03 | Staubige Spur

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Minerva zögerte nicht lange. Vestigiator und Zauberstab wieder in der Umhangtasche verstaut, verwandelte sie sich zurück in ihre fellige Animagusgestalt und huschte zum Treppenabsatz, um nach dem Besuch Ausschau zu halten. Sie hoffte, dass niemand Ungebetenes auftauchte.
Das Geräusch war definitiv eine apparierende Person gewesen. Sie hatte es oft genug in ihrem Leben gehört, den kurzen Knall, wenn die Luft erschrocken vor dem plötzlichen Auftauchen eines Menschen zurückwich.

Im Halbdunkel des Hauses hatte sie den Vorteil auf ihrer Seite. Wer auch immer gleich hereinkommen würde, sie würde die Person zuerst sehen. Angespannt spähte sie in den Flur hinab, den kleinen Katzenkopf auf den Boden gepresst.
Für den Bruchteil einer Sekunde bemerkte sie einen herben Geruch nach rottendem Laub, der so gar nicht zu der gepflegten Einrichtung passte, schob den Gedanken dann aber beiseite. Sie hörte undeutliches Gemurmel und sah, wie sich der Türknauf wie von Geisterhand bewegte.

Zunächst schob sich die Spitze eines Zauberstabs in den Flur, darauf folgte ein kleiner Mann mit flachsblondem Haar, der in einen dunklen Umhang gehüllt war. Er sah sich langsam um, ehe er wortlos den Stab aufleuchten ließ.

In ihrer menschlichen Gestalt hätte Minerva gelächelt. Sein Anblick erfreute sie mehr, als sie erwartet hatte. So aber schlich sie nur unbemerkt auf ihren Samtpfoten einige Stufen die Treppe hinab. Ihr Geruchssinn informierte sie ohne Zweifel, wer der plötzliche Besucher war. Die Aura blassblauer Magie, die ihn umgab, war ebenso unverkennbar und wohl bekannt.
Ein weiterer Vorteil ihrer Animagusgestalt. Die Sinne einer Katze betrog man nicht so einfach mit Illusionszaubern oder Verwandlungstränken. Sie hatten Instinkte, von denen viele nicht einmal ahnten. Und die meiste Magie, die Menschen austrickste, hatte auf Katzen, aber auch andere Tiere, kaum Wirkung.

Der Zauberer hatte Minerva immer noch nicht bemerkt, obwohl sie ihn geradewegs aus ihren leuchtenden Augen ansah. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Muggelküche zu mustern. Das gab ihr wiederum Zeit, in Ruhe seine Erscheinung zu begutachten.
Er trug einen altmodischen, grauen Anzug unter seinem Umhang, der vor zwanzig oder dreißig Jahren modern gewesen sein musste. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater so einen zu besonderen Anlässen getragen hatte. Aus Erfahrung wusste sie allerdings zu gut, dass der Besucher immerzu so herumlief, seit er eine Anzeige dafür in einem Muggelmagazin gesehen und Gefallen daran gefunden hatte.

Elphinstone Urquart war eben ein Zauberer aus einer Dynastie an Reinblütern und vermutlich war es ihm schon hoch anzurechnen, dass er keine Badehose zu dem Jackett trug, wie manch anderer. Minervas alter Freund sah genauso aus, wie bei ihrem letzten Treffen, wenn man einmal von dem gemütlichen Bauchansatz absah, der sich mittlerweile unter seiner Anzugweste breitmachte.

Maunzend machte sie ihn auf sich aufmerksam. Blitzschnell richtete er seinen Zauberstab auf sie. Ein ungesagter Zauber glühte bereits an der Stabspitze auf, als er überrascht blinzelnd innehielt, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach.
»Oh Merlin, Minerva, willst du einen Geist aus mir machen?« Lässig wedelte er mit dem Stab und der unfertige Zauber löste sich auf.

Die Katze senkte sich gelassen auf ihre Hinterläufe. In einer fließenden Bewegung schoss aus ihr wieder ihre menschliche Gestalt hervor, eine junge Frau mitsamt dunkelgrünen Umhang und ihrem liebsten schottenkarierten Schal. Sie trug ein zufriedenes Lächeln zur Schau.

»Kommt drauf an, wo du spukst, Elphinstone. Den unmöglichen Bürokraten im Ministerium kannst du gerne bis in alle Ewigkeit hinterherspuken. Die hätten einen nervigen Hausgeist wirklich verdient. Manchmal überlege ich, ob wir Peeves nicht irgendwie dorthin locken können.« Der unsägliche Poltergeist hatte ihr in knapp zehn Jahren Lehre in Hogwarts mehr als einmal Kopfschmerzen eingebrockt. Ihn ausnahmsweise im Ministerium wüten zu sehen, würde ihr insgeheim große Freude bereiten. Nicht, dass sie das jemals ihren Schülern und Schülerinnen gegenüber zugeben würde.

Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt