Der nächste Observationstag brachte noch mehr Regen mit sich. Dicke Tropfen - von der Sorte, die einem zielstrebig im Nacken landete, und sich anfühlte wie die unheilvolle Berührung eines Dementors - fielen seit dem frühen Morgen vom Himmel. Liebend gerne hätte Minerva dagegen Magie eingesetzt, doch zur Tarnung (heute jünger und mit blonden Haaren) blieb ihr nur, sich ebenfalls unter einem Regenschirm zusammenzukauern. Das war zumindest besser als der Vormittag, den sie in Animagusgestalt verbracht hatte, bis man ihr Fell einem Wischmopp gleich hätte auswringen können. Dennoch zogen sich die Stunden so zäh wie des Honigtopfs beste Siruplollis.
Ihre Hoffnungen, dass Mulciber bald mit einer Abordnung Auroren kommen würde, schwanden mit dem Tageslicht dahin. Im Morgengrauen hatte er ihnen über das Flohnetzwerk berichtet, dass sich Reinblüter an der Westminsterbrücke mitten in London sammelten und das Ende ihrer angeblichen Unterdrückung gewaltsam einforderten. Mulcibers Beteuerungen zur Folge würden die vereinten Ministeriumskräfte zunächst den Aufstand unter Kontrolle bringen, ehe sie in Leeds eingriffen. Doch von der versprochenen Eule mit dem Befehl zur Ergreifung der Entführer fehlte seither jegliche Spur am grauen Himmel.
Wenigstens trug Minerva den fertigen Schutztrank gegen den Melionwurzbann bei sich. Jede Minute, die sie jetzt noch untätig verbrachten, empfand sie grob fahrlässig. Von dem Wunsch getrieben, endlich zuzuschlagen, drehte sie die ungewohnt langen Locken um ihren Zeigefinger und tastete immer wieder nach dem Zauberstab an ihrem Unterarm.
Elphinstone hatte seine Unruhe weit besser unter Kontrolle. Vermutlich trug die Euphorie über die Muggelerfindungen, die er bewundern durfte, dazu bei. Minerva ertappte ihn, wie seine Schritte immer kleiner wurden, bis er schließlich vor der Auslage des heute geöffneten Elektronikgeschäfts zum Stehen kam. Ein einzelner Fernseher, dem Preisschild zufolge das neuste Farbmodell für 300 £, thronte dort auf einem Podest und zeigte das Nachmittagsprogramm. Diese Geräte waren Minerva zwar nicht unbekannt, aber ihre Eltern hatten erst weit nach ihrem Auszug eines angeschafft, sodass sie herzlich wenig Ahnung hatte, was es zu sehen gab.
Neugierig musterte sie neben Elphinstone die Szene. Gestalten in grünen, schuppenbesetzten Anzügen rannten durch die Gegend und lieferten sich ein Duell mit einem älteren Mann, der mit einem Metallstab herumwedelte, nicht unähnlich einem Zauberstab. Doch die Echsenwesen waren nichts gegen die vermeintliche Notrufzelle, in die der Herr flüchtete. Anstatt in ein karges Inneres stolperte er in einen riesigen Raum, der voller blinkender Flächen und Hebel war. Wenig später flog das blaue Holzhäuschen vor Sternennebel durch die Tiefen des Universums.
»Muggel im Weltall, Merlin bewahre uns«, murmelte Elphinstone. »Die Menschheit schafft es ja nicht einmal auf dieser Erde, sich nicht zu bekriegen.«
Minerva lachte auf. »Ich glaube, du willst gar nicht wissen, was die Muggel schon alles angestellt haben.« Aber selbst sie beschlich ein eigenartiges Gefühl bei der Vorstellung. Die Sterne waren ihr stets so unerreichbar erschienen, ein Mysterium, in dem - eventuell - ihr Schicksal geschrieben stand. Zumindest wenn man den Zentauren glaubte. Doch es gab nichts, was die Muggel zurückhielt, den letzten Schleier des Unerklärlichen zu lüften.»Sag mir nicht, dass es schon fliegende Notrufzellen gibt!«, rief Elphinstone ein wenig zu laut und sah sie aus großen Augen an.
Schnell schüttelte sie den Kopf. »Das nicht, aber riesige, fliegende ... Metallkonstrukte, die sie bis zum Mond bringen.«
»Ja klar - und ich fliege auf meinem Sauberwisch sechs da hoch und hole mir ein paar Mondfrösche, gleich nachher.«Minerva schenkte ihm einen durchdringenden Blick, von der Sorte, die sie sonst für Kinder aufhob, denen mal wieder unkontrollierte Funken aus dem Zauberstab hervorschossen.
»Du hältst mich doch zum Troll, oder?« Der Blick von Elphinstone wanderte gen Himmel, an dem außer Regenwolken nichts zu erkennen war. »Ich meine ... der Mond?«
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanficAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...