Kapitel 12

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,,Ja." flüsterte ich. ,,Öffne ihn." Behutsam öffnete er den schwarzen Umschlag; zog so ein ebenso schwarzes Pergament hervor. Es war klein, mit weißer Tinte wurden darauf wenige Zeilen verfasst.
,,Soll ich? Oder möchtest du-"
,,Ist er tot?" unterbrach ich ihn mit Tränen in den Augen. ,,Mein Bruder. Ist er gestorben?"
Draco sah mitfühlend auf den Brief; überflog ihn. Es dauerte nicht lange da bekam ich meine Antwort. Seine Augen hatten es mir verraten.
,,Es tut mir furchtbar leid, Jane." flüsterte Draco und nahm mich in den Arm. Ich schien es gar nicht zu realisieren; ich schrie, doch konnte meinen eigenen Schrei nicht wahrnehmen. Ich weinte, doch konnte meine Tränen nicht spüren. Ich wollte etwas fühlen; Schmerz, Trauer, Wut und doch konnte ich es nicht. Ich fiel auf meine Knie, wollte es nicht wahrhaben.
,,Jane, Jane-" Draco griff nach mir; presste mich dicht an ihn. Er sprach mir zu, streichelte sanft über mein Haar. Erst für Sekunden, dann für Minuten; dann bereits seit einer Stunde. Keine Sekunde war er von mir gewichen; keine Sekunde war er weg gewesen. Wir saßen weiterhin auf dem Boden; hatten uns an sein Bett angelehnt. Es war dunkel, wenige Kerzen erhellten sein Zimmer. Meine Tränen begannen langsam zu trocknen; die Akzeptanz fing an zu übernehmen.
,,Er hat mich aufgezogen, Draco." wimmerte ich leise. ,,Er war alles was ich noch hatte. Erst meine Mutter und nun auch er. Ich bin von nun an allein; bis zu meinem Tag."
,,Du bist nicht allein, Jane. Niemals, hörst du?" flüsterte Draco als er mein Gesicht zwischen seine Hände nahm, mir tief in meine Augen blickte. ,,Ich werde für immer an deiner Seite bleiben; ich verspreche es. Wir sind unsere eigene kleine Familie. Nur du und ich."
Ich lächete schwach, nickte ihm bestätigend zu. Wie unfassbar geduldig er mit mir war; wie liebevoll.
,,Er hat mir alles beigebracht; mich jeden Tag unterrichtet. Er hat mir früher immer Süßigkeiten mitgebracht, auch dann wenn Mutter es eigentlich verboten hatte." lachte ich leise. ,,Er war ein wundervoller, ziemlich dickköpfiger Bruder. Der beste Ehemann für seine Frau; der beste Vater für seine Töchter. Er hinterlässt so viele gebrochene Herzen." flüsterte ich traurig. ,,Wann ist er gestorben, Draco? Steht es im Brief?" Er zog das Pergament nochmal hervor, sah sich die Zeilen ein weiteres Mal an. ,,Vor zwei Tagen." antwortete er schließlich. ,,Er-"
,,Vor zwei Tagen?" fragte ich nachdenklich. Ich unterbrach ihn; bekam eine unfassbare Gänsehaut.
,,Ja, deine Schwägerin schreibt, dass er friedlich eingeschlafen ist. Seine Frau und seine Töchter waren bei ihm, er hatte keine Schmerzen, Jane."
,,Draco, du verstehst nicht-" fuhr ich alarmiert fort. ,,Vor zwei Tagen, da hatte ich den Traum gehabt; den Alptraum. Ich habe meine Mutter und deine Mutter als Geist gesehen; und auch meinen Bruder, obwohl er da für mich noch gelebt hatte; zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von seinem Tod."
,,Jane..." hauchte Draco bedrückt.
,,Mein Traum hat recht behalten; er ist gestorben, traf mich als Geist wieder." sprach ich erschüttert. ,,Mein Traum hat recht behalten." wiederholte ich meine Worte wie in Trance.
,,Ich weiß was du jetzt denkst, doch es wird sich nicht bewahrheiten; du wirst nicht am Tage unserer Hochzeit sterben. Du weißt, dass es nicht so sein wird. Dein Bruder starb und wollte sich ein letztes Mal von dir verabschieden; doch du, du lebst. Du lebst, Jane." flüsterte Draco emotional. ,,Und du wirst auch weiterleben. Du darfst dich nicht aufgeben; deine Mutter hätte es nicht gewollt. Dein Bruder erst recht nicht. Du darfst nicht jeden Tag an den Tod denken, denn solch ein Leben hast du nicht verdient."
,,Wie Draco? Sag mir wie ich das anstellen soll?" fragte ich und wischte mir meine neuen Tränen weg.
,,Mit mir, ich werde dir dabei helfen. Ich werde nicht von dir weichen, ich werde dir zeigen wie wertvoll das Leben ist; wie einzigartig die Tage sind. Wie wundervoll es ist dich an meiner Seite zu haben."
,,Draco." wimmerte ich und lehnte mich bei ihm an.
,,Ich liebe dich, Jane. Ich liebe dein Lächeln; bitte lass nicht zu, dass du es verlierst."
,,Nein." antwortete ich leise und stand auf. ,,Das lasse ich nicht zu, du hast recht." lächelte ich und reichte ihm meine Hand. Er nahm sie an, kam zu mir hoch in den Stand. Mit seinen eiskalten Händen trocknete er meine Tränen, strich mir mein Haar von meiner Schulter.
,,Egal was ist; du kannst dich auf mich verlassen. Du bist das Mädchen das ich bei mir haben möchte; so lange, bis kein Weg mehr daran vorbei führt."
,,Ich liebe es, Draco."
,,Mh?"
,,Wie du über mich redest. Du akzeptierst meine Erkrankung, du siehst nicht das schwache Mädchen in mir, dass bald sterben wird. Du weißt, dass ich sterben werde; du akzeptierst es und dennoch redest du so wundervoll über die Zukunft."
,,Du bist nicht schwach, ganz im Gegenteil; du bist mit Abstand das stärkste Mädchen das ich kenne. Wunderschön, intelligent und unfassbar stark. Ich möchte dir helfen ein wertvolles Leben führen zu können, deinem Schicksal keine Möglichkeit zu bieten, dir dein Lächeln nehmen zu können. Ich liebe dich so unfassbar, kleine Jane. Unfassbar." flüsterte er, als er seine Lippen sanft auf meine legte. Wir schlossen unsere Augen, ließen die Schmetterlinge tanzen. Erneut siegte die Liebe; sie ließ die Trauer verschwinden, mich eine zeitlang nicht mehr mein gebrochenes Herz spüren lassen. Ich hatte lange Zeit gehabt mich auf den Tod von meinem Bruder vorzubereiten, doch niemals hätte ich gedacht, dass ich bei seiner Todesnachricht nicht alleine sein würde.

