30 ~ Herz oder Verstand?

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Ich schilderte Sara den ganzen Vormittag in allen Einzelheiten. Als ich mit meinem Bericht fertig war, schüttelte sie missbilligend den Kopf.

»Hätte diese Schreckschraube nicht einfach die Klappe halten und weitergehen können? Dann wäre wahrscheinlich längst alles klar und wir würden gar nicht hier sitzen.«

»Was? Wen meinst du jetzt damit?«

Sie sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. »Manchmal bist du echt schwer von Begriff, Lil. Ich meine natürlich diese Oma, die euch im Park gestört hat.«

»Natürlich«, wiederholte ich irritiert. Mit großen Augen glotzte ich meine beste Freundin an. »Mensch, Sara. Das meinst du doch nicht ernst? Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie uns nicht unterbrochen hätte.«

»Was hätte schon passieren sollen? Ihr wart mitten im Park, da kann schlecht mehr passieren als ein Kuss.«

Ich war mir da nicht ganz so sicher. In dem Moment, als mich diese lustvollen Gefühle überfluteten, hätte ich die Hand für mich nicht ins Feuer legen wollen.

»Also gut, und jetzt will er wissen, ob du mit ihm zusammen sein willst.«

Ich schüttelte den Kopf. Hatte sie mir nicht richtig zugehört?

»Äh, nein. Er hat nur gefragt, wie es mit uns weitergehen soll.« Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er mit mir zusammen sein wollte.

»Mann, Lil! Ich sag's ja, schwer von Begriff. Genau das wollte er damit fragen, das ist doch glasklar.«

Ich runzelte die Stirn. »Da bin ich mir nicht sicher.«

Ich stand auf und spannte unseren großen, grünen Sonnenschirm auf. Die Sonne knallte so vom Himmel, dass ich mir mit meiner hellen Haut ansonsten innerhalb kürzester Zeit einen Sonnenbrand einfangen würde. Außerdem fühlte ich mich sowieso schon seltsam beduselt. 

Vielleicht hatte ich mir heute Morgen im Park einen Sonnenstich geholt? Vielleicht war ich deshalb so über David hergefallen? Weil ich einen Sonnenstich hatte! Hurra, da war sie doch schon, die heiß ersehnte logische Erklärung für mein völlig unvernünftiges Verhalten!

Sara stieß einen tiefen Seufzer aus. »Was, glaubst du, wollte er sonst damit vorschlagen? Etwa Freundschaft plus?«

Ich zog meine Augenbrauen hoch. Das hatte ich in den letzten Tagen so oft getan, dass ich langsam eine gewisse Übung darin hatte. »Freundschaft plus?«

»Ja. Jetzt sag mir nicht, dass du das nicht kennst! Hast du nie die ganzen Filme gesehen, die es darüber gibt? Freundschaft plus Sex. Klappt allerdings nie, zumindest nicht im Film«, stellte sie trocken fest, bevor sie einen Schluck von ihrem Kakao nahm.

»Glaubst du, dass er das von mir will?«, fragte ich fassungslos und riss die Augen auf.

»Überhaupt nicht. Aber du glaubst das anscheinend, wenn du vermutest, dass er keine Beziehung mit dir will. Doch ganz unabhängig davon, was er will, wollen wir ja eigentlich herausfinden, was du willst, Lil. Ich stelle mal kurz die Fakten zusammen: Du magst ihn und die körperliche Anziehungskraft scheint auch mehr als ausreichend vorhanden zu sein. Er ist superheiß und er küsst gut. In dem Fall würde ich sagen: Krall ihn dir, bevor es eine andere tut.«

»Was? Das ist der Rat, den du mir gibst?« Ich war völlig geplättet und konnte nicht glauben, dass sie mir ernsthaft diesen Vorschlag gemacht hatte.

»Ja, na klar. Du musst ihn ja nicht gleich heiraten. Du bist achtzehn. Wenn es nicht läuft, dann kannst du dich wieder trennen«, kam prompt ihre Antwort.

»Äh, Sa. Könnte es vielleicht sein, dass du bei der Zusammenstellung deiner Fakten ein paar klitzekleine unwesentliche Details vergessen hast?«

»Und die wären?«

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