3 ~ Auf in den Kampf!

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Ich stand hinter einem Busch auf halbem Weg zwischen dem Schulgebäude und der Turnhalle. Dabei kam ich mir ziemlich blöd vor. In etwa wie ein mittelalterlicher Wegelagerer, der im Gestrüpp auf der Lauer lag und auf Beute hoffte. Aber meine Beute kam nicht.

Alle anderen Schüler, die in der nächsten Stunde Sport hatten, waren längst mehr oder weniger motiviert an mir vorbeigetrottet. Lachend, quatschend oder in ihre Smartphones vertieft. Nur David nicht.

Verärgert schnaubte ich. Wo war der Kerl? Wenn er seinen Hintern nicht bald hierher bewegte, würde ich zu spät zu Mathe kommen. Ich hasste es, mich zu verspäten. Ich war ein äußerst zuverlässiges Mädchen, das musste ich sein, und Unpünktlichkeit war respektlos. Dieser Idiot wäre ganz allein schuld daran, wenn ich nicht rechtzeitig zur nächsten Stunde auftauchen würde.

Ich schüttelte den Kopf. Der Typ wurde mir immer unsympathischer.

Nervös wickelte ich mir eine Haarsträhne um den Finger, ließ sie wieder fallen, und drehte sie erneut auf, die Augen dabei ununterbrochen auf den menschenleeren Weg gerichtet. 

Endlich! Da kam er! 

Er schlenderte gemächlich auf die Turnhalle zu, den Blick auf den Boden geheftet, und einen Stein vor sich her kickend. Er würde definitiv zu spät kommen, er musste sich ja sogar noch umziehen. Wahrscheinlich war ihm das egal. Wie offensichtlich einfach alles.

Ich stieß die angehaltene Luft aus und nahm all meinen Mut zusammen. »Okay. Auf in den Kampf, Torero!«, flüsterte ich mir Petes Motivationsspruch zu und trat entschlossen aus meinem Versteck.

Ich ging ein paar Schritte und stellte mich David genau in den Weg. Er blickte auf und blieb stehen. Wie schon zuvor im Klassenzimmer flackerte kurz Überraschung in seinen Augen auf, dann zog er die Brauen zusammen und sein Blick wurde eiskalt. Ich schluckte trocken. Im nächsten Moment wurde mir heiß. Mein Magen zog sich zusammen. Meine Entschlossenheit geriet ins Wanken. Am liebsten hätte ich auf der Stelle die Flucht ergriffen.

»Hi. Hast du kurz eine Minute Zeit?«, quietschte ich mühsam heraus und versuchte weiterhin krampfhaft, der frostigen Miene dieses Idioten standzuhalten.

Oh Mann, was würde ich dafür geben, diesen Blick drauf zu haben! Die Zwillinge würden so was von nach meiner Pfeife tanzen, da war ich mir sicher.

David sagte noch immer kein Wort, starrte mich aber unverwandt an. Ich glaubte, in seinen Augen nun auch einen Hauch von Zorn blitzen zu sehen. Meine Nackenhärchen stellten sich auf und ein eisiger Schauder jagte meine Wirbelsäule entlang.

Er erinnerte mich nun tatsächlich an einen Stier. Einen sehr wütenden Stier, der mit den Hufen scharrte und kurz davor war, sich auf den Torero zu stürzen.

Im nächsten Moment flackerte vor meinem inneren Auge ein Bild auf. Ein Bild von David als kampfbereitem Stier mit Hörnern links und rechts an seiner Stirn. Er war in Angriffsposition und im Begriff, auf mich loszugehen. Ich stand ihm als Torero gegenüber, die eine Hand in die Seite gestemmt, in der anderen ein rotes Tuch, mit dem ich frech vor seiner Nase herumfuchtelte.

Auf meine blühende Fantasie war doch wirklich in jeder Lebenslage Verlass.

Unaufhaltsam stieg ein Lachen in mir auf. Verzweifelt biss ich die Zähne zusammen und versuchte, es zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. Es war so aussichtslos, als wollte man einen Vulkan am Ausbruch hindern.

Ich prustete los. Ich kicherte, schnaubte und schniefte. Verzweifelt drückte ich mir die Faust vor den Mund und versuchte aufzuhören, aber es war unmöglich. Die ganze Nervosität und Anspannung der schlaflosen Nacht und des heutigen Morgens brachen wie eine Flutwelle aus mir heraus. Ich konnte nicht anders, presste die Hände auf meinen Bauch, und bog mich vor Lachen.

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