Poppy Pomfreys beste Heilsalbe roch wie das Innenleben von Pomonas Gewächshaus Nummer vier. Anders als in echt stach der Diptam allerdings besonders aus ihrer Mischung hervor. Der frische, grüne Duft erinnerte Minerva daran, dass diese Pflanze laut Elphinstone auch in Dougals magiefreier Welt existierte. Sie glaubte dennoch nicht, dass dieser Umstand den unfreiwilligen Patienten in Hogwarts' Krankenflügel aufmunterte. Ihr war es jedenfalls kein Trost, wenn sie ihre bandagierten Hände so ansah.
Der Schmerz in ihren Handflächen war dank der Bemühungen ihrer Kollegin nur eine ferne Erinnerung – aber ein gehässiger kleiner Teil von ihr wünschte ihn zurück. Vielleicht hätte sie dann keine Energie mehr gehabt, darüber nachzudenken, weshalb das Leben sie derart strafte und ausgerechnet Dougal gewaltsam in den Zauberkrieg stürzte. Statt solcher Erleichterung blieb ihr jedoch nur die Gewissheit, dass sie am Ende ein weiteres Mal alleine mit der Wahrheit zurückbleiben würde. Egal, in welche Geheimnisse Albus ihn einweihte: Dougal musste wieder vergessen.Seufzend wechselte Minerva den Zauberstab zwischen ihren Händen. Es kostete sie einige Anstrengung, die steifen Finger darum zur Faust zu ballen, während sie die anderen prüfend streckte. Von der See trieb es derart eisige Herbstwinde durch Caithness, dass auch das letzte Kontrollgefühl in ihren Gliedern erstickte. Sie konnte nicht länger sagen, ob ihre Verletzungen schmerzten oder nur die Kälte.
»Salvio Hexia«, führte sie ungeachtet dessen ihre Beschwörungen fort. »Protego horribilis ...« Mit der linken Hand zu zaubern fühlte sich überraschenderweise nicht so falsch an, wie befürchtet. Trotzdem wechselte sie lieber zurück, bevor sie ihren Schutzkreis vollendete.Die Luft vor ihr flirrte kurz in zartem Blau, dann war der Blick auf das steinerne Cottage dahinter wieder frei. Niemand im Dorf, nicht mal ein Bewohner des Hauses, würde auf die Idee kommen, dass hier fortan Magie wirkte. Dougals Familie merkte ja selbst jetzt nicht, dass Minerva geschützt von einem Desillusionierungszauber durch ihren Garten schlich. Die kleine Mia McGregor saß im hell erleuchteten Wohnzimmer und las seelenruhig in einem Bilderbuch, während ihre Mutter in der Küche mit Elphinstone und Moody sprach – beide in muggelgerechte Mäntel mitsamt Polizeimarke gehüllt, die Minervas Verwandlungswerk waren.
Dass es den McGregors offensichtlich gut ging, hätte sie erleichtern sollen. Immerhin hatten ihre Taten somit Dougals Leben nicht endgültig in Scherben geschlagen. Doch die Furcht, dass dieses Unheil immer noch hereinbrechen könnte, erwies sich stärker.Minerva schob sich an Wacholderbüschen vorbei näher auf das Haus zu. Vor der Terrasse, die von einem Kräutergarten begrenzt wurde, hielt sie inne. Erneut dehnte sie die Finger, ehe sie abermals ihren Zauberstab hob und einen weiteren Ring aus Schutzzaubern aufnahm. Anstelle der generellen Abwehrzauber gegen Eindringlinge und Böses, die an den äußeren Grenzen des Hofs begannen, widmete sie sich nun filigraneren Bannen. Zuerst zog sie eine Fremdenlinie, die es niemandem ohne Einladung erlauben würde, das Haus zu betreten. Sie konnte nur hoffen, dass die McGregors auch ihre erwünschten Gäste immer höflich hereinbaten, sonst würden sie demnächst einige Verwirrung erleben – aber lieber so, als es den Todessern leicht zu machen.
Hin und wieder blieb die Modifikation ihrer Zauber jedoch unerlässlich, um den Muggeln gerecht zu werden. Schließlich wäre es fatal, wenn die McGregors ihr eigenes Haus nicht mehr fanden, weil ein Muggelabwehrzauber darauf lag. In die meisten gängigen Beschwörungsketten waren diese allerdings fest eingewoben. Häufig reichte es, ein Wort wegzulassen, gelegentlich erforderte die Veränderung hingegen mehr Restrukturierung.Auch wenn Minerva ihren Zauberfertigkeiten allgemein vertraute, warf sie doch immer wieder einen Blick auf die Ratschläge, welche Albus ihr flink notiert hatte, bevor sie nach Caithness gereist war. Da er als Schulleiter tiefen Einblick in die Geheimnisse von Hogwarts' ureigener Schutzmagie hatte, waren ihm einige Kniffe eingefallen, die Voldemorts Anhängern hoffentlich gänzlich unbekannt sein würden. Und falls nicht, belegte sie kurzerhand die Büsche rund um das Haus mit einem von ihr ausgedachten Verwandlungszauber.
Zufrieden beobachtete sie, wie die Gewächse ihre Triebe schüttelten und jene frisch zu Fangarmen mutierten Äste, auf denen nun fingerlange Dornen wuchsen, unter dem gewöhnlichen Blattwerk versteckten. Mit einem schmalen Lächeln tätschelte sie die Pflanzenkronen. »Fresst mir nur nicht Dougals Hühner.«
DU LIEST GERADE
Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...