Missmutig sah Minerva auf die regennassen Pflastersteine zu ihren Füßen. Selten hatte sie sich so wenig an der Pracht von Hogsmeade erfreut wie heute. Für gewöhnlich fühlte sie sich in dem kleinen Dorf, dessen Häuser vom Fundament bis zu den windschiefen Giebeldächern alleine von Magie zusammengehalten wurden, zuhause, mehr noch – geborgen. Doch den schwarzen Wolken in ihren Gedanken konnte sie nicht entfliehen, egal wohin ihre hastigen Schritte sie trieben. Eine Mischung wütender Sorge hielt sie fest im Griff und trübte die Sicht auf bunte Ladenfassaden und schmale Gassen mit ihrem imaginären Schleier.
»Irgendwie beruhigend, dass es hier aussieht, wie immer«, sinnierte Elphinstone zu ihrer Seite. »Egal wie lange mein letzter Besuch her ist, es fühlt sich jedes Mal an wie eine Heimkehr.« Sein Blick schweifte über die dichtgedrängten Häuser und darüber hinaus, zu dem großen Schloss, das auf den grünen Hügeln hinter dem Dorf ruhte. Er seufzte wehmütig und eine Spur Traurigkeit offenbarte sich in seinem Lächeln. »Damit ist es wohl offiziell – ich bin ein alter Besen, so wie ich der Nostalgie nachhänge.«
Für gewöhnlich hätte Minerva ihm widersprochen, vielleicht einen leichtherzigen Witz eingeflochten oder ihn mit einem Zwinkern daran erinnert, dass sie zu ihrem Glück knapp zehn Jahre trennten, doch in Folge dieses Vormittags hatte sie keinen Sinn für eine unbekümmerte Unterhaltung. All ihre Gedanken drehten sich einzig um die Spur zu Jonathan Alditch und was als Nächstes zu tun war. Getrieben von dem Drang, etwas zu unternehmen, zuckte sie nur mit den Schultern und lief weiter.
Eilig schloss Elphinstone zu ihr auf. »Weißt du, im Gegensatz zu Mulciber habe ich kein Problem damit, von dir gerettet zu werden. Also danke, Minerva, dass du mir das Leben gerettet hast – mal wieder.« Er lächelte versöhnlich. »Abgesehen davon bin ich froh, dass du dich augenscheinlich noch an meine Regel Nummer drei erinnerst. Rückzug vor Stolz. Es ist nie verkehrt, zu wissen, wann man unterlegen ist.«
Minerva lief es alleine bei der Erinnerung an Rowles versuchten Todesfluch kalt den Rücken hinab. »Du hättest das Gleiche für mich getan«, stellte sie nüchtern fest, denn daran zweifelte sie nicht. »Kein Grund also, mir zu danken. Ich habe nur von einem der Besten gelernt.«»Manchmal habe ich nicht das Gefühl, dass du irgendetwas von mir hättest lernen können. Vor allem nicht, was Zauberei angeht.« Mit einem Funkeln in den Augen betrachtete er sie von der Seite. »Was auch immer du mit diesem Bannzauber angestellt hast, war unglaublich. Und mutig ... fast schon ein wenig zu sehr.« Aber die Anerkennung in seiner Stimme war unverhohlen. »Ich vergesse immer wieder, dass du eine waschechte Gryffindor bist.«
»Nicht jeder aus dem Hause Gryffindor hat mehr Glück als Verstand«, rutschte es Minerva unwirsch heraus. »Im Übrigen könnte ich dasselbe über dich sagen. Nicht gerade der typische Slytherin, was die verblendeten Reinheitsfantasien angeht.«Elphinstone seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das inzwischen äußerst unordentliche blonde Haar, wobei er einen Rest Aschenstaub darin verteilte. »Was das angeht –«
Doch Minerva war nicht bereit, ihre Unterhaltung in dieser Hinsicht fortzusetzen. »Schon gut. Du kannst nichts für dein Haus und ich nichts für meines. Ich weiß, dass du nicht ... so einer bist.« Damit setzte sie ihren Weg in Richtung Hogwarts schweigend fort.Er hob an, etwas zu sagen, bevor er schlussendlich wortlos ausatmete und seine Aufmerksamkeit stattdessen den vollgestopften Schaufenstern mit magischen Kuriositäten widmete, die sie raschen Schrittes passierten. Hin und wieder ließ er sich zu einem neuerlichen ungezwungenen Kommentar hinreißen, wie bei einem auf den ersten Blick leer anmutenden Tarnumhangladen (»Fast so eine bescheidene Idee wie die unsichtbaren Bücher bei Flourish und Blotts«), aber Minerva reagierte bloß mit einem gelegentlichen Nicken. Im Kopf ging sie unterdessen all ihre Möglichkeiten durch, die Entführer dingfest zu machen.
Auf Hilfe aus dem Ministerium baute sie nicht, trotz neuer Erkenntnisse. Vielleicht wenn sie sich direkt an jemanden aus dem Aurorenbüro wenden würden ... die Auroren waren deutlich handlungsfreudiger als die durchschnittlichen ministeriellen Schreibtischhelden. Dort hielt man sich nicht mit Formularen auf. Von Mulciber hingegen erhoffte sie nichts. Und im schlimmsten Fall ... würde sie noch einmal auf Albus zugehen. Wenn jemand einen gewissenhaften Blick auf die Geschehnisse in der magischen Gemeinschaft Großbritanniens hatte, dann er, ein Vorsitzender des Zauberergamots.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...