Der Schauer, der Minervas Rücken hinunterlief, hatte sicher nichts mit den Kühlzaubern oder Gerüchen des Todes zu tun, die in der rechtsmedizinischen Abteilung des St. Mungo-Hospitals vorherrschten. Es waren Elphinstones Worte, die sie wie eine geisterhafte Berührung streiften und dabei Gänsehaut hinterließen.
Niemand rettet mein Leben so schön wie du. Und Merlin verdamme mich, ich weiß, dass du es wieder einmal schaffen wirst.
Sein Vertrauen in sie war jedes Mal aufs Neue bestärkend – und beängstigend in seiner Absolutheit. Manchmal fragte sie sich, wodurch sie seine Bewunderung verdient hatte, doch heute blieb kein Raum für Zweifel.Minerva lehnte sich vor und streifte ihrerseits Elphinstones Wange mit den Lippen; ein bisschen zu kurz, als dass man es einen wirklichen Kuss nennen konnte, aber genug, um ein paar ungesagte Worte aufzuwiegen. »Du weißt gar nicht, wie viel mir dein Vertrauen bedeutet. Danke, Phin.«
Elphinstone lächelte – nicht mit dem Mund, sondern durch seine Augen, die von innen heraus leuchteten. Mit dem Fingerrücken fuhr er über Minervas Wangenknochen und einen Wimpernschlag lang hing die Welt wieder in dem Zwischenraum aus Zeit und Ort fest, der sich bereits am Vormittag bei ihrer Reise durch das Flohfeuer aufgetan hatte. Das Prickeln von Flohfunken überzog Minerva und ein Nicken von Elphinstone reichte, damit sie wusste, dass genug Gedanken unausgesprochen, aber nicht unerkannt blieben.
Doch erneut zerplatzte die Blase um sie beide wie Bubbels bester Blaskaugummi. Zurück in die Wirklichkeit – den großen Obduktionssaal des St. Mungo und die Realität grausiger Fluchexperimente.
Einen Kloß im Hals drückte Minerva Elphinstone an sich, ehe sie wie Archie ihren Zauberstab zog. An den Heiler gewandt fuhr sie mit erhobener Stimme fort: »Schieß los – Was muss ich tun, um dir behilflich zu sein?«Archie räusperte sich, ein gequältes kleines Lächeln im Gesicht. »Folgendes ... erschreck dich bitte nicht – ich werde gleich Mrs Winters Arm aufschneiden.«
Etwas blockierte in Minervas Kehle, aber sie schluckte tapfer dagegen an und nickte. »Okay.«»Dir ist der Extraktionszauber geläufig, mit dem man Flüssigkeiten aus diversen organischen Materialien gewinnen kann?«
»Wie beim Trankmischen, wenn man den letzten Saft aus einer Schrumpelfeige gewinnen will?«
»Richtig. Genau der. Wenn ich den ersten Schnitt gesetzt habe, würde ich dich bitten, den Zauber auf Mrs Winters Fluchspuren zu konzentrieren. Aber ich muss dich warnen – die Magie dahinter wird sich wahrscheinlich wehren.«Den Zauberstab in beiden Händen umfasst, nickte Minerva erneut. Wie von einem Klebefluch betroffen starrte sie auf Mrs Winters entstellten Arm, über den Archie sich mit einem winzigen Messer beugte. Geübt setzte er die Klinge an und drückte sie so tief in das Fleisch, wie es keinem lebenden Menschen zuzumuten wäre.
Natürlich blutete die Tote nicht länger, doch in Minervas Magen rumorte es trotzdem. Einzig der Zauberstab gab ihr Halt; half ihr, die Gedanken zu fokussieren. Rasch sprach sie den Extraktionszauber.Ein Ruck riss ihre Stabspitze vorwärts – als würde sie sich wieder mit Bellatrix im magischen Tauziehen messen. Doch Minerva gab nicht nach. Im Gegenteil, sie presste die Zähne aufeinander und stemmte sich mit Körper und Willen gleichermaßen gegen den Zug an. Dieses Mal durfte ihr der Zauber nicht entgleiten!
Derweil erweiterte Archie den Schnitt mit ruhiger Hand. Die ersten Spuren Fluchschwarz quollen in Form dickflüssiger Tinte über Mrs Winters verbrannte Haut und Minervas Zauberstab erzitterte unter ihrem Griff. Von Sekunde zu Sekunde rutschte der Stab weiter durch ihre schweißnassen Finger.
Die dunkle Magie erwehrte sich jeglicher Kontrolle, mal im Gefühl fließenden Wassers, das stetig ihren Händen entglitt, dann wieder als wilde Macht, die sie bedrängte; zu unterwerfen versuchte.Zwischen Minervas Zähnen schien Sand zu kleben und die Zunge drückte sich ihr wie Schleifpapier gegen den Gaumen. Ein paar vereinzelte Schweißtropfen fanden den Weg ihren Nacken hinab, sobald die schwarze Fluchmasse das Handgelenk der Toten erreichte. Doch der Zug an Minervas Nerven wuchs noch, anstatt nachzugeben.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...