Kapitel 43

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,,Möchtest du wieder zurück? Zurück nach Hogwarts?" fragte Draco besorgt, als ich auch nach über einer Stunde kein Wort mehr gesprochen hatte. Meine Augen waren rot; schmerzten. Mein Herz raste; das Loch in mir wurde immer größer.

,,Nein." antwortete ich leise. ,,Noch nicht."
Draco goss mir eine Tasse Tee ein; setzte sich wieder neben mich auf die Couch. Ich rieb mir meine Augen; versuchte vergeblich die unzähligen neuen und fremden Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen.
,,Machen wir weiter." fuhr ich fort und stand auf. Hektisch nahm ich jedes Bild von der Wand runter; brach jeden Rahmen einzeln auf.

,,Jane; bitte-"
,,Nein Draco!" schrie ich verzweifelt und warf die Bilderrahmen zu Boden. Einen nach den anderen. ,,Ich werde nicht aufhören; ich will Antworten! Wenn sie die Geheimnisse so versteckt hat, dann werde ich sie finden! Ich will endlich wissen wer ich bin! Wer meine leibliche Mutter ist; ob ich eine Schwester oder einen Bruder habe!"

Die Tränen der Verzweiflung liefen meine Wangen hinunter; mein Herz schmerzte fürchterlich. Draco wich mir nicht aus; nein, im Gegenteil. Wortlos kam er zu mir, nahm das letzte Foto von der Wand; und brach den Rahmen auf.
,,Ok." flüsterte er und ließ es zu Boden fallen. ,,Ich werde dir helfen."

Jedes Bild brachen wir so auf; jeden Rahmen, jede Schublade öffneten wir. Stundenlang suchten wir nach irgendwelchen Dokumenten, Hinweisen; nach irgendwas. Doch nichts.

,,Das kann nicht wahr sein." flüsterte ich traurig, als ich mich in den Schaukelstuhl meiner Mutter fallen ließ. ,,Bloß meine Geburtsurkunde; mehr nicht?"
,,Wir gebe nicht auf; wir werden noch mehr finden, Jane. Wir-"
,,-warte. Wie konnte ich das bloß vergessen?" unterbrach ich Draco mit großen Augen, als mir ein ganz bestimmter Gedanke in den Sinn kam. ,,Aber natürlich."
,,Jane?"

,,Komm mit-" ich sprang auf, griff nach seiner Hand; und lief mit ihm die langen Marmortreppen hinauf. Ich ging mit ihm in das ehemalige Schlafzimmer meiner Mutter. ,,-sie hatte eine verschlossene Schublade; weder mein Bruder noch ich durften diese öffnen. Wir mussten es versprechen. Durch einen Zauber der mit meiner Mutter versiegelt war, war die Schublade immer beschützt worden. Doch nun; nach ihrem Tod, da müsste die Schublade-" ich griff nach der Schublade; zog sie mit einem Ruck auf. ,,-geöffnet sein. Der Zauber ist aufgehoben."

Mit großen Augen sah ich Draco an; meine Hände begannen zu zittern.
,,Was weißt du über diese Schublade?" fragte Draco neugierig.
,,Nicht viel; nur, dass der Inhalt meiner Mutter unfassbar wichtig war. Sie hat immer gesagt, dass sich hier alle Geheimnisse befinden; dass wir sicher sind, so lange diese Schublade beschützt wird. Wie konnte ich das bloß so lange verdrängen? Ich hatte sie vollkommen vergessen; vor drei oder vier Jahren hatte ich das letztes Mal versucht die Schublade aus Neugierde zu öffnen. Ich hatte es schließlich aufgegeben." antwortete ich und öffnete die Schublade vollkommen; erblickte einen ganzen Stapel an Pergamenten, Dokumenten; und tatsächlich Fotos.

,,Denkst du-"
,,-es muss um die Adoption gehen." unterbrach ich Draco nervös. ,,Es muss einfach so sein. Wenn es etwas anderes ist habe ich keinen Anhaltspunkt mehr."
,,Dann lass uns schauen, was deine Mutter so sehr gehütet hat." lächelte Draco besonnen und nahm mir den Pergamentenstapel ab. Er nahm mich bei meiner Hand; setzte sich mit mir auf das Bett.

,,Sogar Fotos-" grinste Draco neugierig, als wir die drei kleinen Fotos aus dem Stapel Dokumente hervorzogen. ,,-wie klein du da warst."
,,Ja." schwärmte ich, als er mir ein Kindheitsfoto überreichte. Ich war vielleicht 1 Jahr alt, trug mein Haar zu einem kleinen Zopf; ein weißes Kleid, ein hellgelber Teddybär mit nur einem Knopfauge in meiner Hand.
,,Jane-" schrak Draco auf, als er das zweite Foto begutachtet. ,,-du hast tatsächlich eine Zwillingsschwester."

Mit großen Augen sah ich ihn an; mein Herz stolperte wie verrückt, als er mir ein ganz besonderes Foto überreichte. Ein Foto mit meinem Zwilling; wenige Stunden nach unserer Geburt. Wir trugen beide eine hellrosane Decke über uns, lagen nah beieinander; eine kleine helle Schleife zierte unser sonst so dunkles Haar.
,,Eine Schwester." wiederholte ich Dracos Worte leise, als ich mit meinen Fingern über das staubüberzogene Foto strich.

