Das entfernte Rauschen des Meeres begrüßte Minerva, als sie und Elphinstone mit einem kleinen Knall auf einem Feld am Rande von Caithness apparierten. Zufrieden nahm sie einen tiefen Atemzug der salzigen Seeluft. Sie hatte ihrer Heimat lange keinen Besuch mehr abgestattet. Der Wind war eine Wohltat, nachdem sie den ganzen Vormittag in staubigen Büchern verbracht hatte.
»Willkommen in Caithness.«Aufmerksam wanderte Elphinstones Blick neben ihr über die ländliche Gegend im Licht der schwindenden Sonnenstrahlen. In seinem feinen – und muggelgerechten – Anzug nebst dunklem Wollmantel sah er ziemlich unpassend vor der Kulisse des Ackerlands aus. Das schien ihn aber wenig zu stören, so interessiert, wie er die Felder musterte.
»Ah, ich fühle das Meer«, seufzte er, ohne Anstalten zu machen, ihr den Arm zu entziehen, nachdem er sich für das Seit-an-Seit-Apparieren bei ihr untergehakt hatte. »Mir gefällt's. Kein bisschen wie London. Da verstehe ich doch glatt, wieso du es nie dort ausgehalten hast. Nichts geht über den guten alten schottischen Wind, vor allem wenn man Stunden am Schreibtisch verbracht hat.«
Sie schmunzelte. »Na komm. Wir haben leider nicht den ganzen Tag Zeit, mein Heimatdorf zu bewundern.«Der Weg zum Haus ihrer Eltern war nicht weit. Sie lebten in einem kleinen Pfarrhaus nahe der Kirche, am Rande des Ortes. Nur wenige Leute waren zu dieser Zeit im Dorf unterwegs, was Minerva recht war, denn Elphinstone zog unweigerlich Blicke auf sich. Nicht nur aufgrund seiner vornehmen Kleidung, sondern einfach schon, weil ihn niemand hier kannte.
Bestimmt würde man im Dorf darüber tratschen, dass das seltsame Mädchen der McGonagalls einen solchen Mann mitgebracht hatte. Das war etwas an ihrer Heimat, was sie überhaupt nicht vermisste. Immerhin musste sie sich mit dem daraus resultierenden Klatsch nicht arrangieren – sollten die Leute doch schwätzen, was sie wollten, wenn sie erstmal wieder in Hogwarts war. Außer in den Briefen ihrer Mutter bekam sie von den Dorfgerüchten nicht mehr viel mit.
Unglücklicherweise war das Schicksal ihr jedoch an diesem Tag genauso wenig gewogen wie in der vorangegangenen Woche. Sie hatten gerade das Gemeindehaus passiert, da öffneten sich dessen Türen und gleich ein ganzes Grüppchen Dorfbewohner kam laut schwatzend heraus. Das war freilich nicht das Schlimmste daran.
»Minerva?«, erschallte es hinter ihnen.'
Wenn es einen Zauber gegeben hätte, der den Boden sie verschlingen lassen würde – sie hätte ihn zu gerne benutzt. Stattdessen drehte sie sich mit gequältem Ausdruck zu dem Rufenden um.
»Hallo Dougal.«Dougal McGregor sah so gut aus wie jeher, stellte Minerva mit einem Stich im Herzen fest. Seine dunkelbraunen Locken, die grünen Augen, das Lächeln. Groß gewachsen und durch die jahrelange Arbeit auf dem Hof seiner Familie kräftig, mit den Spuren sommerlicher Bräune am Leib. Ein zotteliger Hund trottete neben ihm her und an seiner Hand lief ein kleines Mädchen, vielleicht sechs Jahre alt.
Es fiel ihr schwer, den Blick von seiner Tochter zu lösen, die ihm unheimlich ähnelte. Das letzte Mal, als sie das Kind gesehen hatte, war sie noch ein Baby gewesen – die sahen alle gleich aus.»Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen«, sagte Dougal strahlend, sich offenbar nicht bewusst, wie unangenehm die Situation für sie war. Er kam vor ihr und Elphinstone zum Stehen. »Ich habe schon gedacht, du kommst nicht mehr zurück – das sind jetzt bestimmt zwei Jahre, die wir uns nicht gesehen haben, oder?«
»Oh ja, das kann sein. Es ist nur ... viel zu tun auf der Arbeit.« Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern. »Ich war wirklich lange nicht hier.« Und sie hatte immerzu einen Bogen um seinen Hof gemacht, wenn sie hier war, aber das gestand sie ihm natürlich nicht.»Solange du dich nicht von den Stadtleuten ärgern lässt – manchmal braucht man ja auch Urlaub, vor allem jemand wie du. Du hast schon immer zu viel gearbeitet.« Dougals Blick wanderte von ihr zu Elphinstone. »Überhaupt, wie unhöflich von mir! Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Ist das dein Ehemann?«
Erst jetzt wurde Minerva bewusst, wie selbstverständlich sie bei Elphinstone untergehakt war. Sie brachte es nicht über sich, nun den Arm zurückzuziehen, auch wenn seine Berührung mit der Erkenntnis deutlich schwerer wog. Betreten warf sie ihm einen Seitenblick zu. Er trug sein professionelles Ministeriumslächeln zur Schau.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...