Ich sah meine Schwester, die jetzt an der Hand von dem Jungen hoch gezogen wurde, dessen Gesicht ich nun auch erkennen konnte und meine schlimmste Befürchtung wurde war. Es war tatsächlich Can. Es war Can, der dort auf unserer Bank neben meiner Schwester war und sie küsste. Schockiert sah ich den beiden nach, wie sie Hand in Hand aus meinem Sichtfeld spazierten und war nicht in der Lage mich zu bewegen. Das war viel zu surreal, als dass ich es wahrhaben konnte, selbst wenn ich es gesehen hatte.
Demet und Can? Meine Schwester und mein Ex-Freund? Langsam fing ich wie automatisch meinen Kopf an zu schütteln, als könnte ich diese Tatsache somit aus meinem Gehirn werfen.
Meine Sicht wurde plötzlich versperrt und ich sah, dass der Bus auf den ich eigentlich gewartet hatte, nun vor mir hielt. Mit monotonen Bewegungen stieg ich ein, als würde ich fremd gesteuert werden und setzte mich auf einen Platz ganz hinten.
Ich sah immer noch mit großen Augen aus dem Fenster und stieg nach einer Weile einfach aus, ohne dass ich vorher darauf geachtet hatte an welcher Haltestelle ich war oder ob ich hier überhaupt raus musste. Und dann rannte ich los. Ich rannte irgendwohin, wohin wusste ich nicht. Wo ich war, wusste ich nicht und es war mir auch egal.
Am Geländer des Mains blieb ich stehen und sah mit immer noch goßen Augen auf das Wasser unter mir. Und dann brach der Damm, der sich seit Wochen in mir gestaut hatte. Ich hatte kein einziges Mal geweint. Kein einziges Mal hatte ich meine Bedürfnisse oder meine Gefühle in den Vordergrund gestellt und an mich gedacht. Doch jetzt war es andersherum. Der Damm in mir brach und ich fing an lauthals zu weinen.
Die Tränen rannten mir über das Gesicht und ich schluchzte laut während ich mich an dem Geländer zu Boden fallen lies und die Knie anzog. Die Fragen überstürzten sich und überfluteten mein Gehirn. Wie konnten sie mir das nur antun?
Ich wusste gar nicht, wer von den beiden mich mehr enttäuscht hatte. Demet war meine Schwester, mehr als das, sie war mein Zwilling. Auch wenn wir uns nie sonderlich gut verstanden hatten, dachte ich, dass ihr zumindest diese Tatsache etwas bedeuten würde, das sie von so etwas zurückhalten würde.
Und Can. Mein bester Freund seit der Kindheit, mein erster fester Freund und die Person die ich, auch wenn nicht gänzlich, näher an mich heran gelassen hatte als jeden Anderen. Sein Verhalten, dass zu unserer Trennung geführt hatte, war eine Sache aber das hier hätte ich nicht von ihm erwartete. Dass er sich gleich an meine Schwester ranschmeißt oder doch sie an ihn? Ich weiß es nicht und es war mir auch egal, durch wenn die ganze Sache angefangen hatte, es war einfach mehr als falsch. Beide hatten mich hintergangen.
Als ich irgendwann meinen Kopf von meinen Knien hob merkte ich, dass es bereits dunkel geworden war. Ich kramte mein Handy aus meiner Jackentasche um nach der Uhrzeit zu sehen, doch merkte, dass mein Akku leer war. Ich seufzte und machte mich zu Fuß auf den Nachhauseweg.
Sobald ich meine Gegend betrat fiel mir auf, dass es wohl keine gute Idee war hier noch so spät draußen zu sein. In unserer alten Gegend war das nie ein Problem gewesen, da es immer sehr ruhig war und ich sogar manchmal wenn ich nicht schlafen konnte nachts einen Spaziergang machen konnte. Doch hier schien es, als würden alle erst Nachts wach sein, denn von vielen Ecken hörte ich Stimmen und sah im Schatten der Dunkelheit auch immer wieder Gruppen an Männern.
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Hayat
RomanceEylem ist hübsch, reich und kommt aus gutem Elternhaus. Sie besitzt alles, wovon andere Mädchen nur träumen können. Bis zu dem Tag an dem ihre Familie alles verliert und sie gezwungen sind in das Ghetto zu ziehen, in dem Eylem auf den Groß Dealer de...