,,Es ist komisch zu wissen, dass ich nun noch eine Schwester habe." fuhr ich mit einem Lächeln fort. ,,Komisch und doch wunderschön. Ich liebe meinen Bruder; doch ich hatte mir schon immer eine Schwester gewünscht."

,,Nun; du hast eine. Eine kleine Schwester-" grinste er, als er auf ein ganz bestimmtes Detail hindeutet. ,,Das erste Mädchen Jane; geboren am 29. Januar um 23.02 Uhr und das zweite Mädchen; geboren am 29. Januar um 23.08 Uhr." las Draco vor. ,,Der Name deiner Schwester ist wie dein wahrer Nachname mit einem Verschlüsslungszauber geschützt; ich kann ihn nicht lesen-"
,,-doch es ist ein Anfang." unterbrach ich ihn lächelnd mit Tränen in den Augen. ,,Ich habe eine Zwillingsschwester; eine kleine Schwester, Draco."

Minutenlang beobachtete ich das kleine alte Foto; hielt es fest zwischen meinen Fingern. Es war das einzige Foto, dass in diesem Haus der Wahrheit entsprach. Das einzige Foto, dass ich von meiner Schwester besaß.
,,Nicht einmal mein Geburtstag; nicht einmal mein Geburtsjahr entspricht der Wahrheit." flüsterte ich bedrückt. ,,Ich bin beinah 2 Jahre jünger als du Draco. Ich gehöre nicht einmal in die Abschlussklasse; wieso all das? Wieso die ganzen Lügen?"

,,Zu deiner Sicherheit, Jane." antwortete Draco sanftmütig.
,,Ja. Ich weiß, dass meine Mutter mich bloß beschützen wollte; doch sie hat mir jeden Tag in mein Gesicht gelogen. Ich hätte sie niemals verraten; oder von mir gestoßen, wenn ich die Wahrheit gewusst hätte... Ob mein Bruder davon gewusst hat?"
,,Das glaube ich nicht." antwortete Draco ernst und überreichte mir ein weiteres Dokument. ,,Auch dein Bruder wurde adoptiert."

Mit entsetzten Augen sah ich ihn an; sah auf das Pergament. Tatsächlich. Ein anderer Name. Ein anderer Geburtstag. Ein anderes Geburtsjahr. Und noch etwas, was mir mein Herz brach;
,,Er war auch ein Zwilling." flüsterte ich gebrochen, als ich mir jede Zeile durchlas. ,,So wie ich..."

,,Jane; deine Mutter hat euch beide adoptiert, weil ihr abgestoßen wurdet. Ihr wurdet von dieser Zauberwelt nicht anerkannt. Doch deine Mutter hat euch beiden bewiesen, dass ein Leben mit Drachensegen wunderschön aussehen kann; dass es sich lohnt zu kämpfen. Zu leben."
,,Sie hat alles riskiert, nur um zwei abgestoßene Kinder; erkrankte Kinder, bei sich aufzunehmen." wimmerte ich, als mir die erste Träne über meine Wange glitt. 

Mit einem Schlag war meine ganze Wut weg; die Vernunft war wieder da. Ich wurde belogen; doch nur um der Liebe wegen. Zum Schutz, damit meinem Bruder und mir ein normales und sorgenfreies Leben ermöglicht werden konnte. Wir hatten eine wundervolle Kindheit gehabt; aufgewachsen mit Liebe, Sicherheit und Fürsorge. Es gibt keinen Grund, um meiner Mutter nun noch böse zu sein. Ihre Ansichten nicht zu verstehen oder traurig über diese unfreiwillige Wahrheit zu sein. Sie war schon immer und wird auch immer meine Mutter bleiben.

,,Mein Bruder hatte einen Zwillingsbruder und ich eine Zwillingsschwester." lächelte ich und wischte mir meine Wangen trocken. ,,Es ist kein Verlust dies nun zu wissen; es ist viel mehr ein Gewinn."

,,So sehe ich das auch, Darling." grinste Draco und legte seinen Arm um mich. Er gab mir einen zarten Kuss; sah mich an. ,,Ich bin stolz auf dich."
,,Stolz? Wieso?"

,,Weil du in deinem Leben bereits so viel durchmachen musstest und auch jetzt nicht deinen Mut verloren hast. Du bist unfassbar stark, intelligent und fürsorglich. Ich bin stolz auf dich, dass du die Hoffnung immer gewinnen lässt, Jane." antwortete Draco stolz und gab mir einen zarten Kuss auf meine Lippen. ,,Auch, wenn die Hoffnung oft kaum erkennbar war."

,,Danke, Draco." wisperte ich leise. ,,Ich habe noch lange nicht alle Antworten auf meine Fragen, aber es fühlt sich gut an zu wissen, dass da draußen noch jemand ist. Eine Schwester; eine kleine Schwester. Vielleicht ist sie gesund und ihr geht es gut; vielleicht werde ich sie noch kennenlernen-"
,,-das wirst du." unterbrach mich Draco sanft. ,,Ich verspreche es dir."
,,Ich möchte bloß wissen wo ich hin gehöre, Draco. Verstehst du?" entgegnete ich erschöpft.

,,Ich habe nicht mehr viel Zeit, doch ich bin nun nicht mehr alleine; ich habe nun einen neuen und unfassbar wichtigen Grund um weiterzumachen; um weiterzuleben." fuhr ich fort und griff an das Foto meiner Schwester und mir; ich hatte es unter meinem Pullover über meinem Herzen versteckt. ,,Denn jeder Atemzug bringt mich näher an meinen letzten."

till death do us part - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt