Kapitel 20

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Ich kann es nicht genau beschreiben, doch ich ließ Draco mit Astoria alleine. Gewollt und absichtlich. Einerseits fühlte es sich richtig an; sie sollten sich besser kennenlernen. Er sollte begreifen, was für ein wundervolles Mädchen Astoria doch war. Doch andererseits, da schmerzte es. Es schmerzte unfassbar. Ich war nervös; mein Herz schlug viel zu stark. Jeder Schlag war pure Folter. Doch ich hatte es so gewollt; es war weiterhin das richtige. Oder? War es das wirklich?
Draco und Astoria waren bereits zum See gegangen; warteten dort bis ich wiederkam. Ich hingegen ging zu Madame Pomfrey. Untersuchungen, Nadeln; Medikamente. Ich war es doch bereits gewöhnt.
,,Miss Austin." begrüßte sie mich lächelnd. ,,Wie geht es Ihnen heute? Ich habe sie heute Nacht bereits vermisst."
,,Entschuldigung; Draco und ich waren draußen gewesen." antwortete ich ein wenig verlegen. ,,Mir geht es gut; mein Auge schmerzt kaum noch, an die Augenfarbe gewöhne ich mich langsam."
,,Sehr schön; es gibt Neuigkeiten die ich gern mit Ihnen besprechen würde." fuhr sie fort und nahm gemeinsam mit mir platz.
,,Neuigkeiten? Was für Neuigkeiten?" fragte ich mit großen Augen. Das was sie mir dann jedoch sagte, war wie ein wahrgewordener Alptraum; ein Alptraum getarnt als ein Traum.
,,W-was?" stotterte ich, als sie zu Ende gesprochen hatte. Fürsorglich griff sie nach meiner Hand; nickte mir lächelnd zu.
,,Die Möglichkeit besteht." sprach sie. ,,Sie ist klein, doch sie ist da."
,,Es gibt Hoffnung?"

Seit beinah 1 Stunde saß ich nun bereits auf diesem Krankenbett; hatte seit dem Gespräch mit Madame Pomfrey kein Wort mehr raus bekommen. Ich war gefangen in einer Art Trance. Ängstlich. Nervös. Hoffnungsvoll?
Sie hatte mich untersucht, mit mir über meine Medikamente gesprochen; über den weiteren Verlauf. Anzeichen und Schwierigkeiten. Doch ich war abwesend; weiterhin. Ihre Worte, dieses Gespräch; ich war vollkommen überfordert.
,,Überlegen Sie es sich, Jane." lächelte sie sorgsam. ,,Es sind starke Medikamente; es besteht keine Garantie, dass es funktionieren wird. Außerdem wären mögliche Nebenwirkungen im Bereich des Möglichen."
,,Was meinen Sie damit? Was für Nebenwirkungen?"
,,Es könnte schwerwiegende Folgen für Sie haben; der Verlust der Sehkraft, vielleicht aber auch gelähmte Beine." antwortete sie.
,,Woher? Woher haben Sie plötzlich dieses Medikament?" fragte ich irritiert. ,,Jahrelang gab es keine Heilung-"
,,Eine Heilung gibt es noch immer nicht, Liebes." unterbrach sie mich und zog mir die Infektionsnadel aus meinem Arm. ,,Lediglich die Hoffnung auf ein wenig mehr Zeit."
Liebevoll verband sie mir meine Ellenbeuge; sah mich bestärkend an. ,,Sie sind wirklich stark; geben Sie sich nicht so schnell auf." zwinkerte sie.
,,Sie sagen, dass ich den Verlauf verlangsamen könnte? Das, das mir tatsächlich mehr Zeit bleiben würde?" flüsterte ich zitternd.
,,Ja." bestätigte sie. ,,Ihre Krankheit ist tödlich; es wird keinen Ausweg geben, doch wir könnten den Verlauf möglicherweise verlangsamen. Wenn Sie zustimmen."
,,Was meinen Sie damit? Verlangsamen? Tage, Wochen?"
,,Jahre." antwortete sie lächelnd. ,,Es könnten Jahre werden, Jane."

Vollkommen perplex hatte ich kurze Zeit später den Krankenflügel wieder verlassen. Mein Arm war verbunden, mein Mund ganz trocken. Wortlos ging ich durch die Korridore; trat aus Hogwarts hinaus. Ging den Weg hinunter zum See. Er war gefroren; Schnee und Eis glitzerten in dem winterlichen Sonnenlicht. Ein Lächeln formte sich auf meinen Lippen; verschwand, als ich Draco und Astoria erblickte.
Sie saßen gemeinsam auf einem Baumstamm; nah beieinander. Es schien, als würden sie sich unterhalten. Astoria lächelte; Draco lächelte. Mein Herz schmerzte.
So eben hatte ich die Nachricht erhalten, dass mir möglicherweise mehr Zeit bleiben würde. Mit Draco. Wir könnten heiraten; müssten uns noch nicht voneinander verabschieden. Doch war es wirklich das, was ich wollte? Sollte ich ihm davon erzählen, oder das erste Mal mein Versprechen brechen und ihn belügen?
,,Jane!" rief Astoria freudig als sie mich oben auf dem Berg erblickte. ,,Komm zu uns!"
Schlagartig drehte sich Draco zu mir; fing an zu strahlen. Er kam mir entgegen; ließ mein Herz beben.
,,Jane." lächelte er und gab mir einen gefühlvollen Kuss. ,,Da bist du ja endlich."
,,Entschudlige, ich wollte euch nicht stören." wisperte ich leise.
,,Stören? Was redest du da?" entgegnete er irritiert und warf mich über seine Schulter. ,,Wir hatten über dich gesprochen; uns schon gewundert wo du bleibst."
,,Draco!" lachte ich laut auf. Gemeinsam mit mir auf seiner Schulter ging er hinunter zu Astoria; durch den Puderschnee hindurch.

Sorgsam ließ er mich wieder runter; strich durch mein Haar.
,,Erzähl schon; wie war es bei Madame Pomfey?" fragte Draco neugierig. Er setzte sich auf den Baumstamm; zog mich auf seinen Schoß.
,,Es war; informativ würde ich sagen." antwortete ich ein wenig abwesend. ,,Was habt ihr so lange gemacht?" lenkte ich ab.
,,Draco und ich haben bloß hier gesessen; uns ein wenig unterhalten." antwortete Astoria lächelnd. Es schien, als würde sie meine Unsicherheit bemerken; als wüsste sie, dass ich nun mit Draco alleine sein wollte. ,,Wie auch immer; ich habe gleich noch Unterricht." fuhr sie fort und stand auf.
,,Willst du schon gehen?" fragte Draco ein wenig erschrocken. ,,Du kannst ruhig noch bei uns bleiben, Astoria."

Alles in mir zog sich zusammen; mein Herz verzeichnete immer mehr Risse. Es schmerzte; eine Leere machte sich in mir breit. Er zeigte Interesse. Es war eindeutig; er mochte sie. Freiwillig wollte er sie bei sich haben; er fing an sie besser kennenzulernen. Es war das gewesen, was ich wollte. Doch nun; nun schien es mein größter Fehler gewesen zu sein.

,,Schon gut; wir sehen uns ja später, wenn Blaise und Pansy da sind." antwortete sie freundlich. ,,Bis später dann." rief sie noch, als sie bereits wieder hinauf zum Schloss lief.
,,Nun erzähl, Jane." flüsterte er mir zu. Sein Lächeln war so unfassbar hoffnungsvoll; ich wurde ängstlich. Er hoffte noch immer; das wusste ich. Doch ihm nun die Wahrheit zu sagen; es würde alles ändern. Er würde davon ausgehen, dass ich leben würde. Weiter bei ihm bleiben würde; dass ich nicht sterben würde. Doch was wenn die Medikamente nicht wirken würden? Was wenn die Hoffnung so unerträglich wird? Es war offensichtlich. Ich würde sterben; vielleicht nicht heute, morgen oder übermorgen. Doch ich würde sterben. Bald. Was würden mir so einige Jahre mehr bringen? Es würde den Schmerz nur noch stärker machen; sein Herz mehr hoffen lassen; die Vernunft würde untergehen. Jetzt, jetzt könnte er noch leben. Heiraten. Eine Familie gründen. In einigen Jahren; würde ich erst in einigen Jahren sterben, dann wäre es vielleicht bereits zu spät für ihn. Ich war überfordert; wusste nicht was ich nun machen sollte.

Wahrheit oder Lüge? Leben oder Tod?

,,Weißt du, ich bin ziemlich erschöpft." antwortete ich leise. ,,Ich musste einiges an Tabletten einnehmen; ich bin ziemlich müde. Dann noch die schlaflose Nacht-"
,,Schon gut." lächelte er. ,,Komm; ich bring dich zurück in dein Zimmer. Du solltest dich ein wenig ausruhen."
Gemeinsam mit mir auf seinem Schoß stand er auf; trug mich durch den Schnee zurück. Noch während wir durch die Korridore gegangen waren, war ich in seinen Armen eingeschlafen. Die Nacht, die Medikamente, die Überforderung; sie hatten mich tatsächlich unfassbar kraftlos und müde gemacht. Der Schlaf tat gut; ließ mich eine gewisse Zeit vor der Entscheidung entkommen.
,,Was ist passiert?" sprach eine leise Stimme. Ich lag mittlerweile wieder in einem Bett; eine warme Decke lag über mir.
,,Alles in Ordnung; sie ist bloß müde, Pansy." antwortete Draco. Ich hatte meine Augen geschlossen; befand mich in einem Halbschlaf. Ich hörte ihnen zu; kämpfte gegen die Müdigkeit an.
,,Sie wird immer schwächer." wimmerte Pansy leise. ,,Was denkst du wie lange-"
,,Hör auf." unterbrach er Pansy.
,,Entschuldige; es ist nur, ich habe unfassbare Angst. Es fühlt sich an, als würde ich eine Schwester verlieren." antwortete Pansy weinerlich. Ich konnte sie nicht sehen, doch ich wusste, dass Draco sie in seine Arme genommen hatte. Ich konnte es einfach spüren.
,,Du wirst sie nicht verlieren." sprach er ernst.
,,Doch, Draco. Ich weiß, dass du davon nichts hören wirst; doch ihr wird nicht mehr viel Zeit bleiben. Sieh sie dir an. Sie kann sich kaum noch auf ihren Beinen halten."
,,Du irrst dich, Pansy." sagte Draco selbstsicher. Irritiert öffnete ich meine Augen; blinzelte dem Licht entgegen.

,,Ich habe etwas gefunden, dass ihren Krankheitsverlauf verlangsamen wird."

till death do us part - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt