Alles verschlingendes Nichts explodierte in einer Welle der Dunkelheit aus der Finsternisschote, kaum, dass ihre Hülle den Boden berührte. Keine Nacht war je so tief wie diese Schwärze, die sich binnen Sekunden über den Portalraum legte. Es war nicht bloß dunkel geworden, nein, ganze Teile des großen Raums schienen einfach aus der Existenz gerissen worden zu sein. Anders ließ sich die undurchdringliche Finsternis nicht erklären.
Minerva konnte nur wenige Schritte vor die Tür ihres Verstecks sehen. Alles dahinter war in eine schwarze Wolke gehüllt, die jedes Licht verzehrte. Elphinstone hatte nicht untertrieben, als er ihr von der Wirkung der Schote erzählt hatte. Das konnte nur eines bedeuten – die Entführer des jungen Jonathan hatten sie gefunden, nicht umgekehrt.
»Jetzt verraten Sie mir, wie ich in dieser Dunkelheit das Flohportal für Sie aktiveren soll?«, hörte Minerva Alston Mulciber dank ihres Abhörzaubers vorwurfsvoll zischen.
»Einfach vorwärts«, schnarrte eine dritte, weibliche Person, die zuvor noch nicht gesprochen hatte. »Sie werden schon ... sehen.« Ihr Kichern klang dem des Erklings zum Verwechseln ähnlich.Offenbar wurde Mulciber vorangestoßen, denn Minerva hörte, wie er sich fluchend beschwerte, bis ihm angedroht wurde, seinen Mund mit einem Dauerklebefluch zu versiegeln.
»Nehmen Sie das hier«, forderte die Frau so leise, dass es ohne den verstärkenden Abhörzauber unmöglich hörbar sein würde. »Und du – vergewisser dich, dass die Spuren beseitigt sind. Überraschungen können wir nicht gebrauchen.«Fußgetrappel. Jemand – dem Tonfall nach Mulciber – sog überrascht die Luft ein. »Unter diesen Umständen wird die Portalaktivierung einen Moment dauern.« Minervas einstiger Arbeitskollege klang ziemlich kühl, dafür, dass er gerade von einer Gruppe an ... Blutsfanatikern gezwungen wurde, ihnen zu helfen. Sie waren zwar in der Überzahl, aber ihr gefiel nicht, wie bereitwillig er sich in sein Schicksal zu ergeben schien.
Wie auch immer, Minerva verfluchte diesen Tag zum hundertsten Mal. Die Konfrontation mit Jonathans Entführern hatte sie sich anders vorgestellt. Am liebsten mit einem Haftbefehl in der Tasche und ganz sicher nicht alleine. War das nun Glück oder Pech, sie hier anzutreffen, im Inbegriff offenbar eine weitere Straftat zu begehen?
Den Schritten nach waren sie mindestens zu viert, neben Mulciber, den sie höchstwahrscheinlich entwaffnet hatten. Selbst wenn er ihr helfen könnte – in der absoluten Finsterniswolke wären sie chancenlos, denn so zielsicher, wie ihre Gegner sich bewegten, mussten sie etwas haben, das ihnen erlaubte, zu sehen. Blindlings einen Fluch abzufeuern, würde nur ihren eigenen Hals riskieren. Ganz abgesehen davon, dass sie zahlenmäßig unterlegen waren.
Andererseits ... sie ließ den Blick durch ihr Versteck gleiten. Zwar stand sie im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand, aber sie hatte ein Erklinghuhn auf ihrer Seite. Dieses saß immer noch auf dem Regal und starrte sie aus seinen kleinen Augen empört an. Schon formten sich die ersten Details eines wahnwitzigen Plans in ihrem Kopf.
Bevor das Tier sie mit einem Glucken verraten konnte, nahm sie ihm mit einem ungesagten Zauber die Stimme, ehe sie es durch die Luft in ihre Arme schweben ließ. Widerstrebend flatterte es mit den Flügeln und öffnete tonlos seinen Schnabel, doch es hatte keine andere Wahl.
Entschuldigend strich Minerva über seinen weichen Rücken und klemmte sich den ehemaligen Erkling unter den Arm. Zwischen all seinen Federn verbarg sich allerdings weiterhin das freche Wesen des magischen Geschöpfs und er bohrte seinen Schnabel kräftig in ihre Hand. Sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut zu keuchen.Hoffentlich würde ihr Plan aufgehen, denn sonst rang sie gänzlich umsonst mit dem Erklinghuhn. Mit der freien Hand hielt sie es an der Hüfte und versuchte, sein Picken zu ignorieren, mit der Zauberstabhand hingegen dirigierte sie all den Unrat, den der Erkling hinterlassen hatte, durch die Luft auf das hohe Regal neben der Tür. Falls jemand in das Büro trat, konnte sie es mit einem einzigen Zauber umstürzen. Das dürfte ihr wertvolle Sekunden verschaffen.
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...