Kapitel 15

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Stille trat ein.
Eine Stille, welche doch so unfassbar laut war.

Der starke Regen peitschte draußen gegen die Fenster, selbst das nervöse Flackern meiner Kerze war zu hören. Draco war wie versteinert; sein Ausdruck war leer. So leer wie noch nie zuvor.
,,Draco-"
,,Nein." unterbrach er mich leise. ,,Nein!" schrie er nun, als er sich auf seine Knie fallen ließ; die Bücherstapel um sich herum um sich warf. Er weinte bitterlich, vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Auch ich konnte mir meine Tränen nicht mehr zurückhalten; nicht meinetwegen, sondern seinetwegen. Zu sehen wie ein geliebter Mensch leidet, stellt wohl den größten Schmerz da, der nur ertragen werden kann. Es ist diese Art von Schmerz, welche Draco nun durchlebt. Er wird mich verlieren; bald.
Ich ging zu ihm, setzte mich neben ihn auf den Boden. Ich war überfordert, ich war ängstlich. Ich hatte furchtbaren Herzschmerz.
,,Ich wollte es dir nicht sagen, doch-"
,,Ich kann dich nicht verlieren, Jane." unterbrach er mich mit zittriger Stimme. ,,Nicht jetzt schon, nicht nach so kurzer Zeit. Ich wollte dich heiraten, ich wollte die kommenden Jahre gemeinsam mit dir verbringen; ich an deiner Seite. Nicht an deinem Grab."
,,Wir wussten Beide, dass es nie so weit gekommen wäre, Draco. Meine Augen verfärben sich viel zu schnell; schneller, als bei meiner Mutter oder meinem Bruder. Mir wird nicht so viel Zeit bleiben wie Ihnen."
,,Es muss einen Weg geben, Jane. Es muss!"
,,Draco-" ich griff sanft an sein Gesicht, zog ihn zu mir. ,,Sieh her. Es ist wichtig, dass du mich ansiehst, dass du es fühlst." Ich nahm seine Hand, strich mit seinen Fingern unterhalb von meinem Auge entlang.

,,Jane, was-"
,,Es verfärbt sich, Draco. Erneut." sprach ich mit tränengefüllten Augen. Ich griff nach meiner Kerze, hielt sie mir nah an mein Gesicht. Mein zweites Auge hatte sich so eben verfärbt; die Tränen aus Blut liefen meine Wange hinunter. Hinunter auf Dracos Hand.
,,Wir können es nicht aufhalten; es passiert, Draco."
,,Nein." sprach Draco angespannt, als er sich den linken Ärmel seines Hemdes abriss; es mir behutsam an mein Auge legte. ,,Ich werde dich nicht aufgeben, Jane. Du wirst diesen Kampf nicht verlieren, hörst du?"
Ich lächelte ein wenig, ließ meinen Tränen freien Lauf.
,,Ich habe nicht verloren, Draco. Ganz im Gegenteil; ich habe gewonnen. Ich habe wundervolle Freunde dazu bekommen, in durfte endlich eine Schule besuchen-" ich griff nach seiner Hand welche noch immer an meinem Auge lag und zog sie sanft weg. Das Blut strömte über meine Wange; hinunter auf den Boden. ,,Ich habe dich getroffen. Ich habe lieben gelernt, ich habe hoffen gelernt. Du bist der einzige Grund warum ich noch hier bin, Draco. Deine Lebensfreude hält mich am Leben; erlischt diese, dann erlischt auch mein Herz. Ich brauche dich bei mir, ich brauche dein Lachen, deine Umarmungen, deine Hoffnung."
,,Ich weiß nicht ob ich das kann, Jane."
,,Du musst nicht dagegen ankämpfen, Draco. Du darfst weinen und auch trauern; doch ich bitte dich darum, es zu akzeptieren. Es ist wichtig. Wichtig für dich." sprach ich weiter. Sein Anblick brach mir mein Herz; meine Ängste spiegelten sich in seinen Tränen wieder.

,,Wie viele Wochen, Jane? Was hat der Arzt gesagt?"
,,Was spielt das für eine Rolle, Draco?" entgegnete ich leise; ein wenig schmerzerfüllt. Draco stand auf, griff nach einem der Bücher; riss eine Seite heraus. Er kramte in den Regalen nach einer Feder; nach Tinte.
,,Wie viele Wochen, Jane?" wiederholte er seine Frage. Ich senkte meinen Blick, konnte durch das Blut kaum noch die eigene Hand vor Augen erkennen.
,,Drei."
Draco verstummte, rang erneut mit seinen Emotionen und Gefühlen. Er setzte sich wieder zu mir; tunkte die Feder in die Tinte.
,,21 Tage; drei Wochen." flüsterte er, als er die Zahlen 1 bis 21 auf das herausgerissene Blatt schrieb. ,,Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dir alles erfüllen kann; doch ich möchte dir zumindest deine Bitte erfüllen. Ich möchte es zumindest probieren..."
,,Draco." wimmerte ich. Ich umgriff sein Gesicht mit meinen Händen; lehnte meine Stirn an seine. Das Blut tropfte weiter auf unsere Hände, wir sahen uns an. Wir weinten, wir lachten; wir trauerten. ,,Du versuchst es; dass ist alles was ich möchte."
,,21 Tage für 21 Sachen, die du-"
,,Sprich es aus, Draco." sprach ich leise.
,,21 Sachen, die du noch vor deinem Tod gemacht haben willst." beendete er seinen Satz mit zitternder Stimme. Ich zog ihn behutsam zu mir, legte meine Lippen auf seine.
,,Danke, Draco."

Seit über einer Stunde saßen wir nun bereits auf dem alten Holzboden der Bibliothek. Es hatte gedauert, doch allmählich waren unsere Tränen getrocknet. Draco bemühte sich um mich; bemühte sich, meiner Bitte nachzugehen.
,,Nummer 13."
Ich lächelte ein wenig, beugte mich zu ihm rüber und flüsterte ihm ins Ohr.
,,Bist du sicher?" lächelte er schwach.
,,Ich bin mir sicher." grinste ich.
,,Nummer 13 - Nackt in den See springen." wiederholte er meine Worte und schrieb sie nieder.
Die Liste füllte sich, sie wurde länger und länger. Meine Wünsche waren recht schlicht und einfach gehalten; doch sie waren realistisch. Es lenkte uns ab, auch wenn der Zweck dieser Liste der wohl traurigste Grund überhaupt war. Eine abgehakte Nummer; ein Tag weniger.

1. Butterbier in Hogsmeade trinken
2. Eine Eule kaufen
3. Erneut im Regen tanzen
4. In die Muggelwelt reisen
5. Das Grab meines Bruders besuchen
6. Patronus-Zauber heraufbeschwören
7. Eine Nacht unter freiem Himmel verbringen
8. Kitschigen Liebesbrief verfassen
9. Sich blamieren
10. Einen Baum pflanzen
11. Sex haben
12. Unterricht schwänzen
13. Nackt in den See springen
14. Doppeldate mit Pansy & Blaise
15. Quidditch spielen
16. Malfoy Anwesen besuchen
17. Eislaufen
18. Neue Sprache lernen
19. Zukunft besprechen
20. Campen gehen
21.

21 Tage. Es sollten noch 21 Tage sein. Dass es durchaus weniger sein würden, wussten wir noch nicht. Wir würden es nicht schaffen die Liste abzuarbeiten; wir würden den Kampf gegen die Zeit verlieren. Ich würde verlieren.

Nach 20 Punkten fiel mir nichts mehr ein; so schrieb Draco für mich weiter. Er lächelte ein wenig, überreichte mir die nun vollständige Liste.
,,Heiraten?" sprach ich als ich mir die Liste das erste Mal durchlas. ,,Nummer 21 haben wir nicht so besprochen, Draco."
,,Würdest du es denn wollen? Würde uns mehr Zeit bleiben?"
,,Natürlich, Draco." wimmerte ich mit tränengefüllten Augen. ,,Doch, es geht nicht. Ich-"
,,Dann machen wir es offiziell." fuhr er fort und griff nach meiner Hand; er zog mich zu ihm in den Stand. Er wischte mir mein Blut weg, strich mein Haar sanft hinter mein Ohr.
,,Draco, was-"
Er legte seine Finger auf meine Lippen, unterbrach meine Worte. Er ging auf die Knie, holte einen Ring aus seiner Jackentasche hervor.

,,Was; woher-"
,,Das spielt keine Rolle, Jane." unterbrach er mich mit ernster Miene. ,,Ich habe ihn, seit du mir gesagt hast, dass du mich liebst. Ich habe es ernst gemeint; ich wollte und will dich noch immer heiraten. Ich hatte mir mehr Zeit erhofft; wesentlich mehr. Doch wir spielen gegen die Zeit, daher werde ich nicht warten. Du wolltest keinen Witwer hinterlassen, doch ich möchte dich nicht gehen lassen, bevor du meinen Namen trägst; bevor du eine Braut sein konntest."
,,Draco." flüsterte ich mit stockender Stimme. ,,Was ist mit dem Traum? Ich starb in meinem Brautkleid."
,,Nein; das wirst du nicht. Es war ein Alptraum, es war nicht unsere Zukunft, Jane. Wir sind nicht lange zusammen, ich weiß; wir haben uns erst vor wenigen Tage unsere Liebe zueinander gestanden. Es geht schnell, doch kann es zu schnell gehen, wenn wir gegen die Zeit ankämpfen müssen, Jane? Wenn die Zeit beinah abgelaufen ist?"
Ich verstummte, wischte mir meine Tränen weg.
,,Nur du und ich für den Rest unseres Lebens. Du und ich für die nächsten drei Wochen. Als Mann und Frau; als Mr. und Ms. Malfoy."
,,Draco, ich kann nicht-"
,,Du kannst, Jane. Du brauchst dich nicht um mich sorgen; dich auch nur einen Tag lang meine Frau nennen zu dürfen, würde mir meine Lebensfreude; meinen Glaube an das wahre Leben zurückbringen. Ich bin verrückt nach dir, ich liebe dich mit jeder Faser meines Herzens, Jane." stotterte Draco mit Tränen in den Augen.

,,Somit frage ich dich, ob du an meiner Seite stehen willst; als meine Frau, als meine Ehefrau, Jane. Ich frage dich; möchtest du mich heiraten?"

till death do us part - Draco MalfoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt