»Was hast du vor?«, fragte ich, während wir Hand in Hand die Straße entlanggingen. Irgendwie war es seltsam, mit diesen ineinander verschränkten Händen neben ihm zu gehen, wo wir doch nur Freunde waren. Aber weil es sich so gut anfühlte, ließ ich es einfach zu, und David schien sich nichts dabei zu denken.
Er hielt vor einer Bäckerei an, die sich neben dem schmiedeeisernen Eingangstor des Stadtparks befand und über einen Straßenverkauf verfügte.
»Wir könnten hier einen Kaffee mitnehmen und danach in den Park gehen.«
»Okay. Aber diesmal bezahle ich«, verkündete ich und kramte den Geldbeutel aus meiner Tasche, die er mir noch auf dem Schulhof wortlos abgenommen und seitdem für mich getragen hatte.
Nachdem ich ihn gefragt hatte, was er trinken wolle, bestellte ich zwei schwarze Kaffees und nahm außerdem noch zwei Schokocroissants mit. Denn Schokocroissants gingen immer!
Obwohl sie natürlich nicht gerade hilfreich waren, um superschlanke Beine à la Melanie zu bekommen. Der Gedanke an sie versetzte mir einen blöden Stich, den ich schnell wieder verdrängte, denn nichts sollte die Harmonie zwischen uns stören.
Plötzlich stand David neben mir und wandte sich an die Verkäuferin, die sich sehr über das Erscheinen meines gutaussehenden Begleiters zu freuen schien. Jedenfalls schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln, das sie bei meinem Anblick noch nicht aufgelegt hatte.
»Könnten wir vielleicht unsere Taschen hier bei Ihnen lassen? Wir gehen in den Park und holen sie später wieder ab.« Auch auf Davids Gesicht erschien ein charmantes Lächeln. Er sah so entspannt und zufrieden aus, dass ich ihn kaum mit dem Jungen in Einklang bringen konnte, der immer allein in den dunkelsten Ecken der Schule herumlungerte.
»Na klar, her damit!« Sie streckte ihre Hand über die Theke nach unseren Taschen aus und er reichte sie ihr. »Viel Spaß dann euch beiden«, wünschte sie uns mit einem verschwörerischen Augenzwinkern in meine Richtung.
Was sie wohl dachte, was wir im Park vorhatten? Ich konnte es nur erahnen.
Als ich David seinen Kaffee gab, bedankte er sich und lächelte diesmal mich an, wobei mir ganz warm ums Herz wurde. Dann schlenderten wir gemeinsam auf das große Tor des Stadtparks zu.
Unsere Schritte knirschten auf den Kieswegen und es duftete herrlich nach Frühlingsblumen und Kaffee. Tulpen und Stiefmütterchen leuchteten bunt in den vielen Beeten, die die Wege säumten. Dahinter lagen saftig grüne Rasenflächen, auf denen vereinzelt große Bäume standen, die Schatten spendeten. Die Vögel zwitscherten wie verrückt und Frühlingsgefühle überfluteten mich.
Obwohl ich total übermüdet war und ein schlechtes Gewissen haben sollte, weil ich gerade unentschuldigt dem Unterricht fernblieb, fühlte ich mich wunderbar. Am liebsten wäre ich mit ausgebreiteten Armen über die Wiesen gerannt. Es war schon sehr lange her, dass ich ein derartiges Bedürfnis verspürt hatte. Was David wohl davon halten würde?
Wir gingen schweigend nebeneinanderher, nippten hin und wieder an unserem Kaffee und genossen den herrlichen Morgen, die Wärme der Sonne und den leichten Wind, der dafür sorgte, dass es nicht unerträglich heiß wurde.
Ich hatte nicht das Gefühl, unbedingt etwas sagen zu müssen, denn die Stille zwischen uns fühlte sich gut an und war kein bisschen unangenehm. Es war eine merkwürdig schöne Ruhe, die ich in mir spürte. Ich mochte es, mit ihm durch den Park zu spazieren. Ich mochte seine Nähe. Ich mochte sie sogar sehr. Und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
Es waren kaum Menschen im Park. Ab und zu kam ein Jogger vorbei oder Leute, die ihren Hund ausführten oder mit einem Kinderwagen unterwegs waren. Aber die meisten waren wohl um diese Zeit bei der Arbeit oder, wie wir es eigentlich auch sein sollten, in der Schule.
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Romance⩥ ROMANCE || WATTYS SHORTLIST 2022 ⩤ Die achtzehnjährige Lil ist alles andere als begeistert darüber, dass sie den mysteriösen David für die Abschlusszeitung interviewen soll. Schließlich hält sie den unnahbaren Einzelgänger, der mit niemandem rede...