofort aufwachen und zum Weinen anfangen. Auch ein Neugeborenes spürte, wenn es einem Elternteil nicht gut ging. Der Kleine schlief sowieso schon unruhig. Immer wieder ballte er die kleinen Händen zu Fäusten und strampelte leicht mit den Beinen.

Natürlich spürte mein Baby, dass etwas nicht stimmte. Es spürte ja auch meine Angst, nicht nur Taes Schreie hörte er.

Doch mit einem Schlag war alles ganz ruhig. Kein Ton, kein Wimmern und vorallem kein Kreischen war mehr zu hören. Die Stille war fast genauso schlimm wie die unerträglichen Schmerzensgeräusche meines Ehemannes.

Wieder verspürte ich diesen Drang einfach in dieses Zimmer zu springen, doch ich konnte mich einfach nicht bewegen. Mein Körper wehrte sich vollkommen. Ich drückte nur reflexartig meinen Sohn näher an meine Brust. Ich musste mich an irgendetwas festklammern, mein Sohn war der einzige, der momentan da war.

Plötzlich öffnete sich die Tür und eine ältere Ärztin trat aus dem Raum. Ich wollte kurz zu meinem Tae gucken, doch da fiel auch schon die Türe zu. Die Ärztin musterte mich und mein schlafendes Kind prüfend. "Wollen Sie zu ihm?", fragte sie etwas schnippisch.

Ich nickte zögernd. Ich fühlte mich unwohl unter ihren Blicken. "Das geht jetzt nicht. Kommen sie wann anders wieder." Ihre Augen spiegelten eisige Kälte wieder. Was hatte sie - jemand so unhöffliches und herzloses - auf so einer Station zu suchen?

"W..was ist mit ihm..? Ich hab seine.. Schreie gehört.." Nur unvollständige stotternde Wörter verließen meine Lippen. Ich fühlte mich so hilflos und klein bei ihrem Anblick.

"Wer sind sie überhaupt, dass es ihnen etwas Anzugehen hat?", motzte sie ungeduldig und ging überhaupt nicht auf meine Frage ein. Wieso musste ausgerechnet so jemand wie die vor mir stehen? Hier gab es doch so viele nette Ärzte, die gerne Betroffene halfen. Die hasste doch einfach nur ihren Job, das merkte jeder Blinde. "Ich bin sein Ehemann.", antwortete ich nun mit erstaunlich fester Stimme. Das überraschte mich selbst zugegebenermaßen.

Nun schaute die Frau blöd drein und erkundigte mich nun endlich von dem momentanen Stand von meinem Tae. "Er hatte starke Tumorschmerzen. Sie wissen bestimmt, dass Krebsschmerzen sogar schlimmer als Geburtsschmerzen sind.", dabei spielte sie auf meinen Sohn in meinen Armen an. Sie erkannte sofort, dass er frisch geboren war und ich somit die Wehen und Geburtsschmerzen kannte.

Ich nickte stumm.

"Der Krebs in seinem Körper wächst stetig. Er müsste nun eine Größe von ca. 10 Zentimeter erreicht haben. Da hat die Dosierung des Schmerzmittels nicht mehr ausgereicht. Aber das ist nicht alles. Mittlerweile ist sein ganzer Körper überfallen von Tumoren. Er hat nun nicht mehr einen Krebs sondern ganz viele. Eine typische Abwehrreaktion des Körpers. Seine Nieren arbeiten auch nur noch zu 15%. Genießen Sie die restliche Zeit mit ihm. Er hat nicht mehr lange."

𝐈𝐍 𝐓𝐇𝐄 𝐄𝐍𝐃 • ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt