In einer Wolke aus glitzerndem rosa Tüll und mit einer Federboa um den Hals schwebte sie ins Zimmer. Weit schwingend umspielte das Kleid ihre Beine, als sie sich umdrehte, um die Zimmertür hinter sich zu schließen. Ihr Haar hatte sie zu einer eleganten Hochsteckfrisur drapiert, die mit einer großen rosa Blüte geschmückt war. Kein Wunder, dass Lu sie im ersten Moment für verrückt gehalten hatte. Ihr Aufzug war wirklich außergewöhnlich, sie hätte damit gut auf eine Karnevalsveranstaltung gepasst.
Mit einem Waschlappen, einem Handspiegel, einer Bürste und etwas Deo hatte ich mich zwar auch wieder einigermaßen vorzeigbar gemacht, aber im Vergleich zum perfekten Styling von Davids Lehrerin fühlte ich mich in meinen Jeans und dem einfachen T-Shirt doch ziemlich klein und unscheinbar.
Dieses Minderwertigkeitsgefühl verflog jedoch sofort, als ihre wachen, dunklen Augen bei meinem Anblick bewundernd aufblitzten und sich ihre Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen, das ich automatisch erwiderte. Diese Frau war mir schon jetzt mehr als sympathisch. Sie strahlte Wärme und Güte aus und außerdem wusste ich, wie viel sie für David getan hatte.
Ich ging auf sie zu und streckte ihr meine Hand hin. »Hallo, ich bin Lil«, stellte ich mich vor. Sie umfasste meine Hand mit ihren beiden und hielt sie fest, während sie mich mit einem liebevollen Ausdruck in ihren dunkelbraunen Augen für einen Moment einfach nur ansah. Ihr Lächeln verfestigte sich auf ihren Lippen.
»Meine liebe Lil, ich freue mich sehr, endlich das Mädchen kennen zu lernen, das meinen Jungen so glücklich gemacht hat. Ich bin mir nicht sicher, ob David dir meinen Namen gesagt hat. Ich bin Hada Álvarez-Gómez, aber bitte nenn mich einfach Hada. Und verzeih mir mein unpassendes Erscheinungsbild, aber ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen. David hat es wirklich sehr dringlich gemacht.«
»Dann haben Sie ihn getroffen?«, fragte ich und hielt gespannt den Atem an. Ein kleiner Funke flackerte in mir auf. Ein Fünkchen Hoffnung, dass er vielleicht doch noch irgendeine Lösung für uns gefunden hatte, auch wenn gleichzeitig die Angst da war, dass ich mir diese Hoffnung gerade völlig umsonst machte und danach umso tiefer fallen würde.
Aber warum sollte Hada es so eilig haben, mich zu besuchen, wenn nicht, um uns irgendwie zu helfen?
»Oh, bitte, sag doch ›du‹ zu mir, Lil. Und nein, er war nicht bei mir, er hat mich nur angerufen. Sein unsäglicher Vater lässt ihn nicht mehr gehen, also kann er leider nicht selbst nach dir sehen. Ich bin gleich nach dem Ende des Tanzturniers, an dem ich heute teilgenommen habe, zu dir gefahren, daher auch mein etwas spezielles Outfit. Ich war mir nicht sicher, ob deine Schwester mich reinlassen würde, denn sie sah ehrlich gesagt etwas skeptisch aus, als ich vor der Tür stand. Deshalb habe ich nach ›Schneewittchen‹ gefragt und gehofft, dass du dann verstehen würdest, wer mich schickt. Er hat mich gebeten, dich zu besuchen und ihm dann Bescheid zu geben, wie es dir geht. Wie ich sehe, bist du zum Glück wieder auf den Beinen, auch wenn du noch etwas erschöpft aussiehst, Liebes.«
Das war also der Grund für ihren Besuch. Eine Welle der Enttäuschung überkam mich, obwohl es natürlich total süß von David war, dass er sich solche Sorgen machte und wollte, dass Hada nach mir sah. Aber mein kleiner Hoffnungsfunke erlosch leider noch sehr viel schneller, als ich erwartet hatte. Meine Sicht verschwamm, weil mir wieder Tränen in die Augen stiegen.
»Es ist noch nicht zu spät, Lil. Wahre Liebe findet immer einen Weg.« Sie lächelte mich aufmunternd an. »Allerdings muss ich dir dafür ein paar Dinge erklären. Setzen wir uns doch zusammen auf dein Bett und ich erzähle dir alles.«
Ich schluckte und nickte nur, während der Hoffnungsfunken in mir wieder aufflammte, größer und heller als zuvor. Sie schien also doch eine Idee zu haben, und das machte mich ganz hibbelig.
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Entscheide dich, Schneewittchen! ✓
Romantik⩥ ROMANCE || WATTYS SHORTLIST 2022 ⩤ Die achtzehnjährige Lil ist alles andere als begeistert darüber, dass sie den mysteriösen David für die Abschlusszeitung interviewen soll. Schließlich hält sie den unnahbaren Einzelgänger, der mit niemandem rede...