38 | Maskerade

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»Bereit?«
Eileans Stimme überschlug sich vor Freude geradezu. Sie stand auf halber Treppe, ein Stück vornübergebeugt und hielt Ausschau nach Elphinstone, der unten im Wohnzimmer wartete.

Die ganze Angelegenheit war absolut albern in Minervas Augen, aber Eilean hatte es sich nicht nehmen lassen, ihre Verwandlung mittels Vielsafttrank zur großen Überraschung aufzubauschen. Die kurzerhand selbsternannte Expertin für den »grässlich-hässlichen Modestil der Hexe von gestern« hatte Minerva nicht nur mit ihrer Schminke geholfen, sondern ihr auch diverse Kleider zusammengesucht, die sie in eine respektable Reinblüterin verwandelten. In Anbetracht ihres fertigen Werkes gebar sie sich nunmehr äußerst stolz.

»Es wird dich umhauen, Elph!«, frohlockte Eilean und winkte Minerva näher heran.
Diese gab sich Mühe, ein Augenrollen zu unterdrücken. In den vergangenen Stunden hatte sie genug von Eileans überdramatischer, lauter Art erlebt. Während ihr Haar unter der Zuhilfenahme diverser magischer Mittel in eine Betonfrisur à la Elladora verwandelt worden war, hatte Eilean sie mit der Strenge eines Alston Mulciber ausgefragt. Über ihre Zeit in der Strafverfolgungsabteilung, das Leben in Hogwarts, ihre Familie und das Verhältnis zu Elphinstone. Vor allem über das Verhältnis zu Elphinstone.

Vermutlich hatte Eilean diesen Staatsakt überhaupt nur als Vorwand für die Befragung ersonnen, nachdem sie Minerva und Elphinstone des Morgens im Wohnzimmer vorgefunden hatte – tief schlafend. Laut eigener Aussage hatte sie »noch nie etwas derart Niedliches gesehen« wie Minerva, die auf dem Sofa lag, den Umhang Elphinstones als Decke über sich, ihre Hand fest in eben dessen.

»Euer Anstand bringt mich um«, hatte Eilean verkündet und somit dafür gesorgt, dass Elphinstone vor Schreck gegen den Wohnzimmertisch gestoßen war, da er – erfüllt von diesem potentiell tödlichen Anstand – aufrecht an dem Sofa lehnend eingeschlafen war.

Der Blick, mit dem er seine Schwester daraufhin bedacht hatte, stand jenem Elladoras in nichts nach, was die Kälte darin anging. Es war eine unangenehme kleine Grundsatzdiskussion der beiden Geschwister aufgekommen, in der Sätze gefallen waren wie »Du bist genauso empfindlich wie deine blöden Flitterblumen« und »Es wäre nett, wenn du einfach mal die Klappe hältst«, gefolgt von »Entschuldige, dass ich mich für dein Leben interessiere« und schließlich »Es gibt Niffler, die haben mehr Beherrschung als du!«.

Immerhin hatte Minerva auf diesem Weg herausgefunden, dass die Mauer zwischen ihr und Elphinstone endgültig fort war. Sämtliche selbstauferlegten Grenzen, die ihr vorher Kopfschmerzen bereitet hatten, waren eingerissen und kamen im Morgengrauen nicht zurück. Anstatt sich ertappt zu fühlen, hatte sie Elphinstones Hand erneut ergriffen und damit vor allem Eilean aus dem Takt gebracht.

Es hatte Minerva durchaus vergnügt, den Rädern hinter Eileans Stirn beim Rattern zuzusehen, als Elphinstone nüchtern erklärt hatte, dass es ihnen nicht eilig war, irgendjemandes Erwartungen an ihre Beziehung zu erfüllen. Genug, damit es Eileans folgendes Verhör wert gewesen war.

Besser war nur die Gewissheit, die sie angesichts von Elphinstones Lächeln erfüllt hatte. Er war wirklich noch ihr bester Freund – alles Weitere konnten sie bei Zeiten herausfinden. Gemeinsam. Bis dahin genoss Minerva dasselbe Kribbeln wie in der Nacht, das keine Zelle unberührt ließ, und atmete das tiefe Vertrauensgefühl ein, das von Elphinstone ausging wie Frühlingssonnenstrahlen. Alles war offengelegt und bei Merlin, es fühlte sich gut an.

Auf einmal verstand sie die verliebten Teenager, die in den Schlossecken hockten und mit einem Dauerklebefluch aneinandergehext schienen, erschreckend gut. Elphinstone erneut zu küssen, sobald Eilean den Abgang gemacht hatte, war jedenfalls lange nicht genug gewesen.
Wenn ihnen doch nicht bereits der nächste Einsatz bevorstünde – noch dazu in fremder Haut, die eine ganz andere Art von Hürde darstellte als Minervas Bedenken zuvor.

Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt