Ein Kehrflieger 4Max war zwar nicht gerade der Porsche unter den Flugbesen (nicht einmal unter den Familienbesen), doch die schottische Weite dahinziehen zu sehen war allemal herrlich. Aus Rücksicht auf Elphinstone flog Minerva ohnehin nur im Tempo einer müden Wellhornschnecke. Er saß in dem Beifliegersitz hinter ihr, der gestützt von einem Stabilisierungszauber zur Seite des Besens baumelte, sodass er es ziemlich bequem hatte. Aber sicher war sicher.
Ein paar Meilen unterhalb von Loch Ness hatte sich grüne Farbe in sein Gesicht geschlichen und kurz vor Glasgow waren ihm die lockeren Sprüche über kuriose Wolkenformationen versiegt. Zwar beanstandete er ihre Flugkünste mit keinem Wort, doch Minerva musste nicht hellsehen, um zu bemerken, dass seine Verletzungen an ihm zehrten. Also drosselte sie das grundsätzlich langsame Tempo des scamander'schen Familienbesen weiter und genoss die Aussicht umso mehr.
Der schottische Himmel belohnte ihre Umsicht mit einer steifen Brise, die sämtliche ungebetene Gedanken aus ihrem Kopf pustete. Elphinstone, der dann und wann nach ihrer Hand am Besenstil tastete, um ihren Handrücken mit beruhigenden Kreisen zu versehen, tat sein Übriges für das Gefühl aus grenzenloser Freiheit gemischt mit Geborgenheit.
Dieser Ausflug war etwas ganz anderes, als in halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Highlands zu jagen und Haarnadelkurven zu vollführen, bei denen der Magen nicht hinterherkam. Auf seine Art war dieser Besenflug allerdings nicht minder aufregend, Minervas Inneres schlingerte gar - wann immer Elphinstone seine Wange an ihre Schulter lehnte.
Als sie schließlich auf Höhe der schottisch-englischen Grenze niederging, den Besen mit einem Zauber versteckte und das letzte Stück nach London Seit-an-Seit mit Elphinstone apparierte, empfand sie glatt Vorfreude auf den Besuch in Ollivanders Zauberstabladen.
Solange sie einander hatten, würde alles gut werden. Sie würden wie der Phönix der Asche entsteigen und diese Sache zu Ende bringen, immerhin waren sie auch dem Lestrange-Anwesen entkommen. Zuversicht keimte in ihrer Brust auf, wie die ersten Sprösslinge im Frühling aus der winterharten Erde auftauchten. Wenn da nicht zuerst der Pflichtbesuch im St. Mungo anstünde.
Minerva konnte sich nicht an ihren letzten Besuch in dem Hospital erinnern und das war gut so. Egal ob Muggelkrankenhaus oder magische Heileinrichtung - beides zeichnete sich durch stechenden Geruch und gedrückte Stimmung aus. Wenn möglich setzte sie keinen Fuß an diese Orte. Sie besuchte ja nicht einmal den Krankenflügel in Hogwarts gerne, erinnerte er sie doch an das unrühmliche Ende ihrer Quidditchkarriere mitsamt gebrochenen Rippen.
Kaum, dass sie sich im Foyer des St. Mungo materialisiert hatten, erfüllte auch schon das unnachahmliche Gemisch aus Heilkräutern und unzähligen Desinfektionszaubern Minervas Lungen. Genau wie jedes Krankenhaus bemühte St. Mungo sich, eine freundliche Atmosphäre auszustrahlen, aber der traurige Gummibaum, der Neuankömmlinge im Apparierbereich empfing, entlockte sowohl ihr als auch Elphinstone bloß ein Seufzen.
Dank diverser Verwandlungszauber hatten sie beide eine unscheinbare Gestalt angenommen und der Empfangszauberer widmete ihnen keinen zweiten Blick, sobald klar wurde, dass es sich nicht um einen Notfall handelte. Statt sie am Tresen anzumelden, führte Elphinstone Minerva zielstrebig an den wandelnden Zauberunfällen im Wartezimmer vorbei ins Treppenhaus.
Vier Treppen kämpften sie sich empor, bis sie in einem langen Flur landeten, in dem diverse Untersuchungszimmer untergebracht waren. Die Beschriftung neben den Flügeltüren informierte Minerva, dass sie sich in der Aufnahme für Fluchschäden befanden. Weiter hinten zweigten Türen zu den spezialisierten Stationen ab. Allein beim Anblick der schlichten Aufschrift ‚Langzeitstation für Fluchgeschädigte' verknotete sich etwas in Minervas Magen.
Obwohl es hier ebenfalls einen Wartebereich gab, geziert von einer weiteren Pflanze mit schlappen Blättern, nahm Elphinstone nicht Platz, sondern drückte eine Tür auf, deren Schild eindeutig verkündete, dass Unbefugte keinen Zutritt hatten.
Minerva konnte den Raum nicht einsehen, aber sie bekam wohl mit, dass eine entrüstete Frauenstimme ihn zurechtwies - oder weisen wollte -, doch er unterbrach sie schlicht, stellte sich als Mr. Grant vor und erkundigte sich nach ihrem Kollegen, bei dem er einen Termin hätte und der schon fünf Minuten zu spät sei.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...