,,Möchtest du hier bleiben oder lieber zurück zu den Anderen?" fragte Draco nach einigen ruhigen Minuten.
,,Blaise wird gleich kommen, wir haben schon beinah Nachtruhe, Draco." antwortete ich lächelnd.
,,In Ordnung, wir sehen uns morgen beim Frühstück, ja? Ich begleite dich noch zu deinem Zimmer, doch du weißt wo du mich findest; egal zu welcher Uhrzeit."
,,Ich würde nie zulassen, dass du Ärger bekommst." grinste ich.
,,Du weißt wo mein Zimmer ist." sprach er streng mit einem Lächeln ehe er mir einen liebevollen Kuss auf meine Lippen gab. Minutenlang standen wir bloß so da; so lange bis Blaise ins Zimmer kam; uns grinsend anschaute.
,,Wow." staunte er, als Draco und ich uns wieder voneinander gelöst hatten. ,,Soll ich lieber wo anders schlafen?" lachte er.
,,Ja."/,,Nein." sprachen Draco und ich zeitgleich. Irritiert und mit großen Augen sah ich ihn lachend an; zog eine meiner Augenbrauen hoch.
,,Schon verstanden." grinste Blaise als er das Zimmer wieder ohne weitere Diskussionen verließ.
Ich musste lachen, war noch immer gefesselt von Dracos selbstbewusster Art und Weise.
,,Warum sollte er wieder gehen?" fragte ich neugierig.
,,Dir geht es nicht gut; wenn ich die Chance habe bei dir bleiben zu können, dann nutze ich sie auch. Es sei denn, du möchtest lieber in deinem Zimmer schlafen."
,,Niemals." hauchte ich und sprang ihm zaghaft in seine Arme. ,,Dich die ganze Nacht bei mir haben zu können wird es mir leichter machen; mich glücklicher."
,,Ich bin froh, dass du so denkst." flüsterte mir Draco zu, ehe er mich hoch hob und mich zum Bett trug. Liebevoll ließ er mich runter, legte sich schließlich zu mir.
,,Denkst du, dass Blaise-"
,,Eindeutig." unterbrach Draco meine Worte lachend. ,,Er wird bei Pansy sein. Und vertrau mir; die Beiden möchte ich auf keinen Fall stören. Wer weiß was die alles machen; vielleicht ja sogar in deinem Bett."
,,Draco!" lachte ich und schlug ihm mit meinem Kissen spaßeshalber ins Gesicht.
,,Es ist schön, dass du wieder lachen kannst." schwärmte Draco mit einem verträumten Blick.
,,Ich lache, weil du bei mir bist, weil ich hier sein kann. Weil du mir zeigst, dass es in Ordnung ist zu weinen. Du kannst trauern, schreien, weinen; so lange du wieder aufstehst. Es ist wichtig. Dich hier bei mir zu haben scheint mir das größte Glück in meinem Leben zu sein, Draco. Denn Glück hatte ich noch nie."
,,Dann wird es Zeit das zu ändern." hauchte Draco als er mit seiner Hand über mein Gesicht, weiter durch mein Haar fuhr. Er zog mich sanft zu ihm; legte seine Lippen auf meine. Liebevoll, romantisch und doch intensiv.
Erneut würden wir eine Nacht miteinander verbringen, erneut würde ich seinem Herzschlag lauschen können. Die ganze Nacht lang. Nie wieder würde ich ich darauf verzichten wollen; noch nie hatte ich solche Gefühle empfunden wie bei Draco.

Und es würde sich niemals ändern. Niemals.

till death do us part - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt