12 | Gefälligkeiten

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Verloren, angesichts der gewaltigen Macht aus Marmor, Gold und der rechten Prise uralter Magie, standen Minerva und Elphinstone wenig später im Foyer von Gringotts. Um sie herum herrschte geschäftiger, aber dennoch diskreter Betrieb. In der Zaubererbank waren die Kobolde die höchste Instanz, ein Umstand, den sie voll auskosteten. Allein ihre grimmigen Blicke von den Emporen herab verlangten den Bittstellern unter ihnen Respekt ab. So war es wenig verwunderlich, dass man sie beide warten ließ, zumal sie sich nicht angekündigt hatten.

Minervas Aufmerksamkeit war ohnehin gefangen von dem Pergament in ihren Händen. Wiederholt las sie die Worte, die sich ihr schon nach dem ersten Mal eingebrannt hatten. Zeilen so voll von kaum verhülltem Hass, dass es ihr unerklärlich war, wie überhaupt jemand diese Botschaft hatte verbreiten können. Sie bereute kein bisschen, dass sie sämtliche von Druella Blacks Flugblättern in Schmetterlinge verwandelt hatte. Nur dieses eine, das unbeachtet von Pippa zu Boden gesegelt war, hatte der Zauber nicht eingeschlossen.
Sie verstand nun besser, warum ihre beiden Gryffindor-Schülerinnen so wütend gewesen waren, obwohl sie ihren Zorn an der Falschen ausgelassen hatten. Immerhin konnte Narzissa nichts für ihre Familie, selbst wenn der Apfel meist nicht weit vom Stamm fiel, wie die Muggel sagten.

Der knappe Text auf dem Flugblatt erzählte von niederen Muggeln, die Magie missbrauchen würden und vom angeblich reinen Blut, das es zu bewahren galt. Doch nicht nur das – aus den altbekannten Forderungen hatten sich konkrete Pläne erwachsen die ‚Unterdrückung' der Reinblüter endgültig zu beenden. Nach der Macht zu greifen. Ganz ohne Bescheidenheit verkündete dieser Lord Voldemort, dessen Name so präsent über allem stand, den Anbruch eines neuen Zeitalters. Grausamkeiten gekleidet in den Deckmantel vollmundiger Versprechungen einer strahlenden Zukunft, die sie anderen rauben würden, wie Minerva befand.

»Völlig übergeschnappt«, murmelte sie zum wiederholten Male und fing bereits erneut an, das reißerische Pamphlet unterhalb der nicht minder drastischen Überschrift »Magie ist Macht« zu lesen, immer noch in der Hoffnung, einen Funken Verstand zwischen den Zeilen zu finden.
Weit kam sie nicht, bevor Elphinstone ihr das Pergament bestimmt entzog. Überrascht hob sie den Blick und sah, wie er den Zauberstab darauf richtete. Er schnippte einmal und in einer blauen Stichflamme verging das Flugblatt.

»Hey, das war ein Beweis!«
»Beweis für was? Dass mein Schwager ein größenwahnsinniger Trollarsch ist?« Elphinstone lehnte an einer polierten Marmorsäule und schob unter den strengen Blicken des Sicherheitskobolds den Zauberstab zurück in den Umhang. »Das wusste ich vorher schon, seit meine liebe Schwester ausgerechnet ihn heiraten musste. Glaubst du ernsthaft dieser ... Wisch würde irgendwas daran ändern, dass Mulciber ihn nach einem Klaps auf die Finger wieder gehen lässt? Ich kenne die beiden lange genug.«

Ihre leeren Hände ballten sich zu Fäusten. »Wunderbar. Lass mich raten, alles alte Schulfreunde, wie jedes Mal, wenn es um die üblichen Kreise geht.«
»Ja«, sagte er ruhig. »Mulciber und Rosier waren bereits zu meiner Schulzeit sehr gut befreundet. Mir gefällt das genauso wenig wie dir, das kannst du mir glauben, nicht zuletzt weil meine Schwester involviert ist. Aber es bringt unserem Fall nichts, sich in diese Sache hineinzusteigern.«

»Und deswegen sehen wir jetzt einfach weg?« Es war, als hätte sich die Asche des Flugblattes auf Minervas Zunge gelegt. »Das ist nicht länger irgendein Spinnkram, der in kleinen Kreisen die Runde macht! Ich meine ...« Sie gestikulierte hilflos in die Luft, wo das Pergament soeben ins Nichts verbrannt war, »die arbeiten an einer Welt, in der sie ihre ‚Macht' ausüben können. Was meinst du, wie sie das durchsetzen werden? Mit netten Worten?«
Elphinstone verschränkte die Arme. »Ich bin mir durchaus bewusst, woran diese Leute sind und wie sie im Ministerium versuchen, ihren Einfluss auszuüben. Die Existenz dieses hasserfüllten Flugblattes alleine wird ihnen diesen Weg auch nicht versperren. Dafür sind es zu viele, die ähnliche Interessen teilen, wie Mulciber.«

Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt