Ein abgegriffener Tarnumhang, eine Geheimnisaufspürsonde und ein Spickoskop waren Elphinstones stolze Ausbeute aus dem Vorratslager der magischen Strafverfolgung, die er in seiner letzten Amtshandlung an sich genommen hatte. Wie er daran gekommen war, wo doch sonst ein Zauberer genaustens darauf achtete, dass niemand ohne drei abgesegnete Formulare und seine Bewilligung auch nur eine Schreibfeder an sich nahm, wollte Minerva lieber nicht wissen.
Zu dieser Ausbeute gesellten sich diverse selbstgebraute Tränke, allen voran der Schutztrank gegen die schwarzmagische Wirkung eines Melionwurz-Bannes. Der Sud verlangte einiges an Raffinesse – und Zeit –, sodass er gegenwärtig noch in Elphinstones Arbeitszimmer vor sich hin köchelte. Die Fertigstellung würde einen weiteren Tag brauchen. Ein leichterer Heiltrank hingegen war bereits fertig und in kleine Einwegphiolen gefüllt, die sich nach einmaliger Nutzung auflösen würden. Ein anderer Trank konnte die magische Aura der anwendenden Person unterdrücken, was gegen magiesensitive Entdeckungszauber schützte, und ein drittes Gebräu schärfte die Sinne. Zusammen mit dem Resistenztrank zum Schutz vor schwächeren Flüchen und Verzauberungen, den es noch zu brauen galt, ließ sich das sehen.
Gute Planung war nach Elphinstones siebter Regel essentiell und da stimmte Minerva ihm zu, gleichwohl ihre Ungeduld diese Vernunft stets zu bezwingen versuchte. Doch sie mussten schon genug andere Regeln brechen, allen voran die Dritte: Niemand arbeitet alleine. Abgeschnitten von der Unterstützung des Ministeriums, blieb ihnen nur die Möglichkeit, sich auf ihre eigenen Fähigkeiten zu verlassen. Das war genug des Risikos, selbst für eine Gryffindor.
Den letzten Schritt ihrer Vorbereitung – die Informationen zu dem entwendeten Artefakt – musste Robbie liefern. In der Zwischenzeit schrieb Minerva einen langen Brief an Albus, in dem sie ihn über ihr Vorhaben unterrichtete. Da ihr Bruder auch danach auf sich warten ließ, half sie anschließend Elphinstone, die Zutaten für den Resistenztrank zu präparieren. Unter steten Blicken auf die Uhr, deren Zeiger mit einem Lähmzauber versehen zu sein schienen, widmete sie sich dem Grünzeug. Mehr als einmal wies Elphinstone sie sanft darauf hin, das Messer anders zu halten oder die Blätter eines Sumpfkrautes nicht unter der Schneide zu zerdrücken, doch ihre Gedanken wanderten immer wieder fort zu ihrem Bruder. Und wenn sie nicht ihm galten, dann ertappte sie sich dabei, Elphinstone zu beobachten, wie er konzentriert in dem Kupferkessel rührte.
Die Dämpfe sorgten dafür, dass sich sein Haar wellte – ein weiterer Anblick, der auf ihrer kürzlich begonnenen Liste von Dingen landete, die das Schnatzjagdgefühl erweckten. Genauso wie die Präzision, mit der er ein Bündel Salbeiblätter zerkleinerte. Oder die kleine Konzentrationsfalte zwischen seinen Augenbrauen, wenn er die nächsten Schritte mit dem Rezept abglich.
Sie schüttelte den Kopf, um sich selber daran zu erinnern, dass sie gerade bedeutend dringlichere Probleme hatte. Zu ihrem Glück war er so in seine Tätigkeit versunken, dass er ihre Blicke nicht bemerkte, sonst hätte er sicher eine Anmerkung dazu gemacht. Aber diesen Moment hatte sie für sich und insgeheim genoss sie es, jene Seite an ihm noch einen Augenblick länger zu beobachten.
Als es gegen ein Uhr nachts endlich an der Tür läutete, warf sie die Schrumpelfeige, die sie gerade geschält hatte, erleichtert aufs Schneidebrett und rannte beinahe zur Wohnungstür. Sie riss die Tür auf und streckte die Arme aus, bereit Robbie um den Hals zu fallen -
»Oh«, stieß sie aus und fing sich gerade rechtzeitig am Türrahmen ab, bevor sie auf Tuchfühlung mit Mulciber gehen konnte. »Was machst du hier? Wo ist Robbie?«
Angesichts ihrer wenig begeisterten Begrüßung rollte der Strafverfolger mit den Augen. »Keine Sorge, ich habe deinen Bruder nicht gefressen.« Er trat einen Schritt zur Seite und neben einer freudestrahlenden Pippa schob sich ein zerknirschter Robbie in ihr Blickfeld.In der Zwischenzeit musste er zuhause gewesen sein, denn seine verrußten Kleider hatte er durch frische ausgetauscht und sein Haar lag wieder ordentlich. »Sorry«, murmelte ihr Bruder, »aber irgendwie hat er geahnt, was ich vorhabe und dann bin ich die beiden nicht losgeworden.«
Über seine Schulter hinweg winkte Pippa, die mittlerweile ebenfalls umgezogen war. »Er hat's versucht, aber man legt sich nicht mit einer Aurorin an. Sorry, Minnie.«
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Stichflamme | Minerva McGonagall ✔️
FanfictionAm ersten September 1970 erlebt Minerva McGonagall das Undenkbare: Ein muggelgeborener Erstklässler verschwindet auf dem Weg nach Hogwarts. Zum Frust der jungen Verwandlungslehrerin stellt das Zaubereiministerium die Ermittlungen jedoch rasch ein, o...