Ich hatte eine Entscheidung getroffen, als ich aus dem Auto von Judith stieg. „Ich werde nicht ins Krankenhaus gehen.", meinte ich und schaute kurz zu ihr.
„Ich danke euch allen und vor allem Theo, ihr habt mich gerettet, aber das war es. Mit dem heutigen Tag ziehe ich ein Schlussstrich. Ich bin hierhergezogen, weil ich mein Abi machen wollte, einfach das letzte Schuljahr hinter mir bringen, aber stattdessen wurde ich heute fast getötet."
Sie schüttelte den Kopf als ich das sagte. „Ava ich bitte-„ „Richte ihm das aus und den anderen. Ich verdanke euch mein Leben.", unterbrach ich sie und drehte mich um.
Mein Herz zerbrach, aber ich konnte nicht anders. Ich dachte der Tod meiner Eltern wäre der schlimmste Tag in meinem Leben gewesen aber dieser Tag toppte weitaus alles bis jetzt. Ich wurde entführter, belästigt, geschlagen, verletzt und fast getötet. Und warum? Weil Theo jemanden aus einem anderen Rudel getötet hat.
Meine Haustür stand offen und tatsächlich wunderte es mich nicht, wahrscheinlich haben sie hier zuerst nach mir gesucht. Ich blickte kurz nach hinten, um zu schauen ob Judith da noch stand und so war es auch. Sie bewegte sie nicht und starrte mich einfach an, wahrscheinlich war sie fassungslos.
Ich ging rein und schloss die Haustür hinter mir. Danach rannte ich sofort ins Badezimmer und übergab mich lautstark. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln und machte mich kurz frisch.
Das Kleid ließ ich im Badezimmer zurück und ging ins Schlafzimmer, dort zog ich mir eine Jogginghose und einen weiten schwarzen Pullover an. Ich fand ein Haargummi auf meinem Nachttisch und band meine Haare zu einem Dutt.
Mein Blick fiel auf den Fotorahmen an der Wand, darin war ein Bild von meinen Eltern. „Es war die falsche Entscheidung. Ich kann eurem Wunsch nicht nachkommen."
Ich ging in den Flur zurück und hob die erste Skulptur, die ich mit meiner Mutter zusammen gemacht hatte von der Erhöhung. Vorsichtig drehte ich sie herum und machte den Boden ab. Ich nahm die Kreditkarten und die anderen Unterlagen heraus und steckte sie mir in die Jogginghose.
Danach ging ich zum Haustelefon und rief mir ein Taxi. Ich versicherte mich das ich alles verriegelt hatte. Es hupte und ich holte tief Luft, zog mir schnell die Schuhe an und verließ mein zu Hause, erneut.
Judith stand nach wie vor da und als sie mitbekam das ich ins Taxi stieg, rannte sie schnell um ihr Auto herum und stieg auch ein. „Zum Flughafen.", sagte ich und der Taxifahrer blickte kurz in den Rückspiegel. „Sie sehen nicht gut aus." „Ich würde besser aussehen, wenn sie mal langsam Gas geben würden!"
Die Taxifahrt war lang und mein Körper kam zur Ruhe, weshalb wohl auch die Schmerzen zurückkamen. In meinen Augen sammelten sich Tränen und ich schaute wieder aus dem Fenster. Ich versuchte mich zu konzentrieren und an etwas positives zu denken aber mein Kopf war einfach voll mit dem heutigen Tag.
„Wir werden verfolgt.", sagte der Taxifahrer und ich schaute kurz nach hinten. „Keine Sorge, ich kenne sie und uns wird schon nichts passieren.", murmelte ich.
Ich bezahlte mit Kreditkarte und stieg schnell aus. Der Flughafen war voll und ich versuchte mich schnellstmöglich unter die Menge zu mischen damit Judith mich nicht aufhält.
„Kann ich Ihnen weiterhelfen?", fragte mich die freundliche Dame am Ticketschalter und ich nickte. „Ein Flug bitte für sofort." „Und wohin?", hakte sie nach und ich zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal.", sagte ich schnell und blickte mich um. Ich beruhigte mich etwas als ich feststellte das ich Judith nirgends sehen konnte.
„Bremerhaven?" „Jaja.", meinte ich und drückte ihr die Kreditkarte in der Hand. „Soll ich die Polizei verständigen? Werden Sie verfolgt?" „Nein werde ich nicht, nur beeilen Sie sich bitte!"
Sie war skeptisch aber überreichte mir alle Papiere, nachdem ich ihr meinen Pass gezeigt hatte. „Guten Flug!", wünschte sie mir noch und ich machte mich schnell aus dem Staub. Mein Blick glitt immer wieder erneut über die Menge und ich beeilte mich zu meinem Gate zu kommen.
„Gate 9.", murmelte ich immer wieder vor mir hin und quetschte mich durch die Menge. „Gate 9." Etwas verwundert verlangsamte ich meinen Schritt als ich am Gate ankam. Durch die riesigen Glasscheiben sah ich das Flugzeug und ich dachte eigentlich das Flugzeuge größer waren.
Ich rieb mir die Stirn und zeigte der Dame mein Ticket. „Ein Sonderflug, viel Spaß.", sagte sie lächelnd und jetzt wurde ich doch misstrauisch. „Wie bitte?" „Sie haben einen Sonderflug mit wenig Passagieren gebucht. Wahrscheinlich fliegt eine wichtige Person mit deshalb darf nur eine begrenzte Personenzahl mit."
„Begrenzt?", hakte ich nach und schaute mir das Ticket genauer an. Ich kam ins Stocken als ich eine maximale Personenanzahl von fünf entdeckte. „Das ist ein Privatflugzeug.", sagte sie und schaute mir in die Augen. „Natürlich.", sagte ich und machte kehrt. „Judith hat ihre Augen und Ohren überall!"
Ich rannte los, in meinem Kopf ratterte es wie verrückt und ich machte mir Gedanken wie ich hier wegkam ohne aufsehen zu erregen. Mir kam ein Geistesblitz und ich ging schnell auf die Dametoilette. Eine ältere Dame wusch sich gerade ihre Hände und sie hatte einen Koffer dabei, ein Glück!
„Entschuldigen Sie, aber ich brauche frische Kleidung! Ich habe mich eingepullert, wissen Sie ich habe eine schwache Blase!", log ich. Sie wusste gar nicht was los war als ich ihr den Koffer aus der Hand nahm.
„Tut mir echt leid!" Sie schrie mich an und machte verschiedene Handbewegungen, aber ich kannte die Sprache, die sie sprach, nicht. „Sorry!", meinte ich nur und kramte in ihren Koffer herum.
Ich entdeckte einen beigen bodenlangen Mantel, eine schwarze weite Stoffhose und den passenden Stoff Hut dazu. „Modisch und doch nicht zu auffallend. Perfekt!" Ich zog mich vor ihr um und dankte innerlich Gott das die Klamotten nicht allzu groß waren. „Danke!", sagte ich und lächelte ihr kurz zu.
Danach verließ ich die Damentoilette und versuchte mich möglichst unauffällig zu verhalten. Ich konnte weder ein Flug buchen oder mir ein Taxi nehmen.
Wenn Theo so ein großes Rudel hatte, konnte ich hier keinem vertrauen. Ich musste erstmal aus dem Flughafen raus und mir irgendwo eine Mitfahrgelegenheit sichern. Draußen angekommen rutschte mir das Herz in die Hose, ich erkannte einige vom Rudel und ging sofort in die entgegengesetzte Richtung.
Als ich weit genug weg war schaute ich mich gründlich um und ich sah, wie in einem Lieferwagen Kisten eingeladen wurde. „Bingo!" Ich wartete einen Moment ab und als keiner weit und breit war nahm ich die Beine in die Hand und stieg hinten ein. Ich machte mich klein und verkroch mich nach ganz hinten.
Der Lieferwagen wurde weiter beladen und als die Türen zugemacht wurden atmete ich erleichtert auf.
Ich wurde nicht entdeckt!
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Wolfsblume
WerewolfAuf den ersten Blick sieht Ava aus wie eine normale junge Frau. Doch hinter ihren roten Haaren und braunen Augen verbirgt sich eine gebrochene Tochter, die vor kurzem ihre Eltern verloren hat. Gezwungen von der neuen Situation und auch wegen dem let...