𝗗𝗿𝗼𝘄𝗻 ✧ CHANLIX

seventy six 🌊

Unerwarteter Weise zwang sich Felix zu einem normalen Leben, während er trauerte, was selbst den Älteren überraschte. Denn er konnte sich erinnern, dass der Jüngere nach dem Tod seiner Schwester kaum mehr in die Schule gegangen war, sich in seinem Zimmer eingeschlossen hatte und ihn mehrere Male sogar anschrie, dass er ihn in Ruhe lassen sollte. Für immer und ewig. Und das hatte Chan damals derartig aus der Bahn geworfen, dass er sich selbst zurückgezogen hatte. Er wusste nicht, was er tun sollte und als Felix weggezogen war, schien alles plötzlich anders zu sein. Etwas war ihm entrissen worden. Die Gewissheit, wie es seinem australischen Freund ging und das hatte recht schnell dazu geführt, dass er sich selbst zurückzog und nicht mehr redete. Allein die Bilder, die ihn an den Brand erinnerten, hatte er stets versucht aus seinen Erinnerungen auszulöschen. Nur schien er sich noch ziemlich lang daran noch erinnern zu können, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte. Chan hatte sie nie vergessen. Chan hatte Felix nie vergessen und doch schien dieser sich gewandelt zu haben. Früher war Felix ein Sonnenschein und jetzt konnte man es nur erahnen, dass es sich hierbei um dieselbe Person handelte. Denn der Schmerz hatte den Brünetten allemal verändert, ihn geprägt und genauso war es auch bei Chan gewesen.

„Ich habe Angst, Chan.", hallte es in seinen Ohren. „Ich habe so große Angst, dass ich es nicht verkraften werde." Zunächst hatte er gedacht, dass er sich es eingebildet hatte, aber der Kopf von Felix lag auf seiner Schulter, als sie im Bus saßen, auf dem Weg zum Friedhof. Seitdem er sich erinnern konnte, hörte er Felix' Stimme häufiger. Dieselben Worte, die ihn eine Gänsehaut bescherten.

Ich habe solche Angst.

Irgendetwas stimmt nicht.

Werde ich sterben, Channie?

Aber ich möchte doch nicht sterben... Ich bin viel zu jung dafür.

Ich bekomme keine Luft mehr...

Was passiert, wenn ich es nicht schaffe?

Und jedes Mal schüttelte Chan seinen Kopf, wie er es damals tat. Mit Tränen in seinen Augen, doch mit noch so großer Hoffnung meinte er mit fester Stimme: „Du wirst nicht sterben, Lix... Das werde ich nicht zu lassen..." Bis heute würde er ihn nicht gehen lassen, wenn er wieder dasselbe durchleben würde. Und so hatte er auch diese Worte leise vor sich hingesagt, bekam einen verwirrten Blick seines Freundes, der seinen Kopf aufrichtete und seine Stirn runzelte.

„Was?"

Chan kam in Erklärungsnot, denn er hatte ihm bis heute nicht gesagt, dass er seine Erinnerungen zurückbekommen hatte. Felix sollte erst einmal über den Verlust von Hyunjin hinwegkommen und erst dann würde er ihn damit konfrontieren. Das wäre eine durchaus klügere Entscheidung seiner Meinung nach gewesen.

„Ich bin bei dir, meinte ich damit...", presste er hervor und zum Glück schien Felix ihm auch zu glauben, sodass er seinen Kopf wieder auf seine Schulter legte. Jedoch spürte er, wie seine Brust zog, die Tränen aufkamen und seine Atmung dementsprechend auch unruhiger wurde. Er wusste nicht genau woher dieses Gefühl kam. Weswegen er jetzt still weinte und sich unfassbar hilflos fühlte. Aber er konnte einfach nicht anders. Er war überfordert mit allem. Es passierte so viel in der kürzer der Zeit, dass er keine ruhige Minute zum Atmen bekam, denn er wusste, dass bald schon der nächste Tod auf ihn warten würde, den er zu verkraften hatte. Sein Studium hatte er schon seit dem Tag, als die Ärzte meinten, dass Hannah sehr bald sterben würde, als nicht mehr wichtig empfunden und ließ es dementsprechend erst einmal schleifen. Es war keine Alternativ, das wusste er selbst. Jedoch brauchte er Zeit. Sonst würde er kaputt gehen und nach einem großen Gewissenskampf hatte er sich entschieden, dass seine mentale Gesundheit wesentlich wichtiger war, als irgendeinen akademischen Abschluss so schnell wie möglich in der Tasche zu haben. Es machte niemanden glücklich, vor allem einen selbst nicht.

Aber auch das hatte Chan erst einmal lernen müssen.

„Und ich werde dich nie wieder gehen lassen... Das musste ich schon einmal und ein zweites Mal werde ich das nicht tun, Felix."