Die silbrige Katze saß auf der obersten Treppenstufe, die Augen unbeweglich in das Dunkel des Anwesens gerichtet. Wenn ihre Umrisse nicht immer wieder in einem bläulichen Pulsieren verschwimmen würden, wie Spiegelungen auf Wasser, dann hätte man sie für eine Statue halten können. Erst als das Schaben von Schuhsohlen auf den steinernen Stufen direkt hinter ihr angelangte, wandte das Tier seinen Kopf in Richtung der beiden Personen, die sich Hand in Hand näherten.
Minerva lächelte bei dem Anblick ihres Patronus. Sie konnte es wirklich noch, sogar mit einem fremden Zauberstab. Obwohl der Stab des zweiten Gefängniswächters in Elphinstones Händen einem beliebigen Stück Holz glich, gehorchte er ihr. Während sie und Elphinstone die bewusstlosen Zauberer mit den Feenlichterketten gefesselt hatten, war ihre überraschend klar umrissene Patronuskatze auf einen Schwenk damit vorausgelaufen, um nach ungebetenen Besuchern Ausschau zu halten. Ein Teil Minervas hatte bis eben befürchtet, dass ihre Zauberkraft auf diese Distanz zu schwach wäre und sie bloß kalte Luft am Ende der Treppe erwarten würde. Ihren Patronus quickfidel zu sehen, bevor sie den Zauber beendete, nahm reichlich Druck von ihrer Brust.
Der ‚geborgte' Zauberstab lag zwar bleiern in ihrem Griff, doch sobald sie einen Aufspürzauber wirkte, drehte er sich auf ihrer Handfläche und signalisierte durch seine rot leuchtende Spitze, in welcher Richtung und wie nah sich die Entführer befanden. Je öfter sie ihn nutzte, desto leichter fiel es. Im Keller hatte sie noch drei Anläufe gebraucht, bis sie das Schloss der Zelle so verzaubert hatte, dass an ihrer Stelle die beiden Wächter dort verwahrt wurden. Sie dankte dem Schicksal, dass es sich um keinen wehrhafteren Stab handelte. Vielleicht wog er sie in trügerischer Sicherheit, doch die Erleichterung, wieder zaubern zu können – wenn auch nicht ungesagt –, überwog im Moment.
Elphinstone trug indes Gryffindors Schwert, von dem Minerva hoffte, dass er es nicht erneut brauchen würde. Fawkes saß dazu passend auf seiner Schulter, was ihr Anlass gab, zumindest auf den Schutz durch Albus' treuen Freund zu vertrauen. Für tiefschürfendere Gedanken angesichts aller Entwicklungen der letzten Stunde blieb keine Zeit. Minerva zog Elphinstone an der Hand hinter sich her, immer der roten Stabspitze nach. Dort befand sich der Weg in die Freiheit.
Sie schlichen durch dunkle Flure, vorbei an holzgetäfelten Wänden geziert von Gaslampen und – Minerva wäre beinahe das Herz stehen geblieben – den abgetrennten Köpfen diverser magischer Tierwesen. Elphinstone keuchte, als sie unter dem Haupt eines pferdeartigen Wesens entlang huschten, dessen seetangartige Mähne von Doxys zerfressen war. Das Geschöpf mit den leeren Augenhöhlen, deren Blick sie durch die fensterlose Schwärze verfolgte, war allerdings Minervas geringste Sorge. Nur wenige Schritte weiter hoben sich die Umrisse eines prunkvollen Bilderrahmens von der Wand ab.
Sie verharrte, nur die Zehenspitzen auf den Boden gesetzt, obwohl jeder Muskel ihres Körpers gegen die Anstrengung protestierte. Ein Gemälde alleine wäre kein Problem – doch dem Bildnis irgendeines Corvus Lestrange dem Soundsovielten gegenüber hing noch ein Porträt einer ruhenden Lestrange-Ahnin. Damit nicht genug: Zwischen den ausgestopften Köpfen von Mondkalb, Einhorn und Hippogreif schimmerten weitere Goldrahmen zu beiden Seiten des Ganges im Schein des Aufspürzaubers. Selbst wenn Minerva mit Elphinstone an einer Wand entlang kriechen würde, hätte die restliche Ahnengalerie ungehinderten Blick auf sie. Perfekt, um die Flüchtigen an ihre Nachkommen zu verraten.
Kurzentschlossen richtete Minerva den Zauberstab auf die Leinwand des Briefe schreibenden Corvus. Kaum, dass ihr flüsterleiser Confundus-Zauber das Gemälde traf, hob die dunkelhaarige Porträtierte auf der anderen Seite den Blick von dem Gedichtbüchlein, über dem sie vorgeblich eingeschlafen war. Sie lächelte, einen Finger an die Lippen gelegt und Minerva blieben sämtliche Verwünschungen im Halse stecken.
»Also seid ihr entkommen. Das ist gut, dann besteht noch Hoffnung.« Die junge Frau erhob sich von einer gemalten Chaiselounge und strich ihr violettes Kleid glatt. »Wir haben nicht viel Zeit. Folgt mir.«
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...