Herbstball (Part 2)

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Alles, was ich sah, bevor ich mich umdrehte und wegrannte, war Masons enttäuschter Blick. Ich hatte ihn verletzt und dafür hasste ich mich selber. Ich hasste mich so sehr. Mason war nett und fürsorglich. Er wäre ein toller Freund, hätte ich ihn nicht abgewiesen.

Ich rannte zu den Toiletten.

Ich weinte nicht, womit ich mich überraschte, da ich eigentlich ein verdammt emotionaler Mensch war, dem alles nah ging und der oft übertrieb. Dad sagte immer, dass ich aus einer Mücke einen Elefanten mache und er hatte recht. Jedes Mal hatte er recht und es war echt schade, dass mir diese Erkenntnis erst jetzt kam. Ich musste mich wirklich ändern. Ich musste lockerer werden.

Höchst motiviert verlangsamte ich meinen Schritt und steuerte weiterhin auf die Toiletten zu. Ich drückte gegen die Tür, welche knarrend aufschwang und trat auf den olivgrün gefliesten Boden. Es war wirklich eine grauenvolle Farbe, von der mir immer wieder schlecht wurde. Ich ging hinüber zu den Waschbecken und betrachtete meinen harten Gesichtsausdruck im Spiegel. Plötzlich hörte ich ein Stöhnen aus einer der Kabinen und drehte mich rasch um. Dann kam ein weiteres Stöhnen. Wer auch immer da drinnen war, es waren garantiert zwei Personen. Angeekelt verzog ich mein Gesicht und wollte aus den Toiletten raus, als die Kabinentür geöffnet wurde und ein blondes Mädchen vornheran aus ihr heraus gestöckelt kam. Ich erschrak, da ich sie sofort erkannte, jedoch sah sie mich nicht am Ausgang stehen und richtete ihre Haare im Spiegel. Mein Herz setzte für die Sekunde aus, in der die zweite Person aus der Kabine kam. Ich schnappte leise nach Luft und beobachtete, wie Luke zu der blonden Bitch ging und vergnügt ihren Hals küsste. Enttäuschung, Wut und Trauer machten sich in mir breit.

Ich hörte einen gedämpften Knall.  Meine Tasche muss wohl zu Boden gefallen sein, denn Luke und seine blonde Bitch drehten sich erschrocken zu mir um. Ich sah seine geschockten Augen, die sonst immer voller Freude strahlten, dachte keinen Moment länger nach und stürmte aus den Toiletten.

Ich musste hier raus. Ich musste an die frische Luft, einfach weg. Meine schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. Und auch wenn wir nicht zusammen waren, hatte ich doch gehofft, dass er etwas für mich empfinden würde. Der kleine Schimmer an Hoffnung verglühte in mir, bis er vollständig verschwunden war.

Ich hörte Luke aus der Ferne meinen Namen schreien, doch ich blieb nicht stehen. Ich rannte auf die Tür zu, stieß sie auf und atmete die klare Nachtluft ein. Nun konnte ich die Tränen einfach nicht mehr zurückhalten und ließ ihnen freien Lauf. Ich setzte mich auf die Bordsteinkante und weinte. Weinte, weil Luke im Schulklo rumgemacht hatte. Weinte, weil ich Mason verletzt hatte. Weinte, weil ich eine schreckliche Person war und weinte, weil in meinem Leben einfach alles schief ging.

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

"Kylie!", hörte ich Lukes Stimme und merkte, wie er sich neben mich auf den Bordstein setzte. Ich reagierte sofort und sprang auf. Ich wollte nicht neben ihm sitzen und ich wollte auch nicht mit ihm reden. Doch er hielt mich am Handgelenk fest, um mich zurück zu ziehen.

"Lass mich los!", schrie ich ihn an und zerrte an meiner Hand. Immer mehr Tränen fanden den Weg über meine Wangen. Ich konnte nicht mehr.

"Kylie, bitte.. ", setzte er an, doch ich unterbrach ihn, völlig von Gefühlen überrumpelt.

"Nein! Geh zurück zu deiner Bitch und lass mich einfach in Ruhe!", mein Handgelenk schmerzte unter seinem Griff, doch ich zog immer weiter an ihm. Ich drehte und wendete mich, als es ihm genug wurde. Luke stand auf, hielt meine Hand aber immer noch fest umklammert und griff nun auch nach meiner anderen Hand. Ich konnte mich nicht wehren. Ich war einfach zu schwach. Er zog mich an seinen warmen Körper und hielt mich fest. Ich weinte in sein Hemd, doch das war mir egal. Sollte doch eine teure Reinigung die Mascaraflecken aus seinem Hemd waschen. Er drückte mich fest umklammert an sich und zog mich auf seinen Schoß.

Er wippte sanft, als wäre ich ein Baby, doch auch das ignorierte ich gekonnt. Ich wartete einfach nur auf den passenden Moment, in dem er nicht aufpasste, sodass ich mich befreien konnte. Er lockerte seinen Griff und wollte mir mit einer Hand über die Haare streichen. Genau in diesem Moment riss ich mich los und stampfte die Straße entlang. Ich hatte schließlich kein Auto und ich würde mich auch ganz sicherlich nicht von Luke fahren lassen. Er rannte mir hinterher und umfasste erneut mein Handgelenk, woraufhin ich mich wütend umdrehte und ihn anfauchte:

"Was willst du noch?"

Er schaute kurz auf den Boden, dann wieder direkt in meine Augen.

"Ich will dich"

"Ich bin nicht so, wie deine Flittchen!", fuhr ich ihn an.

Doch er sagte nur: "Nicht so, Kylie."

Okay, jetzt wurde ich doch hellhörig und wartete gespannt auf eine Antwort.

"Ich liebe dich!"

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