40 ~ Schauspielkünste

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Wir saßen auf der Veranda hinter dem Haus. Die Lichtung lag inzwischen im Schatten, weshalb es merklich kühler geworden war. David hatte mir die Lederjacke geholt, die er mir für die Motorradfahrt gegeben hatte, und ich fühlte mich angenehm eingehüllt von Wärme und seinem Geruch.

»Hast du das Häuschen wirklich selbst renoviert?«, fragte ich ehrlich beeindruckt, während ich meinen Blick über die Veranda und das kleine Holzhaus schweifen ließ.

»Na ja, nicht alles, aber einiges. Mir ging es damals nicht so gut und die Arbeit hier hat mir irgendwie geholfen. Am Anfang hatte ich echt keine Ahnung und hab total blöde Fehler gemacht, aber heutzutage gibt's ja für alles YouTube-Videos. Es hat zwar eine Weile gedauert und manche Sachen musste ich auch zweimal machen, weil der erste Versuch schief ging, aber hey, ich hatte ja viel Zeit.«

»Es ist wirklich schön geworden.« Ich lächelte und hoffte, ihn dabei nicht allzu sehr anzuschmachten, aber wahrscheinlich tat ich das. Ich konnte gar nicht anders.

Rundum satt lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Das Essen hatte fantastisch geschmeckt, die Aussicht auf den See war gigantisch und ich saß hier mit dem Jungen, in den ich total verliebt war. Eine leichte Brise wehte um meine Nase, und als die Dämmerung hereinbrach, hörte ich Grillen zirpen und ab und zu einen Uhu rufen. Auf dem Tisch flackerte eine Kerze in einem Windlicht. Romantischer ging es kaum. Der Abend war beinahe perfekt und ich wäre wahrscheinlich rundum glücklich gewesen, wenn, ja wenn es da nicht noch so viele offene Fragen und Geheimnisse zwischen uns gegeben hätte.

Außerdem hatte ich das seltsame, unbestimmte Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden. Unwillkürlich huschte mein Blick erneut über das Gestrüpp, welches die Lichtung umgab, wie bereits einige Male zuvor an diesem Abend. Schließlich hatte auch diese Hada davon gesprochen, einen Mann hinter den Sträuchern gesehen zu haben, was nicht gerade zu meiner Beruhigung beitrug.

»Glaubst du, dass da heute Mittag wirklich jemand im Gebüsch war und uns beobachtet hat?«, platzte ich plötzlich zusammenhanglos heraus, weil ich die innere Anspannung einfach nicht mehr aushielt.

»Hast du gehört, dass Hada das gesagt hat?«, stellte mir David völlig ruhig seine übliche Gegenfrage und beobachtete meine Reaktion mit aufmerksamen, schmalen Augen. Ich nickte stumm. Wollte er herausfinden, was ich am Fenster alles mitbekommen hatte?

»Vielleicht hat sie sich geirrt und es war nur ein neugieriger Spaziergänger oder Jogger? Oder irgend so ein Spanner«, versuchte er mich zu beruhigen.

»David, du bist ganz allein hier draußen. Ich mache mir echt Sorgen um dich«, gab ich zu, denn ich wollte unbedingt, dass er meine Ängste verstand und sie am besten gleich komplett zerstreute. Er grübelte einen Moment lang mit dunklem Blick vor sich hin.

»Hey, komm mal her.« Seine samtweiche Stimme ließ mir einen wohligen Schauer über den Rücken rieseln. Ich schluckte, stand auf und ging um den Tisch herum auf ihn zu, während er seinen Stuhl zurückschob. Als ich vor ihm stand, fasste er mich an der Taille und zog mich auf seinen Schoß. Ich ließ mich von der Wärme und Geborgenheit einhüllen, die seine Arme um mich legten. Er drückte mich noch fester an seine Brust und ich kuschelte meinen Kopf an seine Schulter. Mit geschlossenen Augen genoss ich einen Moment lang seinen Duft, der sich mit dem seines Aftershaves vermischt hatte.

David griff nach meiner Hand, die auf meinem Bein lag, und zeichnete mit dem Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken. »Du brauchst keine Angst um mich zu haben, okay? Er wird mir nichts tun. Ich bin für ihn zu wertvoll.« Das letzte Wort hatte er verächtlich gesagt, beinahe ausgespuckt. Er hob mein Kinn mit der Hand an, so dass ich ihm direkt ins Gesicht sah, das nur noch ein ganz kleines Stück von meinem entfernt war.

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