Vom Büro des Schulleiters aus unternahm Minerva einen langen Spaziergang um den schwarzen See, der zumindest einige Gedanken geraderückte. Hier und jetzt war kaum die Zeit, sich Sorgen hinzugeben. Sie würde Jonathan Alditch befreien, so viel stand fest. Also nahm sie ihren Plan wieder in Angriff – mehr über die Melionwurz erfahren.
Pomona fand sie – wie erwartet – inmitten ihres Gewächshauses Nummer zwei, wo sie eine Reihe bunter Ohrenschützer mit dem Zauberstab feinsäuberlich zurück in eine große Kiste dirigierte.
»Minerva!« Überrascht sah Pomona auf. Die letzten Paare besonders flauschiger pinker Ohrschützer kollidierten miteinander und plumpsten ungeordnet hinab. Die kleine Lehrerin zuckte nur mit den Schultern und wandte sich ihrer Freundin zu. »Wo ist der Drache los, dass du mich ausgerechnet in meinem Reich beehrst?«
»Hallo Mona.« Minerva machte einen Bogen um einen verdächtig zitternden Ginsterbusch, während sie zu ihrer Kollegin an den gewaltigen Holztisch in der Mitte des Gewächshauses trat. »Ich mach's kurz – ich brauche Informationen über eine gewisse Pflanze. Manche Dinge erfährt man eben am Besten direkt vor Ort.«»Oh, du kannst mich alles fragen«, strahlte Mona fröhlich und wischte Erdkrümel vom Tisch. Dann hielt sie einen Moment inne. »Sag ... ist es immer noch wegen der Sache mit dem verschwundenen Jungen?«
»Leider ja. Was weißt du über die Melionwurz, Mona?«
»Melionwurz?« Pomona blies die Wangen auf und seufzte. »Weiß Mr. Urquart etwa nichts darüber oder warum fragst du ausgerechnet mich?«
Unglücklich schnippte Minerva ein paar Dreckbrocken über den Arbeitstisch »Ich habe ihn nicht gefragt. Abgesehen davon bist du hier die Professorin und damit meine erste Anlaufstelle.«Ihre Freundin brauchte nichts sagen. Es reichte schon, zu sehen, wie sie die dunklen Augenbrauen zusammenzog und ihr Stirn sich in Furchen legte.
»Also, Melionwurz, Mona. Was macht dieses Kraut oder was immer es ist?«
Die Kräuterkundlerin holte tief Luft. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und bedeutete Minerva, ihr zu folgen. »Dann wollen wir mal ins Gewächshaus drei gehen. Da kann ich dir gleich noch den Ableger meiner Teufelswelwitschia für deinen Vorgesetzten mitgeben.«Der Unterton in dieser Aussage entging Minerva nicht, doch sie ließ die Bemerkung unkommentiert. »Ich weiß nicht, ob ich das mit ins Ministerium nehmen sollte. Wenn die mich überhaupt noch reinlassen, nach der Sache mit dem Flohportal.«
»Ach, keine Sorge, das ist nichts Klassifiziertes. Anders als die Melionwurz! Beschwer dich also lieber nicht, dass ich dir zu viel erzähle! Das ist eine höchst vielschichtige Pflanze, die dir da untergekommen ist ...«Nach dem Besuch in Gewächshaus drei – dem sie nicht schnell genug entfliehen konnte – führte Minerva der Weg in Horace' Kerker und von da aus eulenwendend zurück zu Pomona, um sich zusätzliche Zaubertrankzutaten zu besorgen. Der Mond lugte schon über die Baumwipfel, als sie endlich die Bibliothek verließ, einen Stapel spezieller Bücher aus der verbotenen Abteilung unter dem Arm sowie eine reichlich gefüllte Tasche voller Grünzeug und weiteren unappetitlichen Zutaten, die Horace ihr gegeben hatte.
Im Feuerschein über die Bücher gebeugt, wünschte Minerva sich einen von Elphinstones Wachmachtränken herbei, aber Letztenendes trieb der Drang, dem Erstklässler schnellstmöglich zu helfen, sie auch so an. Die übelriechenden Dämpfe aus ihrem faltbaren Kessel, die ihr ganzes Büro verhüllten, taten ihr Übriges.
Die Nacht neigte sich bereits dem Ende, da schreckte sie ein harsches Klopfen auf. In sich versunken hatte sie darauf gewartet, dass der Trank die vorgeschriebene zartviolette Farbe annahm, und nun wäre ihr vor Schreck beinahe der Holzlöffel in den Sud gefallen. Wahrscheinlich hätte das alles ruiniert.Grummelnd stapfte sie zum Fenster hinüber, um die hellbraune Eule hineinzulassen, deren gelbe Augen sie bereits vorwurfsvoll musterten. Im Gegensatz zu ihrer Artverwandten wenige Nächte zuvor, landete diese immerhin nicht auf ihrer Arbeit, sondern ließ sich auf einer Stuhllehne nieder.
Der Brief am Bein der Eule war denkbar kurz.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...